Österreich

Angeklagte (16): "Lieber Gefängnis als zur Mutter"

Heute Redaktion
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Khadizhat S. (16) soll völlig grundlos auf eine Studentin in Wien-Neubau eingestochen haben. Das Messer-Attentat hat sie angeblich kaltblütig geplant.

Prozess am Dienstag wegen Mordversuchs in Wien. Khadizhat S. (16) soll am 5. April Studentin Valentina T. (23) im Josef-Strauß-Park in Wien-Neubau niedergestochen haben. In der Einvernahme hatte sie noch einen Wortwechsel mit dem Opfer als Tatmotiv angegeben. Valentina T. habe angeblich "Scheiß Muslima" zu der strenggläubigen Tschetschenin gesagt. Daraufhin sei die 16-Jährige ausgerastet und habe zugestochen.

Dienstag vor Gericht packte das Mädchen dann eine andere Geschichte aus. Einen Wortwechsel habe es nie gegeben, so die Angeklagte kleinlaut. Die Messerattacke sei kaltblütig geplant gewesen, um ins Gefängnis zu kommen.

Valentina T., die zur Tatzeit gerade mit einer Freundin in Graz telefoniert hatte, war "zur falschen Zeit am falschen Ort" wie der Richter anmerkte. Das Opfer überlebte die Attacke, kämpft jedoch noch immer mit den seelischen Folgen des Angriffs.

Die Angeklagte gab an, öfters ein Messer bei sich gehabt zu haben. "Zur Verteidigung", wie sie meinte, weil sie von Übergriffen auf muslimische Frauen gehört hatte. Als sie Valentina T. auf der Parkbank sah, die mit dem Rücken zu ihr saß und telefonierte, hat sie sich "wohl eingebildet 'Scheiß Muslima' gehört zu haben". Sie sei "keine radikale IS-Anhängerin" – aber wie Verteidiger Rudolf Mayer dem Schwurgericht zu verstehen geben wollte, ist im Leben des beschuldigten Mädchens einiges schief gelaufen.

"Lieber ins Gefängnis, als zu meiner Mutter"

Khadizhat S. sprach wiederholt von "Druck", der sich in ihr aufgestaut hat. In ihrem Tagebuch stand angeblich: "Ich werde Amok laufen, ich halte es mit meiner Mum nicht mehr aus." Recherchen ergaben, dass die Angeklagte das Strafmaß für Jugendliche und Mord gegoogelt hatte.

Auf die Frage des Richters, ob sie es bewusst in Betracht gezogen hatte jemanden zu töten, antwortete sie: "Ja, zu dem Zeitpunkt war mir das egal. Lieber wollte ich ins Gefängnis als noch länger meine Mutter zu ertragen. Ich habe nicht daran gedacht, was mit dem Opfer passiert."

Einen Tag vor der Tat fragte sie eine Mitschülerin, ob diese irgendwo Waffen auftreiben könnte. Die Gefragte hielt das zuerst für einen "Scherz". Einer anderen Mitschülerin gegenüber soll sie schließlich angekündigt haben jemanden zu erstechen – "irgend jemanden". Bis etwas konkretes unternommen wurde, war es für Valentina T. schon zu spät.

"Für meine Mutter musste ich die perfekte Tochter sein"

Die Gerichtsverhandlung offenbarte einen Einblick in den mentalen Zustand der mutmaßlichen Täterin. Das Gericht legte Kopien des Tagebuchs von Khadizhat S. vor. Darin spiegelt sich eine Todessehnsucht und der Wunsch nach Gewalt wieder. Beliebtes Zeichnungsmotiv sind Pistolen, versehen mit düsteren Sprüchen.

Die 16-Jährige selbst gab an, unter den jahrelangen Streitereien der Eltern gelitten zu haben. Nach der Scheidung war sie für drei Tage zu ihrem Vater gezogen, weil sie das strenge Regime ihrer Mutter nicht mehr aushielt. Diese soll ihr darauf hin "Verrat" vorgeworfen haben. "Nachdem ich wieder zurückgekommen bin, sagte meine Mutter zu mir: Du bist eine Strafe Allahs", so die Angeklagte. "Ich war nie gut genug für sie, Kleinigkeiten wurden mit Schlägen bestraft. Ich musste ständig Bescheid geben, wo ich bin und was ich mache. Sie wollte die perfekte Tochter."

Als sie die Mutter den Gerichtssaal betrat, nahm das Zittern der Angeklagten deutlich zu. Sichtlich unbeeindruckt davon, dass ihre Tochter des versuchten Mordes angeklagt war, verließ die Mutter den Raum nur drei Minuten später – und entschlug sich der Aussage.

15 Jahre Haft möglich

Einem psychiatrischen Gutachten zufolge weist die 16-Jährige zwar eine schwere emotionale Störung auf, jedoch war sie zum Zeitpunkt der Tat völlig zurechnungsfähig. Das Urteil: Vier Jahre Haft – nicht rechtskräftig.