Niederösterreich

Anwalt fordert die Enthaftung von "Ibiza-Detektiv"

Der Drogenprozess gegen Julian H. geht in die Verlängerung. Sein Anwalt will die Entlassung des seit fast einem Jahr in U-Haft sitzenden 40-Jährigen.

Erich Wessely
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Der angeklagte Julian H.
Der angeklagte Julian H.
privat

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Ibiza-Videos, Julian H., ist am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten erneut vertagt worden. Beim vierten Termin der Schöffenverhandlung stand eine weitere Zeugeneinvernahme am Programm. Die Verteidigung stellte danach zahlreiche Beweisanträge, weiters wurde die Enthaftung von H. beantragt. Für die Befragung einer in Serbien lebenden Zeugin wurde der Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt.

H. soll laut Anklage über ein Kilo Kokain weitergegeben haben, der 40-Jährige bekannte sich nicht schuldig. Der Angeklagte brachte ins Spiel, dass der Hauptbelastungszeuge, ein früherer Geschäftspartner von ihm, Geld bzw. Sachleistungen in Form von Rechtsanwaltshonorar für falsche Vorwürfe gegen ihn erhalten haben soll. Das bestreitet der Betroffene.

Befragung von Lobbyist

Am Mittwoch wurde die Befragung von Gert Schmidt, Lobbyist und Betreiber der Onlineplattform eu-infothek.com, fortgesetzt. Schmidt gab an, dass er zwei ehemaligen Geschäftspartnern von H. insgesamt 55.000 Euro für Hinweise rund um das Ibiza-Video und die Hintermänner gezahlt habe. "Sie haben gesagt, sie reden nur, wenn sie Geld bekommen. Das sind sie so gewöhnt", erzählte Schmidt. Die beiden hätten weiters angegeben, dass sie auch als Informanten der Polizei Honorar bekommen würden.

"Es war vereinbart, dass sie mir bis zur Aufklärung des Falls 'Ibiza-Gate' zur Verfügung stehen. Das haben sie auch erfüllt", sagte der Zeuge. Zunächst wurden 40.000 Euro gezahlt und später - "weil der Mehraufwand so hoch war" - noch 15.000 Euro, sagte Schmidt, der auch als "Automatenjäger" im Kampf gegen das illegale Glücksspiel bekannt ist und mit Novomatic zusammenarbeitet.

Schmidt betonte, er sei weder vom ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch vom früheren FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus oder dessen Frau Tatjana beauftragt worden. Der Zeuge gab an, er habe Gudenus ein oder zwei Mal zum Thema Glücksspiel getroffen. Daraufhin hielt ihm Verteidiger Oliver Scherbaum vor, dass auf dem bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Handy von Gudenus 782 Chatnachrichten mit Schmidt gefunden wurden. Darin sei es um das Ibiza-Video, die Hintermänner und Informationen über den Lockvogel gegangen, sagte Schmidt. Mutmaßliche Kokainlieferungen von H. an den Hauptbelastungszeugen seien kein Thema gewesen, weil er nichts davon gewusst habe. Mehrmals berief sich der Betreiber der Online-Plattform während der Befragung auf das Redaktionsgeheimnis.

1,25 Kilo Kokain

Die Verteidigung hielt Schmidt vor, dass sich Hinweise der beiden Männer mitunter als falsch herausgestellt hätten. Der Zeuge erwiderte, dass er "wertvolle" Informationen vom Duo erhalten habe.

Der Privatdetektiv soll laut Anklage 2017 und 2018 insgesamt 1,25 Kilo Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 Prozent nahe der niederösterreichischen Stadt Haag (Bezirk Amstetten), in Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben haben. Damit soll H. der Staatsanwaltschaft zufolge Schulden beglichen bzw. seine triste finanzielle Situation aufgebessert haben. Das bestritt der Beschuldigte. Die Verteidiger bezeichneten die Vorwürfe als konstruiert. Im Falle eines Schuldspruchs drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Aussagen von Zeugen widersprüchlich

Belastet wird der in U-Haft sitzende Angeklagte von einem seiner ehemaligen Geschäftspartner in einer Sicherheitsfirma und dessen ehemaliger Geliebter. Die beiden waren vergangenes Jahr in Salzburg wegen Drogendelikten verurteilt worden. Ihre Aussagen widersprechen sich zum Teil. Die Frau machte zudem in ihren Befragungen, die an drei Verhandlungstagen stattfanden, teilweise andere Angaben als zuvor in ihren mehr als zehn Einvernahmen durch die Polizei, etwa was die Anzahl der Übergaben und die Menge des Kokains betrifft.

Der Hauptbelastungszeuge hat angegeben, dass er in seiner Hauptverhandlung "reinen Tisch machen" und gegen H. aussagen wollte. Weil seine in Serbien lebende Mutter kurz vor seinem Prozess von zwei Männern bedroht worden sei, habe er dann aber anders entschieden. Laut Richter liegen zwei Einvernahmen der Frau - durch ein Gericht und die Polizei - in ihrem Heimatland vor. Die Verteidigung war allerdings nicht mit einer Verlesung der Aussagen einverstanden, weshalb die Frau nun per Amtshilfe über Videokonferenz befragt werden soll.

Noch nicht entschieden hat der Schöffensenat während des Prozesses über weitere Beweisanträge der Verteidigung, mit denen die Rechtsanwälte nachweisen wollen, dass ihr Mandant nicht mit Drogen gehandelt habe und er durch falsche Anschuldigungen belastet werden sollte. Beigeschafft werden soll laut den Juristen auch eine Auswertung der Handy-Nachrichten zwischen Schmidt und Gudenus aus einem Akt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Weiters wurde ein psychologisches Gutachten zur Aussagefähigkeit der Hauptbelastungszeugin verlangt.

Fußfessel für Angeklagten?

Verteidiger Wolfgang Auer beantragte außerdem die Enthaftung des 40-Jährigen, eventuell unter Gewährung einer Fußfessel: "Der Angeklagte ist beinahe ein Jahr in U-Haft. Eine weitere Anhaltung ist unverhältnismäßig", sagte der Rechtsanwalt. Der Reinheitsgehalt des mutmaßlich gehandelten Kokains "lässt sich nicht objektivieren". Gehe man von einer geringeren Menge und schlechteren Qualität aus, betrage der Strafrahmen bis zu zehn Jahre. Über den Antrag der Verteidiger auf Enthaftung, der laut Richter schriftlich eingebracht werden soll, soll "unverzüglich" in einer eigenen Haftprüfungsverhandlung entschieden werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft H. außerdem vor, einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis, die auf den Namen einer rumänischen Bekannten lauteten, besessen und übergeben sowie bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien eine gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen zu haben. "Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass diese Dokumente falsch sind", hatte der 40-Jährige zu Prozessbeginn am 8. September eingeräumt. Es gilt für alle Beteiligte die Unschuldsvermutung.

H. soll das Video produziert haben, auf dem der damalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus in einer Villa auf Ibiza im Gespräch mit einer vermeintlichen Oligarchennichte zu sehen sind. Nach Veröffentlichung der Aufnahmen im Mai 2019 verloren nicht nur Strache und Gudenus ihre Jobs, sondern es kam auch zum Bruch der türkis-blauen Koalition. Eine Neuwahl folgte.

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