Österreich

Arzt vor Gericht: Kinder "leben in Todesangst"

Heute Redaktion
Teilen

Arzt Eduard L. (54) soll seine vier Kinder jahrelang gequält haben. Gutachterin Adelheid Kastner erklärte ihn nun für zurechnungsfähig. Der Prozess wird am 29. September fortgesetzt.

Vor wenigen Tagen praktizierte Doktor Eduard L. noch. Der wohlhabende Arzt aus einer kleinen Ortschaft am steirischen Wechsel ist der Bruder eines prominenten ÖVP-Politikers. Der 54-Jährige muss sich vor Gericht verantworten, weil er seine vier mittlerweile erwachsenen Kinder jahrelang gequält haben soll.

Mit einem erschütternden Brief an die steirische Ärztekammer über die angeblichen Gräueltaten ihres Vaters wollten die Geschädigten ein Berufsverbot für Eduard L. erwirken. Der AK-Präsident fühlte sich nicht verantwortlich (ein Antwortmail liegt der Redaktion vor), erst die Landesregierung machte den zweifelhaften Praktiken von Dr. L. ein vorläufiges Ende.

Gewürgt und in die Sucht getrieben

Das Protokoll der üblen Kindheit von Stephanie, Madlen, Miriam und Josef L. liest sich wie ein beklemmendes Psychogramm: Der Arzt soll seine Kinder gewürgt haben und ihnen über die Füße gefahren sein. Seine älteste Tochter soll er tablettenabhängig gemacht, ihr schwere Beruhigungsmittel gespritzt und eine Behandlung verweigert haben, als sie an Borreliose erkrankte. Sie soll später versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Nägel in Penis gerammt

Eduard L. habe seine Familie gezwungen, verdorbene Lebensmittel zu essen. Mit einer der Töchter habe er "geschmust", einer anderen habe er als Neunjährige eine geladene Waffe "zur Verteidigung vor Einbrechern" gegeben.

Beim Prozess am Landesgericht in Graz gab der Beschuldigte sogar zu, sich absichtlich einen Schraubenzieher in den Bauch gerammt zu haben, den eines der Mädchen herausziehen musste. Er habe sich Nägel in den Penis geschlagen (davon gibt es ein Foto) und sein Sohn musste ihm mit zehn Jahren Spritzen setzen. Eduard L. soll seinen Sprösslingen auch schon früh Zigaretten gegeben, damit sie später keine Lust mehr aufs Rauchen hätten.

"Behördenwillkür"

"Kurier" und "Kronen Zeitung" berichteten mit voller Namensnennung über das Strafverfahren. Eduard L. beschwerte sich wegen "Verletzung des Identitätsschutz". Der Presserat gab ihm recht, vor Gericht blitzte er jedoch ab, weil sein Bruder als Politiker in der Öffentlichkeit steht.

Seine Kinder reagierten mit einem erschütternden, offenen Brief: "Wir leben seit Jahren in Todesangst vor unserem Vater und sind aufgrund nachgewiesener politischer Interventionen an die Öffentlichkeit gegangen". Sie fordern explizit, dass ihr prominenter Familienname genannt wird, um der "Behördenwillkür" ein Ende zu machen. Fakten seien unterdrückt worden.

Nach Aussage der mutmaßlichen Opfer soll sich die örtliche Polizei geweigert haben, kriminelle Handlungen ihres Vaters zu protokollieren. Weiters sollen der Bezirkshauptmann und eine Polizistin trotz belastender Beweise auf eine Anzeige gegen den Arzt verzichtet haben. Und das, obwohl Eduard L. gedroht hatte, dass er "unserer Mutter Säure ins Gesicht schütten" und "mit einer Glock das Hirn wegschießen will", heißt es von den traumatisierten Kindern.

Gutachten von Fritzl-Psychiaterin erwartet

Spätestens im Juli soll der Prozess fortgesetzt werden. Die renommierte Psychiaterin Adelheid Kastner wird dann ihr Gutachten präsentieren, das Aufschluss über die Psyche des Arztes geben wird (es gilt die Unschuldsvermutung).

"Für uns ist das alles ein Albtraum", sagen die Kinder, die seit der Veröffentlichung ihres Briefes jedoch "eine Welle der Solidarität aus der Bevölkerung" erleben. Die vier Traumatisierten wünschen sich einen fairen Prozess und "angstfrei zu leben, um endlich alles verarbeiten zu können."