Klima-Aktivist, vegan, gendert

"Armutszeugnis!" ÖSV-Ass rechnet mit Kristoffersen ab

Julian Schütter ist Klima-Aktivist, Veganer, wurde als "Nestbeschmutzer" bezeichnet. Der ÖSV-Abfahrer erklärt "Heute" seinen ungemütlichen Weg.

Sebastian Klein
"Armutszeugnis!" ÖSV-Ass rechnet mit Kristoffersen ab
Julian Schütter fehlt ein Jahr nach starken Leistungen in Wengen verletzt. Als Klima-Aktivist macht er keine Pause, kritisiert Henrik Kristoffersen (l.).
FABRICE COFFRINI / AFP / picturedesk.com

Vor einem Jahr war ÖSV-Abfahrer Julian Schütter auf dem Weg zur Kitzbühel-Sensation. Dannn das Drama: Erst mit der drittbesten Zwischenzeit auf der Streif abgewunken, tags darauf der folgenschwere Crash – Kreuzbandriss! Der Klima-Aktivist blieb trotz Saison-Aus in den Schlagzeilen. Der 25-Jährige kämpft für Maßnahmen gegen die Klima-Krise und scheut dabei die Konfrontation mit großen Namen wie Weltcup-Star Henrik Kristoffersen oder Ex-ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel nicht. Im "Heute"-Interview spricht der außergewöhnliche Ski-Rennläufer Klartext.

"Heute": Marco Schwarz riss sich in Bormio knapp ein Jahr nach Ihnen ebenfalls das Kreuzband. Was war Ihr erster Gedanke?

Julian Schütter: "Unser Sport ist manchmal undankbar. Es tut mir unheimlich leid für Marco. Er hat so viel investiert, ist gut drauf – dann das."

Ohne den Aktivisten gäbe es keinen Rennfahrer Julian Schütter mehr. Ich stehe auf der richtigen Seite der Geschichte.
Julian Schütter über sein Klima-Engagement

Warum fehlen Sie aktuell im Weltcup?

"Mein Knie ist wieder stabil. Es ist noch nicht bei hundert Prozent, ab und zu ist es ein bisschen empfindlicher. Beim Skifahren geht es ziemlich gut. Ich habe aber Rückenprobleme. Wenn ich den Sport noch länger betreiben will, komme ich auf Sicht an einer Bandscheiben-OP kaum vorbei."

ÖSV-Speedchef Sepp Brunner sagte, Sie konzentrierten sich mehr auf den Klima-Aktivismus als auf die Reha.

"Da gab es Missverständnisse. Ich war nicht vier Mal, sondern zwei Wochenenden in Paris zu Debatten. Andere fliegen im Sommer zum Urlaub nach Bali oder nach Mexiko. Ich habe mich auf meine Reha konzentriert und hart gearbeitet. Mir zu unterstellen, ich würde mich nicht auf meine Reha konzentrieren, ist verdreht oder missinformiert."

Bremst Sie der Aktivismus?

"Nein, er ist mein größter Antrieb. Ohne den Aktivisten gäbe es keinen Rennfahrer Julian Schütter mehr. Ich will besser werden, um mehr zu Leute erreichen. Diesen Plan habe ich mir mit meiner Sportpsychologin zurechtgelegt, als ich schon kurz davor gestanden hatte, meine Karriere zu beenden. Ich stehe auf der richtigen Seite der Geschichte."

Der Rennfahrer Schütter
Julian Schütter wurde 2022 österreichischer Staatsmeister im Super-G. Im Europacup konnte er einen Podestplatz erringen. Der Speedathlet gehört dem B-Kader des österreichischen Skiverbands an.
Letzten Jänner zeigte der Steirer mit starken Leistungen bei den Weltcup-Klassikern in Wengen und Kitzbühel auf. Der Kreuzbandriss warf ihn zurück. Rückenprobleme bremsen Schütter bisher im Ski-Winter 2023/24
Im Nachwuchs zeigte der Wahl-Innsbrucker mit Siegen bei Siegen bei Österreichischen Jugendmeisterschaften im Super-G (2016/17) und in der Abfahrt (2017/18) auf, errang 2018/19 den Vize-Juniorenweltmeister-Titel in der Abfahrt.

Sie haben durch Ihr Engagement mit viel Gegenwind zu kämpfen. Wie belastend ist das?

"Ich habe mehr positive Erlebnisse als negative. Daraus schöpfe ich viel Kraft. Am meisten Kraft gibt mir, dass ich einen Sinn in dem sehe, was ich mache. Wenn es Zustimmung und Lob gibt, ist das auch sehr schön. Natürlich polarisiert das Thema. Dadurch gibt es viele, die mich beschimpfen – und die sind oft die Lautesten. Das ist manchmal anstrengend. Meistens kann ich damit gut umgehen. Wenn ich mir anschaue, wer diese Menschen sind, die mich da beschimpfen: Sie kommen ganz selten mit richtigen Argumenten sondern mit persönlichen Angriffen. Das macht es leichter, das zu ignorieren. Mit Menschen, die sich so verhalten, möchte ich eh nicht einer Meinung sein."

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    Marco Odermatt dominierte auch diesen Weltcup-Winter. Der Schweizer sicherte sich den Gesamtweltcup und die Disziplinen-Wertungen im Riesentorlauf, im Super G und der Abfahrt.
    Marco Odermatt dominierte auch diesen Weltcup-Winter. Der Schweizer sicherte sich den Gesamtweltcup und die Disziplinen-Wertungen im Riesentorlauf, im Super G und der Abfahrt.
    GEPA

    Sie leben vegan. Hat Ihnen deshalb wirklich ein ÖSV-Teamkollege mit Schlägen gedroht?

    (Lacht) "Das genaue Zitat war: 'Wenn mir der Schütter noch einmal meinen Fleischkonsum madigmacht, haue ich ihm eine rein.' Solche Sager kommen schon mal vor, sind aber nicht ernst gemeint. Das gehört dazu. Wir sind konkurrierende Athleten, pflegen einen schroffen Ton. Wir haben eine Gaude."

    Haben Sie wegen Ihrer Ernährung Nachteile?

    "Nein, im Gegenteil. Als ich aufhörte, Fleisch zu essen, fühlte ich mich leistungsfähiger. Das einzige Problem kann sein, wenn die Gastronomie in irgendeinem Tal nicht darauf eingestellt ist. Meistens klappt das aber sehr gut, weil wir mit dem ÖSV in höherpreisigen Hotels absteigen. Ich rede mit den KöchInnen. Im Notfall kaufe ich Konserven, lasse sie mir im Hotel aufwärmen."

    Dass sich Henrik nicht entschuldigt und für die Gewalt auch noch gefeiert wird, ist ein Armutszeugnis für den Skisport.
    Julian Schütter über Henrik Kristoffersen

    Norwegens Star Henrik Kristoffersen schlug in Gurgl Aktivisten im Zielraum. Ihre Meinung zur Aktion und der heftigen Reaktion?

    "Ich verstehe die Wut der AthletInnen und die Verzweiflung der AktivistInnen. Die Aktion war gut geplant. Es ist niemand gefährdet worden. Da würde ich die Linie ziehen. Das Rennen war für zehn Minuten unterbrochen. Das kommt häufig vor, damit sollte jeder Profi umgehen können. Ich würde den Protest auch befürworten, wenn ich direkt betroffen gewesen wäre. Dass Henrik so reagiert, kann man mit dem Adrenalin direkt nach seinem Lauf noch irgendwie erklären. Dass er sich danach nicht entschuldigt und für die Gewalt auch noch gefeiert wird, ist ein Armutszeugnis für den Skisport."

    Henrik Kristoffersen ging in Gurgl auf Klima-Aktivisten los.
    Henrik Kristoffersen ging in Gurgl auf Klima-Aktivisten los.
    Screenshot

    Den Skisport sah Ex-ÖSV-Boss Schröcksnadel im ServusTV-Talk mit Ihnen 'diskriminiert' …

    "Die Sendung war mühsam. Herr Schröcksnadel bleibt ein Klimawandel-Leugner. Dem kann ich leider nicht mehr helfen. Da kommt man mit Fakten nicht dagegen an. Keiner will den Skisport abschaffen, wir wollen ihn nur besser machen und absichern, damit es ihn auch in Zukunft noch geben wird."

    Wieso war es mühsam?

    "Ich musste alleine gegen vier reden. Ich habe dann gestottert, was mich im Nachhinein ärgert. Es war nicht so sehr die Nervosität, als ständig unterbrochen zu werden. Es sind viele falsche oder verdrehte Fakten über die Klimakrise gefallen. Ich war zumindest zur Hälfte als aktiver Athlet in der Sendung und konnte nicht alleine alles in der kurzen Redezeit widerlegen. Es wäre die Aufgabe von ServusTV gewesen, eine KlimawissenschafterIn einzuladen. Die Besetzung war leider unausgeglichen."

    "Was mich auch geärgert hat, ist, dass ausgerechnet von Markus Wasmeier der Vorwurf kam, dass ich selber diesen Sport ausübe und gleichzeitig über die Klimakrise rede. Das hat mich persönlich sehr gestört. Er hat eine lange und erfolgreiche Skikarriere hinter sich. Dazu gratuliere ich ihm ehrlich. Er ist diese Skikarriere fertiggefahren und macht sich jetzt wichtig. Alles, was ich anders mache, ist, dass ich meine eigene Karriere riskiere und mich schon währenddessen kritisch äußere."

    Wie wurde Schütter zum Aktivisten?
    Julian Schütter ist Mitglied der Klimaschutz-Bewegung "Protect Our Winters". Der 25-jährige Schladminger hat sich auch mit der Bewegung "Letzte Generation" solidarisiert, die durch ihre Blockaden ("Klima-Kleber") und Störaktionen Aufmerksamkeit auf die Klimakrise und ihre Auswirkungen lenken.
    Schütter setzte sich schon als Jugendlicher intensiv mit der Klimakrise auseinander. "Heute" verriet er, dass er mit den hohen Reisetätigkeiten und dem damit verbundenen, überdurchschnittlichen CO2-Fußabdruck als Skisportler haderte, seine Leistungen darunter litten. "Ich hatte bereits den Entschluss gefasst, aufzuhören. Als ich mir schon sicher war, dass ich aus dem Kader fliege, gab mir der ÖSV noch eine Chance. Es kam mir dann falsch vor, diese auszuschlagen. Ich musste an alle denken, die mit mir gemeinsam mit dem Skifahren angefangen haben und es nicht in den Weltcup schafften, diese Chance nicht bekamen."
    Mit einer Sportpsychologin schmiedete er den Plan, den Sport als Bühne zu nützen, so vor einem möglichst großen Publikum über die Klimakrise sprechen zu können. "Sonst hätte ich es mir gegenüber nicht rechtfertigen können."

    Was entgegnen Sie Menschen, die Sie als inkonsequent bezeichnen?

    "Das höre ich fast täglich. Es ist mir echt schon ziemlich lästig, mich immer wieder dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich einen Beruf ausführe, den ich gerne mache und in meinen Augen auch nicht so schlecht. Und dafür, dass ich mich gleichzeitig dafür einsetze, dass auch der Skisport noch länger existieren kann. Ganz zu schweigen davon, dass wir generell keinen Zusammenbruch unserer Zivilisation wegen der Klimakrise erleben."

    Sie haben kein eigenes Auto. Wie kommen Sie zu den Trainings?

    Ich habe ein Klimaticket. Das ist viel feiner. Ich fahre teilweise mit den Öffis zum Training. Ich habe eine Servicekraft – mit den Skiern würde das sonst nicht gehen. Und ich kann in den Bussen der Betreuer oft mitfahren.

    Sie gendern, warum?

    "Es hilft, Ungleichheiten in der Gesellschaft zu bekämpfen."

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    Akt.