Österreich

"Ich wollte zeigen, dass man nicht still sein muss"

Heute Redaktion
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Ihr Video über eine mutmaßliche rassistische Beleidigung am Flughafen Wien ging viral. Mit "Heute" spricht Asma Aiad über Details und Reaktionen.

Mit einer Gruppe Frauen einer Jugendorganisation war Asma Aiad am Samstag am Flughafen Wien gelandet. Der Flieger kam aus Istanbul, wo die 20-köpfige Gruppe das "Miteinander" feierte. "Es ging bei der Reise auch darum, junge Frauen zu bestärken, dass sie ein wichtiger Teil der Gesellschaft sind und dass es viel mehr um gemeinsame Aktionen gehen soll", so die Wienerin. "Und dann kommt man heim und erlebt gleich so etwas."

Mit "so etwas" meint Aiad, was einer jungen Frau der Gruppe an der Passkontrolle am Flughafen Wien wiederfahren sei. Ein Polizeibeamter soll die Frau gefragt haben, ob sie in Istanbul "eh nicht zwangsverheiratet wurde" ("Heute" berichtete). Die Befragte war "schockiert", der Rest der Gruppe "überrascht, wir haben überhaupt nicht mit so etwas gerechnet". Der Polizist selbst habe daraufhin von einem "Scherz" gesprochen.

Über Österreichs Grenzen hinaus

Der Einwurf eines Mannes, Teil der Reisegruppe, es handle sich um einen absolut unangebrachten "Scherz", sei vom Polizisten mit der Antwort quittiert worden, er solle "runter vom Gas" und dass er selbst bestimme, "was ein Scherz ist". Als sich Aiad danach beim Beamten beschweren wolle, habe dieser die Tür zugeknallt und sei "total ablehnend" abgetaucht. Auch seine Kollegen sollen die Beschwerden abgewimmelt haben – erst ein weiterer Beamter habe sich den Vorfall schildern lassen und die Dienstnummer des betroffenen Polizisten genannt.

Das Facebook-Live-Video, das Aiad direkt nach dem Vorfall drehte und in dem sie das Geschehene schilderte, verbreitete sich rasend schnell im Netz. Unter den Hunderten Kommentaren gibt es großen Zuspruch für sie. Mit "Heute" sprach Asma Aiad nun persönlich über die Causa, über die über die Grenzen Österreichs hinaus berichtet wird.

"Ich bin auch jetzt noch offen für einen Dialog"

"Es wäre gegessen gewesen, hätte der Polizist einfach gesagt, dass es unpassend war und sich entschuldigt hätte", so die Wienerin. Dass eine rassistische Beleidigung aber als "Spaß" betitelt worden sei, habe sie dazu bewegt, das Video zu veröffentlichen. Angezeigt hat Aiad den Polizisten nicht, aber eine Beschwerde eingereicht und den Fall bei Beschwerdestellen wie ZARA und der Gleichbehandlungsanwaltschaft dokumentieren lassen.

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Während die Polizei den betreffenden Kollegen befragt und den Fall prüft, zeigt sich Aiad gesprächsbereit und will der Polizei einen Schritt entgegenkommen: "Ich bin auch jetzt noch offen für ein Gespräch und dass man miteinander redet, um alles zu klären. Ich wollte auf etwas aufmerksam machen, was nicht in Ordnung ist. Und ich wollte zeigen, dass man nicht still sein muss, wenn so etwas passiert."

Viel Zuspruch von jenen, die schwiegen

Unter den vielen Kommentaren zu Aiads Video finden sich auch solche, die der Wienerin vorwerfen, zu "übertreiben" oder gar "Hetze" zu betreiben. "Das finde ich ein bisschen arg, klar, aber davon lasse ich mich nicht abhalten, Misstände beim Namen zu nennen", so Aiad. Und auch wenn sie mit einem solchen Social-Media- und Medienecho nicht gerechnet hatte, "ich würde wieder alles genauso dokumentieren. Nur dieses Mal vielleicht die Kommentare von Anfang an ausschalten".

Ebenso überrascht zeigt sich die Bloggerin, Künstlerin und Studentin über die vielen Zuschriften, in denen ihr Bekannte, aber auch Fremde danken und über ähnliche Vorfälle berichten. "Die Reaktionen zeigen, dass das kein Einzelfall, sondern für viele Menschen ein zentrales Thema ist. Und einige Betroffene nehmen solchen Rassismus einfach hin, weil sie nicht wissen, wohin man sich wenden kann oder Angst vor den Konsequenzen haben", so Aiad.

"Egal welcher Partei man angehört"

Ein Thema, das auch die Wiener Gemeinderätin der Grünen, Faika El-Nagashi, die Aiad zum "Heute"-Gespräch begleitet hat, beschäftigt. "Es geht darum, aufzustehen und einzugreifen. Wir werden das in Wien angehen." Dokumentations- und Beratungsstellen für Opfer von Diskriminierung und Rassismus müsse man fördern, genauso wichtig sei ein gelingendes Miteinander, "egal wo jemand oder jemandes Familie herkommt, wen er liebt oder woran jemand glaubt". Im Bildungsbereich, aber auch sämtlichen anderen Bereichen brauche es eine "Veränderung des Systems". "Es braucht reale Lösungen und nicht Populismus wie ein Kopftuchverbot. Wir brauchen mehr Miteinander. Die Menschen, die das wollen, sind vorhanden."

"Hoffnungsvoll" ist auch Aiad, auch wenn sie eine politische Stimmung in Österreich ortet, in der "Rassimus auch parteipolitisch betrieben" werde und sich Rassisten dadurch bestärkt und geschützt fühlen könnten. "Aber hier gibt es auch eine Opposition, eine Zivilgesellschaft, die auf etwas aufmerksam macht, das falsch läuft, wie zum Beispiel die Initative #nichtmituns. Es gibt Zeiten, wo es nicht mehr ausreicht, einfach zu sagen: 'Ich bin kein Rassist'. Es braucht Menschen, die sich dagegen stellen und aktiv sind. Und solange es die gibt, bin ich positiv gestimmt", so Aiad. #nichtmituns zeigt in den sozialen Medien mutmaßlich rassistische und diskriminierende Vorfälle auf.

"Richtig und gut, darüber zu sprechen"

Aiad will vor allem jenen Personen, die Rassismus oder Diskriminierung aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Religion erlebt haben, und bisher geschwiegen haben, etwas mit auf den Weg geben: "Setzen Sie sich für Gerechtigkeit ein. Wir leben in einem Staat, in dem man auf etwas aufmerksam machen kann. Man muss nicht still sein. Es ist richtig und gut, darüber zu sprechen." Vor allem deshalb, weil alle in Österreich davon profitieren, so Aiad: "Der Abbau von Vorurteilen und das aufmerksam Machen darauf bringt die Menschen näher zueinander – statt gegeneinander geht es viel leichter miteinander".

Mit diesem Video über den Vorfall löste Asma Aiad Hunderte, vor allem solidarische, Reaktionen aus. (Quelle: Facebook/Asma Aiad) (rfi)