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Ausbildung in Terrorcamp: Junger Wiener schuldig

Heute Redaktion
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Bild: Denise Auer

Ein 21-Jähriger ist Dienstagnachmittag im Wiener Straflandesgericht in einem Indizienprozess wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu 21 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden. Ein Schöffensenat erachtete es als erwiesen, dass sich der junge Mann im vergangenen Sommer in ein Terror-Camp im syrisch-türkischen Grenzgebiet begeben hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die eigenen Eltern hatten Osman K. angezeigt.

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Der Angeklagte habe sich der radikal-islamistischen Al-Nusra-Front angeschlossen und nördlich von Aleppo "zumindest eine ideologische Schulung und eine Grundausbildung in Waffenkunde erhalten", stellte Richter Norbert Gerstberger in der Urteilsbegründung fest.

Obwohl es dafür keine eindeutigen Beweise gebe, reiche die Indizienkette aus, um dem 21-Jährigen auf Basis dessen eine wissentliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nachzuweisen, wobei diese "am untersten Rand" angesiedelt gewesen sei, sagte Gerstberger. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger meldete umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Staatsanwältin legte Strafberufung ein.

"Absolut unglaubhaft"

Die Verantwortung des Angeklagten, er habe seinem Umfeld "aus Spaß" über Facebook und Skype vorgemacht, sich in Syrien zu befinden und sich dort dem Kampf gegen Bashar al-Assad angeschlossen zu haben, bezeichnete Gerstberger als "absolut unglaubhaft".

Auch der Zeugenauftritt eines Onkels, der eigens aus der Türkei nach Wien geflogen war, um für den Angeklagten auszusagen, überzeugte den Senat nicht von der Schuldlosigkeit des 21-Jährigen. Der Onkel hatte versichert, der junge Mann habe sich im vergangenen Sommer durchgehend in Agri - einer Provinz im äußersten Osten der Türkei - aufgehalten.

Gerstberger wertete das in der Urteilsbegründung wörtlich als "Gefälligkeitsaussage", der nicht zu glauben sei. Den Schuldspruch stützte der Senat vor allem auf die gerichtliche Zeugenaussage eines Bruders und den Umstand, dass bei einer Hausdurchsuchung am Computer beim 21-Jährigen 131 Bild- und Videodateien mit radikal-islamistischem Inhalt gefunden wurden.

Zehn Jahre wären möglich gewesen

Bei einem Strafrahmen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren erschienen dem Gericht 21 Monate tat- und schuldangemessen. Der Angeklagte sei "sicher nur ein kleines Rädchen", bei einer Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung hätten generalpräventive Erwägungen aber einen "ganz, ganz hohen Stellenwert", betonte Gerstberger. Es bedürfe eines "deutlichen Signals", zugleich aber "keiner überstrengen Reaktion, um nicht Märtyrer zu schaffen".

Dass der 21-Jährige nicht mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und sich auf keine Angaben zu dem ihm unterstellten Verhalten eingelassen habe, "lässt den Schluss zu, dass er mit dieser Ideologie zumindest weiter sympathisiert". Im Hinblick darauf habe man "nur eine unbedingte Strafe wählen können", bemerkte Gerstberger abschließend.

Seite 2: Lesen Sie die ganze Vorgeschichte!

Osman K. war Anfang Dezember 2013 am Flughafen Wien-Schwechat festgenommen worden, als er nach einer rund halbjährigen Abwesenheit wieder nach Österreich zurückkehrte. Er war im Juni plötzlich von der Bildfläche verschwunden, ohne dass seine Angehörigen etwas von seinem Verbleib wussten.

Nachdem und berichtet hatten, ihr Sohn habe regelmäßig die Altun-Alem-Moschee in Wien-Leopoldstadt besucht, schaltete sich das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in die Ermittlungen ein. Grund: Besagte Moschee gilt als Salafisten-Zentrum. Der dort tätige Imam predige eine strenge Form des Islam und rufe zum bewaffneten Kampf gegen "Ungläubige" auf, wobei speziell der syrische Machthaber Bashar al-Assad als Gegner angesehen werde, hatte Staatsanwältin Stefanie Schön beim Prozessauftakt gegen den 21-Jährigen Ende März erklärt.

Dieser - ein gebürtiger Türke - war im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern nach Österreich gekommen. Er absolvierte die Schule und anschließend eine Lehre als Maler und Anstreicher. Er galt als gut integriert. Brüder des Burschen berichteten nach dessen Verschwinden jedoch der Polizei, dieser habe sich zuletzt sehr verändert, sich regelmäßig bis weit nach Mitternacht in der Moschee befunden, einen Bart und einen Kaftan getragen und den Eltern das Fernschauen verboten, weil dort spärlich bekleidete Frauen zu sehen seien.

Über Ungarn und die Türkei nach Syrien

Nach Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden gelangte der junge Mann über Ungarn und die Türkei in ein Terror-Camp an der syrischen Grenze. Dort soll er im Juli bei der radikalislamistischen Al-Nusra-Front geschult worden sein, ehe er jedenfalls am 9. September wieder in die Türkei reiste, um - wie Fotos belegten - an einer Hochzeit teilzunehmen.

Die Terror-Anklage gegen den 21-Jährigen beruhte vor allem auf Aussagen von Brüdern und einem Freund des Mannes, mit denen er im fraglichen Zeitraum über Skype und Facebook Kontakt hatte. Diesen teilte er unter anderem mit, er befinde sich in Syrien und lasse sich "zum Kampf ausbilden". Er nannte in diesem Zusammenhang auch Al-Nusra, die als verlängerter Arm von Al-Kaida gilt.

Dabei habe es sich um "unbedachte Aussagen, jugendliche Prahlerei" gehalten, hielt dem Verteidiger Georg Haunschmidt entgegen. Sein Mandant habe in Wahrheit nie syrischen Boden betreten und keinen Kontakt zu Terroristen gehabt. Der 21-Jährige selbst hatte in seiner ausführlichen Beschuldigteneinvernahme erklärt, er habe Schwierigkeiten mit seinen Eltern gehabt und daher eine Schwester seiner Mutter im Nordosten der Türkei besucht: "Ich wollte auf Urlaub gehen. Ich wollte mich ein bisschen erholen." Er habe das türkische Staatsgebiet nie verlassen.