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"Anfang vom Ende" – Seen und Flüsse verdunsten komplett

Hagelversicherung und Wissenschaft weisen auf die fatalen Auswirkungen ausbleibender Niederschläge hin – die Dürre gefährdet den Grundwasserspiegel.

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    Der Zicksee in der Marktgemeinde Sankt Andrä im Seewinkel trocknet rasant aus.
    Der Zicksee in der Marktgemeinde Sankt Andrä im Seewinkel trocknet rasant aus.
    Leserreporter

    "Faktum ist: Der Klimawandel, also die Erderwärmung, ist mittlerweile selbst in Österreich längst spürbar. Eine ständige Zunahme von Hitzetagen, also Tage mit über 30 Grad, und ausbleibender Regen haben massive Auswirkungen. Diese extreme Wettersituation führt zu einem sinkenden Grundwasserspiegel und gefährdet damit Österreichs Seen und Flüsse, aber insbesondere die Ernten der Landwirtschaft mit ihrer Werkstatt unter freiem Himmel. So erreicht etwa der Neusiedler See seinen niedrigsten Wasserstand seit fast 60 Jahren", so Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung.

    Und weiter: "Der benachbarte Zicksee ist fast vollständig ausgetrocknet und die Landwirtschaft insbesondere im Osten und Süden Österreichs ist auch heuer wieder von massiven Dürreschäden betroffen. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: Die Erderwärmung verbunden mit ausbleibenden Niederschlägen, aber auch die Verbauung unserer Äcker und Wiesen, die als Wasserspeicher zunehmend verloren gehen."

    Sinkender Fluss- und Grundwasserspiegel

    "Der Klimawandel mit starken Niederschlagsdefiziten, die Versiegelung der Böden und die Regulierung der Flüsse mit daraus folgenden Erosionen des Flussbettes wirken sich nachhaltig negativ auf den Grundwasserspiegel aus. Eine Folge davon sind See- und Flusswasserstände, die so niedrig sind wie selten zuvor. So ist etwa der Wasserstand des Bodensees nur mehr elf Zentimeter von seinem historischen Minimalwert entfernt. Aber auch der Neusiedler See erreicht heuer seinen tiefsten Wasserstand seit 1965. Mit ein Grund dafür ist der niedrige Grundwasserstand. Aber auch die Abflüsse der Flüsse, also das durchfließende Wasservolumen, leiden durch den Klimawandel. Der Abfluss an der Donau liegt derzeit unter dem langjährigen Mittel, wovon vor allem die Schifffahrt und die Wasserkraft stark betroffen sind", erklärt Experte Helmut Habersack.

    Generell lasse sich festhalten, dass an der Donau in den vergangenen 75 Jahren die sommerliche mittlere saisonale Durchflussmenge zwischen 5 und 13 Prozent gesunken ist. Der Po weise im Jahr 2022 extreme Niedrigwasserstände auf und im Zuge eines Projekts am Rhein sei festgestellt worden, dass bei Fehlen der Gletscher bis zu 25 Prozent weniger Abfluss bei Niederwasser auftritt. Und zuletzt stelle die Versiegelung von Flächen ein massives Problem dar, denn diese führe zu einer Reduktion der Grundwasserneubildung.

    Niederschlagsdefizit von 11. Juni bis 11. August 2022
    Niederschlagsdefizit von 11. Juni bis 11. August 2022
    HV

    "Was dies schlussendlich bedeutet, sehen wir nun am Beispiel von Österreichs Seen und Flüssen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist ein Rückbau von Flüssen und Feuchtgebieten sowie die Reduktion des Bodenverbrauchs notwendig. Wasser könnte so länger in der Landschaft gehalten werden, was wiederum auch der Reduktion des Hochwasserrisikos dient, da Überflutungsflächen erhalten bleiben beziehungsweise zurückgewonnen werden", so Habersack.

    Konsequenz des Klimawandels

    Und wie ist die Situation konkret im heurigen Jahr in der österreichischen Landwirtschaft? "Wir hatten grundsätzlich eine gute Getreideernte, da es dafür ausreichend Niederschläge gab. Anders ist die Situation bei den Herbstkulturen wie Mais, Sojabohnen, Kürbis, Kartoffeln, Sonnenblumen und dem Grünland. Insbesondere im Osten und Süden Österreichs rechnen wir mit erheblichen Ernteausfällen. Der Grund dafür liegt in den extremen Niederschlagsdefiziten der vergangenen zwei Monate. Die Konsequenz: Wir erwarten aus heutiger Sicht einen Dürreschaden in der Landwirtschaft von rund 100 Millionen Euro. Das Phänomen von Dürreschäden nimmt in der Landwirtschaft stark zu. Während in den 80iger Jahren alle zehn Jahre eine Dürre aufgetreten ist, treten große Dürreereignisse in Österreich nun durchschnittlich jedes zweite Jahr auf. So entstand in den vergangenen zehn Jahren aufgrund der Dürre ein Gesamtschaden von mehr als einer Milliarde Euro", so Kurt Weinberger, in einer ersten Zwischenbilanz zu den Dürreschäden in der Landwirtschaft.

    "Auch wenn das endgültige Schadensausmaß erst Mitte September beziffert werden kann, wird uns vor Augen geführt, dass in Zukunft vermehrt mit extremer Trockenheit zu rechnen ist. Das zeigt uns auch die Zahl der Hitzetage, also Tage mit mindestens 30 Grad Celsius. Gab es in den 80/90er Jahren noch zwischen drei und zwölf Hitzetage, zählen wir mittlerweile das Dreifache solcher Tage. Werden die Klimaziele von Paris nicht eingehalten, müssen wir im Jahr 2100 mit 60 bis 80 Hitzetagen pro Jahr rechnen", so Weinberger.

    Dürreschäden in der Landwirtschaft
    Dürreschäden in der Landwirtschaft
    HV

    Und: "Neben der Bedrohung der österreichischen Landwirtschaft durch zunehmende Dürreschäden, wird die landwirtschaftliche Produktion durch die rasante Zubetonierung der Agrarflächen massiv gefährdet. Alleine in den letzten 25 Jahren wurden in Österreich 150.000 ha Agrarflächen verbaut, das entspricht einer Größe der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. Mit der Zubetonierung Österreichs führen wir diesem Land beträchtlichen Schaden zu. Die zunehmende Versiegelung führt aber nicht nur dazu, dass Agrarflächen für die Produktion von heimischen Lebensmitteln verloren gehen. Versiegelter Boden geht als Wasser- und Kohlenstoffspeicher verloren, wodurch Überschwemmungsschäden zunehmen, da der Regen nicht mehr ins Grundwasser absickern kann", erklären Weinberger und Habersack.

    Hinzu komme der Aspekt, dass gleichzeitig versiegelte Flächen Hitze stärker aufnehmen, speichern und wieder abgeben. Versiegelter Boden sei auch Mitverursacher eines sinkenden Grundwasserspiegels durch eine Verhinderung der Grundwasserneubildung. Ein Kurswechsel im Umgang mit der Verbauung des Naturraumes sei daher unerlässlich, um sowohl die Gefahr vor wiederkehrenden und immer stärker auftretenden Überschwemmungsereignissen als auch die Austrocknung von Seen, Flüssen und Agrarflächen einzuschränken.

    "Wenn wir weiterhin in diesem Tempo unsere Böden verbauen, sind ein sinkender Grundwasserspiegel und Dürreschäden in der Landwirtschaft, wie wir es heute erleben, erst der Anfang vom Ende", so die Experten.

    Univ.Prof. DI DDr. Helmut Habersack, Leiter des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der Universität für Bodenkultur und Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung
    Univ.Prof. DI DDr. Helmut Habersack, Leiter des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung an der Universität für Bodenkultur und Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung
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