Österreich

Ärger über Kritik am Wilderer-Polizeieinsatz

Heute Redaktion
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Nach dem blutigen Drama um einen Wilderer, der vier Personen kaltblütig tötete, wurde Kritik an der Vorgehensweise der Polizei laut: Hätte das Blutbad verhindert werden können? Die Verantwortlichen sagen nein. "Heute.at" beantwortet die häufigsten Fragen.

Nach dem , wurde Kritik an der Vorgehensweise der Polizei laut: Hätte das Blutbad verhindert werden können? Die Verantwortlichen sagen nein. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner spricht gar von Besserwisserei. "Heute.at" beantwortet die häufigsten Fragen.

Mikl-Leitner wieß die geäußerte Kritik am Verhalten der Polizei zurück. "Angesichts der kaltblütigen Ermordung von vier Einsatzkräften halte ich diese Besserwisserei für unerträglich", sagte die ÖVP-Politikerin am Donnerstag. Mikl-Leitner hat am Mittwoch die Familien der getöteten Polizisten besucht, um ihnen ihr Mitgefühl auszudrücken und seelischen Beistand zu leisten. "Nach diesen Besuchen kann ich Ihnen ausrichten: Die Familien sehen es als respektlos und pietätlos an, wie versucht wird, die Schuld bei den Polizisten zu suchen", erklärte die Innenministerin.

"Das wichtigste derzeit ist es, den Hinterbliebenen und auch den Kollegen Mitgefühl zu zeigen, mit Hochdruck zu ermitteln und den Einsatz exakt zu evaluieren", so Mikl-Leitner. "Diese Stunden und Tage gehören auch für mich zu den schwersten", fügte die Innenministerin hinzu.

Zwei Tage nach dem Amoklauf mit fragt sich die Öffentlichkeit, ob der Tod der vier Einsatzkräfte vermeidbar gewesen wäre. Hier die wichtigsten Antworten:

"Heute": Wusste man bei der Straßensperre, wen man aufhält, und warum waren so wenige Beamte bei der Blockade?

Polizei: Die Identität war zunächst unbekannt. Vier Mann sind üblich bei einer Sperre.

Warum dauerte es nach dem ersten Mord 50 Minuten, bis die Rettung da war?

Nur so war eine sichere Zufahrt gewährleistet. Das heißt, zwei Cobra-Beamte mussten erst in den Rettungswagen zusteigen.

Wieso saßen die zwei später getöteten Beamten noch im Streifenwagen? Und waren sie überhaupt alarmiert?

Sie waren alarmiert, wurden aber vom Täter überrumpelt.

Woher wusste die Exekutive dann blitzartig, wer der Schütze war?

Am Wagen des Täters waren gestohlene Kennzeichen, aber über die Begutachtungsplakette hatten wir schnell das echte Kennzeichen und seine Identität.

Die Panzer kamen sehr schnell nach Großpriel.

Sie kamen aus der sehr nahen Melker Kaserne.

Warum wurde mit der Stürmung so lang gewartet?

Wir versuchten zuerst zu verhandeln und mussten uns ein genaues Bild der Lage machen.

War Alois H. ein Einzeltäter und wie starb er?

Er war ein Einzeltäter. Zuerst zündete er den Bunker mit Brandbeschleuniger an und dann richtete er sich selbst.

Im Laufe der Ermittlungen beantworteten Polizeisprecher weitere Fragen über TV und Radio so:

Warum war von Anfang an die Cobra eingebunden?

Die Polizei war an jenem Abend alarmiert worden, dass der Wilderer wieder unterwegs sei. Da man davon ausging, dass er bewaffnet ist, hatte man die Spezialeinheit angefordert - die Cobra war zuvor schon in die Observation in dieser Causa eingebunden. Außerdem war in der Gegend bereits ein Mordversuch auf einen Jäger verübt worden: "Es hat sich gezeigt, dass diese Einschätzung richtig war", sagt der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler.

Als klar war, dass es sich bei dem Autofahrer um den Wilderer handelte: Warum hatte der Cobra-Mann, als er im Auto saß, keine kugelsichere Weste an?

Im Auto tragen Beamte üblicherweise keine kugelsicheren Westen, da diese beim Autofahren hinderlich sind und die Beweglichkeit einschränken. Die Schutzwesten werden erst beim Verlassen des Autos übergezogen.

Warum konnten die Kugeln des Amokschützen die kugelsicheren Westen der Beamten durchdringen?

Die kugelsicheren Westen der Polizeibeamten sind darauf ausgelegt, den Geschossen von Faustfeuerwaffen zu widerstehen. Jagdgewehre und die entsprechende Munition sind auf größtmögliche Tötungswirkung ausgelegt. Zum Vergleich: Eine Pistole hat eine Mündungsenergie von etwa 500 Joule. Ein Jagdgewehr kommt auf eine Mündungsenergie von etwa 3.000 Joule, also das Sechsfache.

Wie konnte die Situation so schnell eskalieren?

Man habe nicht damit gerechnet, dass der Wilderer sofort von seiner Waffe Gebrauch machen würde: "Wir haben alle entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten. Von Beginn an, muss man aber sagen, ist der Täter mit absoluter Gewaltbereitschaft vorgegangen. Er hat nämlich nicht nur den ersten Polizisten sofort getötet, sondern auch die beiden weiteren mit einem Kopfschuss liquidiert", sagte Kogler im Ö1-Morgenjournal. Den Sanitäter hatte der Wilderer aus dem Hinterhalt erschossen. Am Tatort, an dem er den ersten Polizisten hingerichtet hatte, hatte er gewartet, bevor er abdrückte - und dann erst die Flucht ergriffen.

Warum hat man den Wilderer nicht zu Hause verhaftet?

Die Polizei hatte bis zum Schluss keinen Hinweis auf die Identität des Wilderers. Sie wussten auch nicht, wo der Mann wohnte. Lediglich, dass es sich um den unbekannten Wilderer handeln und er an jenem Abend zuschlagen könnte, war den Beamten bewusst.

Hat die Polizei zu lange mit der Erstürmung gewartet?

Lange war nicht klar, ob Alois H. den entführten Polizeibeamten als Geisel festhielt. Daher hielten sich die Einsatzkräfte lange zurück. Als klar war, dass der Täter seine Geisel ermordet hatte, gingen die Einsatzkräfte zu einem aggressiveren Vorgehen über. Zudem schoss der 55-Jährige immer wieder von seinem Bauernhof aus auf die Einsatzfahrzeuge, auch gezielt und treffsicher auf Schwachstellen in der Panzerung wie Windschutzscheiben. Daher warteten die Cobra-Beamten auf die Unterstützung durch Schützenpanzer des Bundesheeres, bevor sie das Gehöft stürmten. Auch Sprengfallen wurden in der Umgebung des Bauernhofes vermutet.

Warum hat man den Mann wegen eines geringfügigen Deliktes, wie Wildererei dermaßen in die Ecke gedrängt? Immerhin wurde ja auch eine eigene Soko gegründet.

Der Soziologe Roland Girtler hält das Bild vom noblen Wilderer für veraltet. Wo früher echte Wildschütze auf der Jagd gewesen seien, gebe es heute fast nur mehr reine "Raubschütze" mit kriminellen Motiven. Im Vordergrund stehe oft nur mehr die Lust am Töten und nicht die Nahrungsbeschaffung, wie früher. Der Wilderer legte bei den Taten außerdem kriminelle Energie an den Tag - so geht das Abschneiden von Tierköpfen über das übliche Maß an Jäger-Ritualen hinaus. Außerdem dürfte der 55-Jährige den Polizeifunk abgehört haben. Die Polizei hatte ihm schon mehrmals eine Falle stellen wollen, doch der Täter tauchte nicht auf. In seinem Versteck wurde zudem ein riesiges Waffenarsenal "im dreistelligen Bereich" gefunden, wie der Oberst Walter Weninger von der Cobra in einem ORF-Interview berichtete.

Das Ausmaß der Eskalation sei nicht abzusehen gewesen. Einen derartigen Fall habe es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben, so Kogler: "Er ist ein außergewöhnlicher Fall, aber die Polizei hat auch die Notwendigkeit, mit derart außergewöhnlichen Fällen umgehen zu lernen, deswegen werden wir uns diesen im Detail ansehen und die entsprechenden Lehren daraus ziehen."