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Austria steckt in der Krise: Legende Ogris rechnet ab

Heute Redaktion
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Sport-Vorstand Peter Stöger, Austria-Ikone Andi Ogris, AG-Vorstand Markus Kraetschmer.
Sport-Vorstand Peter Stöger, Austria-Ikone Andi Ogris, AG-Vorstand Markus Kraetschmer.
Bild: GEPA-pictures.com

Die Wiener Austria braucht in den verbleibenden drei Bundesliga-Runden Siege und Schützenhilfe für die Meisterrunde. Klub-Ikone Andi Ogris nennt im "Heute"-Interview knallhart die Gründe der Krise.

Die Austria derzeit im Abstiegs-Play-off. Darf das eigentlich sein?

"Nach meiner Anschauung nicht. Vom Budget her müssen sie unter den Top 3 sein. Da sind wir aber weit entfernt. Die Tabelle lügt nicht. In den letzten zwei Jahren sind viele Dinge falsch gemacht worden. Darum sitzen wir jetzt so hier."

Was konkret ist falsch gemacht worden?

"Die Entscheidungsträger haben ganz einfach falsch eingekauft. Ich möchte niemandem vorwerfen, dass er kein guter Kicker ist. Aber wir haben in den letzten drei Transferperioden nie Spieler geholt, die uns weiterhelfen. Im Gegenteil: Wir holen Spieler, die wir entwickeln sollen. Nur die Zeit haben wir nicht. Im Gegenteil: Wir müssen Spieler holen, die uns in der Sekunde weiterhelfen. Das alles zeigt sich im Zuge dieser Transferperiode: Wir haben Turgeman geholt, den verleihen wir jetzt. Wir haben Yakete geholt, verleihen ihn jetzt. Das bestätigt das, was jetzt passiert. Sie werden nur verliehen, weil sie keiner kauft. Das ist das Problem. Wir werden dadurch nicht besser."

Du sprichst noch in der Wir-Form, wenn du von der Austria sprichst?

"Halt! Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich bin zu lange im Geschäft und weiß, wie es zugehen kann. Meine Beurlaubung ist okay. Aber: Was jetzt eingetreten ist, habe ich schon vorher schon probiert zu erklären. Wenn wir diesen Weg weitergehen, kriegen wir Probleme. Das wollte keiner hören. Ich merke heute, dass ich Recht behalten habe. Das macht mich nicht happy. Weil: Ich bin violett bis in die Knochen. Das werde ich bis zum Eintritt meines Todes sein. Ich werde immer Austrianer sein. Aber: Die handelnden Entscheidungsträger muss ich nicht gutheißen."

Beim 2:2 in Altach gab es keinen Aufwärtstrend. Viele Spieler scheinen nicht zu wissen, um was es geht. Ist es eine Charakter- oder Qualitätsfrage?

"Sowohl als auch. Die erste Halbzeit war grauslich und nicht zum anschauen – das ist so. Zweite Halbzeit war ein bisschen ein besseres Gesicht. Aber: Wenn Gebauer das 3:0 schießt, wäre zusammengeräumt gewesen. Dann machst du keinen Punkt dort. Das ist am Ende des Tages schon erschreckend. Es hängt mit vielerlei Dingen zusammen: Der eine oder andere kriegt es qualitätsmäßig nicht hin. Die anderen sind sich nicht bewusst, dass ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Sie verlassen sich auf das untere Play-off. Das spielt es aber nicht und ist gefährlich. Die anderen Vereine sind das gewöhnt, die Austria nicht. Mit schönem Fußball kommst du da unten nicht raus. Da heißt es Woche für Woche rennen, kämpfen, reinhauen, umackern. Wenn sie das nicht machen, werden sie im unteren Play-off Riesenprobleme kriegen. Ich hoffe immer noch auf ein Wunder."

Hast du auch das Gefühl, dass nicht jeder Spieler immer 100 Prozent gibt für die Austria?

"Da liegst du ein bissl falsch. Das glaube ich nicht. Sie hauen schon 100 Prozent raus Aber beim ein oder anderen Spieler sind 100 Prozent nicht ausreichend für die Austria. Aber immer daran gemessen, was man sich von der Austria erwartet. Die Erwartungshaltung eines Austria-Fans ist eine ganz andere. Auf der Geschäftsstelle liest du Technik, hochwertigen Offensivfußball. Anspruch und Stil. Obwohl: Das müssen sie auf der Geschäftsstelle übermalen. Darauf sind sie noch nicht gekommen. Es haut nicht mehr hin. Dem Austrianer, der jetzt ins Stadion kommt, ist man in Sachen Anspruch und Stil in den letzten drei, vier Jahren nie gerecht geworden."

Die Fans haben sich deklariert. Markus Kraetschmer ist der Hauptschuldige für die Krise. Wieviel Schuld trägt er: An Transfers? Trainerwechseln? An der Krise?

"In Prozent kann ich es nicht sagen. Aber er ist der oberste Chef und Entscheidungsträger mit Hensel und Muhr. Wenn der Herr Kraetschmer sich anmaßt bei Spielertransfers mitzureden, wird es nicht gut ausschauen. Es ist so. Der Markus Kraetschmer ist, was die Finanzen betrifft, wahrscheinlich einer der Fähigsten. Aber er darf sich nicht anmaßen, weil er 30 Jahre Fan ist, dass er sich im Fußball auskennt. Das tut er nicht. Dann kommt genau das raus, was jetzt ist. Das ist die Wahrheit."

Jetzt steht das Spiel gegen Salzburg an. Man muss eigentlich gewinnen. Ist das möglich?

"Das Schöne am Fußball ist, dass alles möglich ist. Wir können wider Erwarten einen guten Tag haben, dann kann alles passieren. Die Einstellung muss passen. Sie brauchen nicht rausgehen und glauben, sie spielen Salzburg an die Wand. Salzburg ist gefestigt, hat sich über Jahre weiterentwickelt. Bei uns ist gerade diese totale Verunsicherung da. Aber: Es ist leichter als gegen Altach. Die werden von Anfang an das Heft in die Hand nehmen. Es wird Räume für Monschein und Fitz geben. Trotzdem: Es wird schwer, ganz schwer."

Fitz, Sakaria, Pichler: Wie siehst du die Jungen?

"Das Gute ist, wenn ein Verein mit dem Rücken zur Wand steht – sowohl sportlich als auch finanziell – dann wird vermehrt auf den eigenen Nachwuchs geschaut. Das sind gute, junge Burschen. Du musst die Jungen nehmen und reinstoßen ins Wasser. Die schwimmen. Wenn sie einen schlechten Tag haben, geht ihm nichts auf – dann muss ich festhalten an ihm. Das ist bei uns nicht der Fall."

Wie viel Qualität hat Salzburg mit Haaland und Minamino verloren?

"Haaland und Minamino haben die Liga besser gemacht. Haalands Trefferquote sagt alles. Er ist 19, hat nicht jedes Match gespielt. Minamino gefällt mir einfach persönlich, wie er kickt. Immer unterwegs, quirlig. In Liverpool hat er seine beste Partie gespielt, unter Marco Rose war er ein Ergänzungsspieler. Aber ich glaube, es stehen viele in den Startlöchern, die wir jetzt gar nicht wissen. Szoboszlai ist ein super Fußballer. Das ist ein begnadeter Kicker, den würde ich mit dem Rad holen und herbringen. So etwas sieht man selten. Jetzt ehrlich: Ich sehe Fußballer anders."

Was kann man sich vom LASK abschauen?

"Dort ist einmal einer zuständig für Transfers, der selber Kicken kann: Jürgen Werner: Beim LASK gibt es ein extremes Zusammengehörigkeitsgefühl. Du merkst es, wenn eine Mannschaft eine Einheit ist. Glasner hat die Grundordnung gemacht – das war fantastisch. Dann hatten sie ein Naserl beim richtigen Trainer: Ismael hat am Anfang vieles gelassen, dann hat er sukzessive seine Vorstellungen vom Fußball umgesetzt. Sie spielen nicht mehr nur hohes Pressing, stehen jetzt auch in der gesicherten Defensive. Es geht ihnen alles auf."

Hast du noch Kontakt zur Austria?

"Nein, Gott sei Dank nicht."

Mit Peter Stöger?

"Mit Peter Stöger verbindet mich 30-jährige Freundschaft. Als Zimmerkollegen habe ich mehr Zeit mit ihm in einem Bett geschlafen als mit meiner Frau. Wir waren Zimmerkollegen. Er weiß, was er zu tun hat. Wenn wir uns treffen, reden wir nicht über die Austria."

Wie wichtig ist er für die Austria?

"Ich glaube, sehr wichtig. Peter ist die einzige Chance, die die Austria hat, um neue Sponsoren zu lukrieren. Nur auf diesem Weg wird es gehen, sich zu erfangen. Sonst hat man in den nächsten zwei, drei Transferperioden kein Geld in der Hand, um etwas zu verändern. Das ist die Wahrheit. Ich weiß, dass die Fan-Meinung langsam umschlägt. Für was haben wir den teuren Sportdirektor? Es verändert sich nichts. Nur die Fans wissen halt nicht, dass ihm die Hände gebunden sind und kein Geld da ist. Wegen der frischen Luft kommt keiner zur Austria."