Life

"Der Gedanke an die kranken Kinder ist stärker"

Als Bub erkrankte Aron Anderson an Krebs. Seither kann er nicht mehr gehen. Dennoch bezwingt er Wüsten, Weltmeere und Berggipfel.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Aron Anderson, Sie springen aus Flugzeugen, durchquerten den Südpol und finishten den Ironman in Hawaii. Haben Sie magische Kräfte oder einfach einen eisernen Willen?

Ich schätze, dass ich einen starken Willen habe. Als ich neun Jahre alt war, hatte ich eine Krebsoperation und bin seither im Rollstuhl. Ich war wirklich kurz davor, es nicht zu schaffen, und ich denke, diese Erfahrung hat mich dazu gebracht, das Beste aus dem Leben zu machen.

Sie sind ein Mann der Extreme. Was treibt Sie an, immer wieder neue Abenteuer auf sich zu nehmen?

Meine große Triebkraft im Leben ist, Dinge zu tun, die ich gerne mag. Ich liebe es, Berge zu besteigen, andere Menschen mit meinen Erfahrungen zu begeistern und mich selbst an die Grenzen zu bringen. Aber wenn ich in einer wirklich schwierigen Situation bin, ist Liebe normalerweise nicht genug. Die Sache, die mich dann motiviert, ist, dass ich meine Abenteuer und Projekte auf mich nehme, um Geld für krebskranke Kinder zu sammeln. Sie sind dann mein großes Warum. Mein Beweggrund, der so viel stärker ist als mein eigener Wille, aufzugeben!

Bei Ihren Expeditionen stellen Sie sich Herausforderungen, die Sie an Ihre Grenzen bringen. Wie viel von Ihrer Leistung ist mental?

Ich würde sagen, mindestens 80 Prozent. Natürlich brauche ich ein gewisses Maß an Fitness, um so etwas wie einen Ironman zu finishen oder einen Berg zu besteigen. Aber das reicht nicht! Wir alle werden müde und dann brauchen wir diesen mentalen Vorsprung. Ich glaube auch, dass es viel mentale Stärke und Disziplin erfordert, um ein gutes körperliches Fitnessniveau zu erreichen. In einer Woche baut man keine Muskeln auf. Es braucht viele Jahre harter Arbeit, um dies zu leisten; viel Konzentration und die mentale Fähigkeit bestimmen mit, ob man Erfolg hat oder nicht.

Letztes Jahr haben Sie beim weltweiten Charity-Run Wings for Life unglaubliche 92,14 Kilometer mit eigener Muskelkraft in Ihrem alltagstauglichen Rollstuhl zurückgelegt. Sie kürten sich damit als ersten Rollstuhlfahrer zum globalen Sieger des Runs. Wie bereiten Sie sich für solche Herausforderungen vor?

Ich trainiere normalerweise verschiedene Disziplinen, um Verletzungen zu vermeiden. Also mache ich jetzt alles vom Gewichtheben bis zum Kajakfahren und Schwimmen. Aber mein Hauptaugenmerk liegt auf Workouts im Rollstuhl. Ich trainiere in der Regel Intervalleinheiten von rund einer Stunde, was ich für das effektivste Training halte.

Der 30-jährige Schwede Aron Anderson ist ein Ausnahmesportler und Abenteurer, der seit einer Krebserkrankung als Kind im Rollstuhl ist. Er bestieg den über 2000 Meter hohen Berg Kebnekaise und den Kilimandscharo, kämpfte in den Disziplinen Segeln, Leichtathletik und Sledge Eishockey an den Paralympics, fuhr mit dem Handbike von Malmö nach Paris, schwamm 37 Kilometer im Meer, finishte Marathons, Triathlons und den Ironman in Hawaii. 2017 holte er als erster Rollstuhlfahrer den Gesamtsieg des Wings for Life Run. Wenn er nicht auf Abenteuer ist, gibt Anderson sein Wissen als Motivationstrainer und Dozent weiter. Letztes Jahr hat er sein erstes Buch «Opportunities» herausgegeben.

Wie wichtig ist für Sie als Extremsportler der Treibstoff Ernährung?

Gerade in der Vorbereitung ist die Ernährung sehr wichtig. Ich setze auf eine entzündungshemmende Diät ohne Gluten oder Milchprodukte. Auf meiner Speisekarte sind viel Gemüse, guter Fisch und Fleisch. Ich vermeide Zucker in meinem täglichen Leben, aber während der Rennen trinke ich Sportgetränke, um meine Leistung zu steigern.

Kurz nach der Krebsdiagnose wussten Sie, dass Sport Ihr Weg ins Leben zurück sein würde. Ihr Geheimtipp für alle, die Mühe haben, sich aufzuraffen oder zu motivieren?

Finden Sie Ihr Warum! Wir alle können große Dinge im Leben erreichen, wenn wir ein starkes Warum haben. Wenn Sie etwas erreichen möchten, das für Sie anspruchsvoll ist und für das Sie Ihre Gewohnheiten ändern müssen, brauchen Sie einen wirklich starken Grund – wie auch einen Weg, sich daran zu erinnern, wenn Sie nicht motiviert sind. Ich ändere jeweils das Hintergrundbild auf meinem Handy, um mich an mein Ziel zu erinnern!

Welches sind Ihre nächsten Abenteuer?

Ich bin auf dem Weg nach Florida, um den Wings for Life World Run erneut zu bestreiten, und plane, meinen Titel zu verteidigen. Im Sommer werde ich von Norden nach Süden durch Schweden radeln und in 16 Tagen 2100 Kilometer fahren, um Geld für die Swedish Childhood Cancer Foundation zu sammeln.

(Sulamith Ehrensperger)