Gesetzesänderung

Anwältin fordert Sex-Hausbesuche für Behinderte

Hausbesuche von Sex-Dienstleitern sind fast überall verboten. Behinderten-Anwältin Isabella Scheiflinger will eine Gesetzesänderung.
Österreich Heute
23.02.2024, 05:30

Wie sieht es in Österreich mit der sexuellen Selbstbestimmung bei Menschen mit Behinderungen aus? Dieser und anderen Fragen widmete sich eine Schwerpunkt-Erhebung der Wiener Volksanwaltschaft (VA). Von April 2022 bis Juni 2023 wurden insgesamt 161 Einrichtungen in ganz Österreich unter die Lupe genommen.

Im Rahmen eines Pressegespräches sprach auch die Kärntner Anwältin für Menschen mit Behinderung, Isabella Scheiflinger, die Aufklärung, aber auch die Stärkung der Bewohner gegenüber Angehörigen an: "Für einzelne Eltern ist es nur schwer vorstellbar, dass ihre Kinder mit zum Teil hochgradigen Behinderungen ein Bedürfnis nach Sexualität haben", erklärte die 59-Jährige.

"Wohnungsprostitution" fast überall verboten

Ein sensibles Thema in diesem Zusammenhang ist auch die rechtliche Unsicherheit bei Sexual-Begleitung (bzw. -Assistenz). Wie die Erhebung der VA ergab, wird diese in 36 % der Einrichtungen dezidiert ausgeschlossen.

Auch Sex-Hausbesuche sind oft nicht möglich: Zum einen, weil sich Eltern dagegen aussprechen oder Erwachsenenvertreter diese nicht finanzieren wollen. Zum anderen, weil "Wohnungsprostitution" – und damit auch die Sexualassistenz für behinderte Menschen – in den meisten Bundesländern verboten ist. Nur Vorarlberg ermöglicht nach einer Gesetzesänderung Sexualassistenz durch ausgebildete Kräfte im privaten Raum.

„Wir müssen das Prostitutionsgesetz in Kärnten dringend ändern“
Isabella Scheiflinger Anwältin für Menschen mit Behinderung in Kärnten

"Wir müssen das Prostitutionsgesetz in Kärnten dringend ändern", meinte Behinderten-Anwältin Scheiflinger. Die Vorschläge zur Änderung des Gesetzes werden demnächst der Kärntner Politik übergeben. Auch der UN-Ausschuss für Menschen mit Behinderung forderte Österreich auf, die Gesetze zu harmonisieren, um öffentlich finanzierte Angebote der Sexualbegleitung zu sichern.

Ein weiteres Problem: Das Recht auf Kinder bzw. ein Familienleben. Laut VA-Erhebung erfolgt etwa in jeder fünften Einrichtung die Empfängnisverhütung nicht selbstbestimmt (ohne Zustimmung der Betroffenen). Teams berichteten, dass Eltern in vermeintlich beschützender Weise dabei mitreden wollen.

„Die Angst vor einer Kindesabnahme ist durchaus berechtigt. Denn sie kommt immer wieder vor“
Bernhard AchitzVolksanwalt

So äußerte etwa in Salzburg ein Paar mit Behinderung einen Kinderwunsch. In der Einrichtung sei es aber nicht möglich, eine schwangere Klientin zu begleiten. Zudem seien Klientinnen nicht in der Lage, sich ohne Unterstützung um ein Kind zu kümmern, hieß es seitens der Einrichtung. Damit platzte für das Pärchen der Traum vom eigenen Nachwuchs.

Gründet ein behindertes Paar dennoch eine Familie, ist schnell auch die Kinder- und Jugendhilfe involviert: "Die Angst vor einer Kindesabnahme ist durchaus berechtigt. Denn sie kommt immer wieder vor", meint Volksanwalt Bernhard Achitz, der einen Ausbau von Elternassistenz für Menschen mit Behinderung fordert.

Betreuer nahm Intimrasur bei Frau vor

Fast ein Drittel der Einrichtungen (30 %) verfügt zudem über kein sexualpädagogisches Konzept, obwohl Information und Aufklärung vor sexueller Gewalt maßgeblich schützen können. Denn Studien zeigen, dass gerade Menschen mit Behinderung öfter sexuelle Gewalt erfahren, besonders Frauen und Mädchen.

Auch den Kommissionen der VA wurden vor Ort sexuelle Übergriffe geschildert. So nahm etwa ein Betreuer ohne Rücksprache und pflegerische Indikation eine Intimrasur bei einer Frau vor, die nicht sprechen kann. Letztendlich erhielt die Betroffene Psychotherapie und ein Tablet für unterstützte Kommunikation – allerdings erst nach Intervention durch die VA.

Sexuelle Übergriffe durch "Hausherr"

Behinderten-Anwältin Scheiflinger berichtet auch von einem Kärntner Fall: So gab es in einem Haus, in dem Menschen mit Lernschwierigkeiten untergebracht waren, schon jahrelang den Verdacht, dass der "Hausherr" sexuelle Übergriffe begeht: "Dann kam eine neue Assistentin, die bemerkt hat, dass da etwas unter den Tisch gekehrt wird. Sie hat Meldung erstattet, es kam zur Anzeige, und der Mann wurde verurteilt."

Nicht nur dieser Fall zeige, dass es mehr sensibilisierte und auf Gewaltprävention ausgebildete Fachkräfte, eigene Ansprechpartner und unabhängige Institutionen für Menschen mit Behinderung geben müsse, so Scheiflinger abschließend.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 23.02.2024, 11:58, 23.02.2024, 05:30
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