Es ist noch keine lange Tradition: Rund um die Jahrtausendwende bildeten sich auf öffentlichen Plätzen in chinesischen Großstädten zunehmend "Hochzeitsmärkte". Dabei sitzen die Mütter mit Hochzeitsannoncen ihrer Kinder – meist sind es Söhne, aber nicht nur – am Straßenrand und versuchen, einen Ehepartner für sie anzuwerben.
Solche Märkte entstanden einerseits aufgrund der jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik (1979–2015) der allmächtigen Kommunistischen Partei Chinas. Diese führte zu einem Männerüberschuss von rund 34 Millionen Männern. Das heißt: Auf 100 chinesische Frauen kommen 106 bis 108 Männer. Wenn sie nur ein Kind haben durften, entschieden sich viele Familien aus kulturellen aber auch finanziellen Gründen dafür, lieber einen Sohn als eine Tochter zu haben – viele Mädchen wurden während der Schwangerschaft abgetrieben.
Für dutzende Millionen an Männern gibt es nun jedoch keine Frauen. Die Selektion am Hochzeitsmarkt ist daher entsprechend groß. Wer nicht mit Grund- oder Immobilienbesitz oder einem hohen Einkommen locken kann, hat kaum Chancen, eine Frau zu finden.
Ein weiterer Grund ist die zunehmende Vereinsamung durch die Industrialisierung, die in China innerhalb von nur ein bis zwei Generationen rasend schnell nachgeholt wurde und zu einer beispiellosen Landflucht führten. In den immer gigantischeren Millionenstädten Chinas wohnen die Menschen meist in riesigen, anonymen Wohnblocks.
Seit einigen Jahren gibt es daher auch in Shanghai einen Hochzeitsmarkt auf der Straße – genauer gesagt im Volkspark von Shanghai. Dieser findet jeden Samstag von 12 bis 17 Uhr statt. In den auf Regenschirmen platzierten Heiratsanzeigen wird nicht lange um den heißen Brei herumgeredet: Der wichtigste Punkt sind hier Einkommens- und Vermögensangaben.
Unter 25.000 Euro Jahreseinkommen – deutlich mehr als das Durchschnittseinkommen in China – hat man als Mann praktisch keine Chance. Die Frauen, für die hier ein Mann gesucht wird, werben hingegen mit ihrer guten Gesundheit.
Einer der jungen Männer, für den hier eine Frau gesucht wird, ist Jimmy. Er erzählt im Gespräch mit einer "Bild"-Redakteurin, dass er Professor an einer Uni sei, aber kaum Zeit für Dates hat. Dass hier jedes Wochenende Mütter auf der Straße Ehepartner für ihre Kinder suchen, sieht er zwiespältig. Persönlich benutzt er lieber Dating-Apps: "Da weiß ich wenigstens, wie die Frau aussieht. Hier sehe ich nur die Eltern."