Politik

Amnesty: "Peepshow" in Duschen in Traiskirchen

Heute Redaktion
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Nach einem Besuch im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen durch eine von Amnesty International beauftragte Kommission veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation am Freitag ihren Bericht. Kernaussage: Die Flüchtlinge werden unmenschlich behandelt, Österreich begeht Menschenrechtsverletzungen, Traiskirchen zeige "systematische Mängel" und "strukturelles Versagen". Für Kritik sorgt auch ein Strafpunktesystem. Caritas-Präsident Michael Landau appelliert an die Bürgermeister und Länder, endlich zu helfen.

Nach einem Besuch im  durch eine von Amnesty International beauftragte Kommission veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation am Freitag ihren Bericht. Kernaussage: Die Flüchtlinge werden unmenschlich behandelt, Österreich begeht Menschenrechtsverletzungen, Traiskirchen zeige "systematische Mängel" und "strukturelles Versagen". Für Kritik sorgt auch ein Strafpunktesystem. Caritas-Präsident Michael Landau appelliert an die Bürgermeister und Länder, endlich zu helfen.

Nach dem Aufnahmestopp vergangene Woche in Traiskirchen besuchten Inspektoren der Menschenrechtsorganisation das Lager. Österreich habe bis vor wenigen Monaten einen recht guten Job bei der Bewältigung des Massenandrangs von Flüchtlingen gemacht, so Amnesty Österreich-Chef Heinz Patzelt. Die Zuspitzung der Situation in Traiskirchen aber habe die Londoner Amnesty-Zentrale auf den Plan gerufen, sowie die Berichte über Massenobdachlosigkeit. Für Aufsehen sorgt ein "inoffizielles Strafpunktesystem" - wer sich etwa beschwert, bekommt einen Strafpunkt. Bei drei Punkten müsse man einige Nächte im Freien verbringen.

Vor allem auch die Situation der 1.600 Minderjährigen in Traiskirchen wurde überprüft. Das Ergebnis zeichnet kein gutes Bild für Österreich. Die medizinische Versorgung sei mangelhaft, Menschen müssten tagelang auf eine Behandlung warten. Schwangere und Kinder müssten stundenlang für Identitätskarten anstehen, 1.500 Personen im Freien schlafen, heißt es weiter. Und: Die Duschen würden zur "unfreiwilligen Peepshow" verkommen, Frauen müssten in Gemeinschaftsduschen, und Duschvorhänge seien fast keine vorhanden. "Österreich verletzt Menschenrechtsstandards in der Unterbringung und Verwaltung von Asylwerbern", so Patzelt.

Caritas appelliert an Bürgermeister und Länder

Caritas-Präsident Michael Landau appelliert vor diesem Hintergrund: "Es sollte nicht länger um die Frage gehen, wer diese Misere zu verantworten hat. Es muss jetzt einzig darum gehen, was jeder und jede von uns dazu beitragen kann, um die Situation zu entlasten."

Und weiter: "Wir sind alle gefordert, denn Traiskirchen geht uns alle an: Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam mit den Vertretern der Kirchen und der Zivilgesellschaft. Vor allem aber richtet sich meine Bitte an die 2.100 BürgermeisterInnen unseres Landes: Jeder Bürgermeister und mit ihm jede Gemeinde kann ganz wesentlich dazu beitragen, dass in Österreich kein Flüchtling zur Obdachlosigkeit verurteilt wird - sei es indem man zusätzliche Quartiere schafft oder sich der Öffnung von Bundeseinrichtungen nicht verwehrt. Auch die Öffnung leerstehender Kasernen muss endlich in Angriff genommen werden. Wir müssen jetzt für feste Quartiere sorgen, denn Zelte sind im nahenden Herbst und Winter keine Option!"

Auf der nächsten Seite: Empfehlungen von Amnesty International 

Im Bericht hat Amnesty auch Empfehlungen für eine Verbesserung der Situation in Traiskirchen abgegeben:

"Amnesty International empfiehlt

dem Bundesministerium für Inneres

- umgehend Maßnahmen zu ergreifen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sicherzustellen, dass die Unterbringung der Asylsuchenden relevanten Standards entspricht; darunter auch kurzfristig weitere Zelte bereitzustellen.

- umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Obdachlosigkeit von Flüchtlingen in der Bundesbetreuungsstelle Ost in Traiskirchen zu beenden.

- Maßnahmen zu ergreifen, damit besonders schutzbedürftige Gruppen, darunter Überlebende von Folter, Menschen mit schweren gesundheitlichen Leiden, Schwangere und ältere Menschen sowie Kinder in Übereinstimmung mit ihren Bedürfnissen behandelt werden.

- Maßnahmen zu ergreifen, dass insbesondere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge umgehend einen gesetzlichen Vormund erhalten, der ihre Interessen wahrnimmt und sicherstellt, dass die Betroffenen ausreichende Informationen über die weitere Vorgehensweise in Traiskirchen und ihr Verfahren erhalten.

- dass Familien bei der Unterbringung nicht getrennt werden.

- umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Sinne des Prinzips des Kindeswohls eine adäquate Unterkunft sowie die notwendige Unterstützung und Hilfe erhalten

- dass Asylwerber*innen für Besuche bei Fachärzt*innen oder Krankenhäusern Dolmetscher*innen zur Verfügung gestellt werden.

- Supervision für die Mitarbeiter*innen der Betreuungsstelle anzubieten.

den Bundesländern

- dass von Seiten der Bundesländer in Erfüllung ihrer Verpflichtung umgehend flächendeckend Quartiere zur Verfügung gestellt werden.

der Bundesregierung

- dass das Parlament und der Ministerrat durch umgehend zu beschließende gesetzliche Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass alle verfügbaren geeigneten Baulichkeiten verzögerungsfrei für die dezentrale Unterbringung zugelassener Asylwerber*innen verwendet werden können."

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