Österreich

Ärztefehler, Patient tot: Internist verurteilt

Heute Redaktion
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Arzt und Helferin hatten einem Patienten ein falsches Medikament gespritzt, dieser starb. Vor Gericht kam der Mediziner mit Topjuristen daher, war sich keiner Schuld bewusst.

Großes Medieninteresse am eher kleinen Kremser Landesgericht am Mittwoch: Neben dem Anwalt (Wr. Neustädter Strafrechts- und Arbeitsrechtspezialist Michael Luszczak) und anderen Juristen wohnte auch Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter der Verhandlung gegen einen Internisten aus dem Waldviertel und seiner Helferin bei.

Der rund 60-jährige Mediziner und die rund 50-jährige Assistentin mussten sich dabei wegen grob fahrlässiger Tötung verantworten.

Rückblick: Am 29. November 2018 war es in einer Ordination im Waldviertel zu einer tragischen Verwechslung gekommen ("Heute" berichtete). Ein Patient, der sich einer Gastroskopie unterziehen wollte, bekam irrtümlich das falsche Medikament injiziert. Der Internist injizierte dabei "Antiflat" (Anm.: gegen Blähungen und Gasbildung im Darm) statt "Propofol" (Anm.: ein Narkotikum). Der Patient (50) bekam binnen kurzer Zeit schwere gesundheitliche Probleme, starb nach der Einlieferung im St. Pöltner Uniklinikum an einer Hirnblutung sowie Atem- und Hirnlähmung.

Laut Anklage darf "Antiflat" nur oral verabreicht werden. Erst rund zwei Wochen nach der Tragödie wurde der Fall öffentlich.

Laut Staatsanwaltschaft gab es in der Waldviertler Ordination ein Kommunikationsproblem, der Mediziner soll seine Assistentin unzureichend über die Umstellung auf eine neue Sedierungsmethode mit "Propofol" informiert und sie ungenügend instruiert und kontrolliert haben (Anm.: am 29. November 2018 wurde erstmals nach der neuen Sedierungsmethode gearbeitet).

Der Arzthelferin wiederum wird vorgeworfen, sich nicht beim Arzt erkundigt zu haben – sie zog das "Antiflat" auf und legte es für ihren Chef bereit.

Zum Eklat vor Gericht kam es bereits am Mittwochvormittag wegen des Privatgutachters (ein Internist). Denn dieser hatte bereits vor dem Prozess mit dem gerichtlichen Sachverständigen Kontakt aufgenommen und soll laut Staatsanwalt versucht haben, den Gerichtsgutachter (zu Gunsten des Arztes) zu beeinflussen. Es kam zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Richterin, Privatgutachter und Verteidiger. "Warum maßt sich ein Mediziner an, juristische Entscheidungen zu treffen?", so die Richterin in Richtung des Privatgutachters.

Die Anwälte von Arzt und Helferin plädierten beide auf Freispruch. Der Mediziner schanzte den Fehler der Assistentin zu. Die gelernte Fachfrau war indes nur als Ordinationsgehilfin angestellt. Es gab zu klären, was die Frau darf und was nicht und ob die Sorgfaltspflicht eingehalten wurde. Laut Mediziner wurde die Helferin ausreichend instruiert. Doch der Arzt soll es lediglich seinem (Haupt)-Assistenten gesagt haben und dieser soll es dann der Arzthelferin mitgeteilt haben.

Bezüglich der Sorgfaltspflicht erläuterte ein Gutachter: "Ein durchschnittlicher Arzt muss bei einer herrenlosen Spritze einfach aufpassen. Eine herrenlose Spritze ist generell suspekt." Denn die beiden Spritzen lagen rund 20 bis 40 Zentimeter voneinander entfernt, der Internist (auch ein Spitalsarzt und vermutlich mehr als ein Durchschnittsmediziner) erwischte die falsche Spritze – nämlich mit "Antiflat" statt mit "Propofol" – der Patient starb jämmerlich.

Nach der Mittagspause waren weiter die Gutachter am Wort, erst am Abend kamen der angeklagte Arzt sowie die Arzthelferin zu Wort.

Der von 9 bis 15.30 Uhr angesetzte Prozess ging in die Verlängerung, erst nach Mitternacht, nach knapp 16 Stunden Prozessmarathon, gab es Urteile: Elf Monate bedingte Haft und 72.000 Euro unbedingte Geldstrafe für den Mediziner wegen grob fahrlässiger Tötung. Drei Monate bedingt für die Arzthelferin wegen fahrlässiger Tötung.

Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. Und: Die Hinterbliebenen können noch auf dem Zivilrechtsweg Forderungen machen.