Österreich

6 Jahre Haft und Einweisung für Amokläufer

Heute Redaktion
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Wegen mehrfachen Mordversuchs stand Mario S. (18) heute in Korneuburg vor Gericht. Er hatte im Mai einen Amoklauf in einer Mistelbacher Schule geplant. Vor Gericht kam er glimpflich davon.

Scheu, blass und sichtlich vom sehr großen Medieninteresse verschreckt, schlich Mario S. mit gesenktem Haupt in den Gerichtssaal in Korneuburg.

Relativ zügig ging der Prozess am Mittwoch voran: Beweisführung, Gutachter, Zeugen. Der Anwalt des Angeklagten, Werner Tomanek, beantragte einen Ausschluss der Öffentlichkeit. Dem Antrag wurde auch kurz stattgegeben, dann ging es mit Publikum wieder weiter. Der Schütze sagte kleinlaut: "Es war falsch, was ich gemacht habe". Und er habe auch nachladen wollen, um sich selbst zu töten. Nur: Das gelang dem Soldaten nicht, also warf er die Waffe weg und flüchtete.

Das sagen Experten

Der ehemalige Soldat hat eine "schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung" entwickelt, die einer dringenden Psychotherapie bedarf, sagte Gerichtsgutachterin Gabriele Wörgötter. Der Beschuldigte leide unter einer enormen emotionalen Verarmung und unter Einsamkeit. Ohne einer Therapie sei laut Expertin die Gefahr von Mehrfachtötung weiterhin gegeben – auch sie plädierte für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Wie berichtet hatte sich Schul- und Lehrabbrecher Mario S. in den letzten 24 Monaten zurückgezogen, entwickelte einen Hass gegen andere und sich selbst. Laut Gutachterin fühlte er sich ausgegrenzt, unverstanden und nicht akzeptiert, er spürte eine Leere und Lebensfrust. Mit dem Zeitpunkt des Einrückens in die Kaserne Langenlebarn im Februar 2018 verfolgte er laut Anklage mit Hingabe Berichte über Amokläufe.

Kopie von Columbine

Vor allem das Columbine High School Massaker (Anm.: 13 Tote, 21 Verletzte; die Täter Eric Harris (18) und Dylan Klebold (17), die beide Trenchcoat trugen, richteten sich sofort nach dem Blutbad selbst im Jahr 1999) hat den Außenseiter besonders beeindruckt. Im April suchte er im Internet nach günstigen Waffen, bestellte via Amazon einen Trenchcoat, am 30. April wurden Mantel und Hose geliefert. Mario S. legte in seinem Hass-Tagebuch (Anm.: er nannte es Journal des Wrathkeeper, Wrath=Hass, Zorn) den 11. Mai als „Doomsday" (=Tag des jüngsten Gerichtes) fest. Als Schule wählte er das Schulzentrum Mistelbach aus. Der Grund: Weil es ihm dort als Ex-Schüler (Anm.: es war die letzte Schule, die er besucht hatte) laut Anklage "ziemlich schlecht gegangen ist".

Mit Öffis zu Amoklauf

Anfang Mai erwarb er in Deutsch-Wagram eine relativ günstige Baikal-Schrotflinte samt Munition (Kaliber 12/76), holte diese, nach der Abkühlphase, am 8. Mai ab. Am 9. Mai, er hatte dienstfrei, fuhr er mittags eher spontan (Anm.: er hatte den Vormittag vor dem Computer verbracht) mit den Öffis und einer Tasche zum Schulzentrum Mistelbach.

Vor der Schule verharrte er beobachtend einige Minuten, packte die Waffe aus und schoss aus einer Entfernung von rund 21 bis 24 Metern auf einen Weinviertler Arztsohn (18). Der Bursche sackte, im Gesicht, Schulter, Nacken, Brust, Bauch und Arm von rund 35 Schrotkugeln getroffen, zusammen. Mario S. konnte nicht nachladen und rannte in Panik weg. Nach seiner kurzen Flucht (Anm.: er informierte sich immer via Internet über den Fahndungsstand) stellte sich der Schütze in Wien der Polizei.

Mildes Urteil

Bereits kurz nach 12 Uhr zogen sich die Geschworenen zur Urteilsberatung zurück. Nach nur gut einer Stunde Beratung der Wahrspruch der Geschworenen: Sie befanden Mario S. wegen (einfachen) Mordversuches einstimmig (8:0 Stimmen) schuldig. Vom Vorwurf des mehrfachen Mordversuches wurde der Teenager indes freigesprochen. Das Urteil: Sechs Jahre Haft plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und 15.000 Euro Schmerzensgeld. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Höchststrafe wären übrigens 15 Jahre Haft gewesen (Anm.: junger Erwachsener). (Lie)