Bereits seit eineinhalb Jahrzehnten checkt Arbeiterkammer Oberösterreich und Ifes-Institut im Zuge der Arbeitsklima-Index-Erhebung, wie häufig Arbeitnehmer berufliche Aufgaben wahrnehmen, auch wenn sie gesundheitliche Probleme haben. Nach der jüngsten Auswertung schlagen die Kämmerer Alarm.
Die Zahlen seien besorgniserregend, schreiben die Experten in ihrem aktuellen Bericht. "Während im Jahr 2018 ein Tiefstwert von 28 Prozent der Beschäftigten, die krank arbeiten gehen, verzeichnet wurde, waren es im Jahr 2023 doppelt so viele, nämlich 59 Prozent." Das sei ein "absoluter Höchstwert" seit Erhebungsbeginn im Jahr 2008.
Einer der Hauptgründe für den Verzicht auf eine Auszeit ist demnach ein starkes Pflichtgefühl gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, denen man keine Mehrarbeit zumuten will. Mehr als die Hälfte der Betroffenen würden das als Grund nennen. Hinzu komme die Sorge, dass die Arbeit sonst liegen bleibt und man keine Vertretung hat. Und – zahlreiche Betroffene haben Angst vor einer Kündigung.
Ebenfalls auffallend – bei Frauen ist das Pflichtgefühl gegenüber Kollegen besonders ausgeprägt. Rund 60 Prozent lassen sich deshalb auch von Krankheit nicht abhalten, ihrer Arbeit nachzugehen. Bei Männern liegt der Anteil in diesem Bereich bei deutlich niedrigeren 52 Prozent. Dementsprechend hoch ist die "Präsentismus"-Quote (das ist der Fachbegriff für dieses Phänomen) in Berufen mit hohem Frauenanteil. Im Bereich Gesundheit und Soziales liegt er bei 61 Prozent, im Einzelhandel sogar bei 71 Prozent.
Messbare Auswirkungen hat "Präsentismus" aufs allgemeine Wohlbefinden. Jene, die bei Krankheit das Bett hüten stufen ihren Gesundheitszustand zu 82 Prozent als "gut" bzw. "sehr gut" ein. Bei jenen, die auch krank ins Büro gehen bzw. arbeiten, sind es 59 Prozent. Hinzu kommt – von Pflichtgefühl und Angst Getriebene fühlen sich deutlich häufiger müde, angeschlagen und matt und klagen über Konzentrationsprobleme.
Ebenfalls abgefragt: Knapp 40 Prozent der Beschäftigten, die krank arbeiten gehen, bezweifeln, dass sie ihren derzeitigen Beruf bis zu Pension durchhalten können. Bei den übrigen Beschäftigten liegt dieser Anteil bei deutlich niedrigeren 28 Prozent.
Ein weiterer Faktor, der in letzter Zeit das Problem verschärft hat, ist Homeoffice. 61 Prozent jener, die von zu Hause aus arbeiten können, tun das dann auch bei Krankheit. Bei Arbeitnehmern ohne Homeoffice-Möglichkeit sind es 53 Prozent.
Um die Lage zu entschärfen, fordert die Arbeiterkammer Oberösterreich einen Kündigungsschutz während des Krankenstandes. Ebenfalls verlangt werden verbesserte Arbeitsbedingungen vor allem auch im Gesundheits- und Sozialbereich sowie die Sicherstellung von ausreichen Personalressourcen.