Österreich

Austro-Amerikanerin Angie wird vom Cowgirl zum Kuh-Girl

Kein Strom, Internet oder fließendes Wasser: Die Austro-Amerikanerin Angelika Dampf Stone (41) verbringt vier Monate auf der Alm – trotz Epilepsie.

Christine Ziechert
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    Angelika kümmert sich auf der Schröckhof Alm (Stmk.) um 120 bis 140 Kühe.
    Angelika kümmert sich auf der Schröckhof Alm (Stmk.) um 120 bis 140 Kühe.
    zVg

    Eigentlich sind Pferde und die unendliche Weite von Texas ihre Leidenschaft: Doch für die Ruhe auf der Alm tauschte die gebürtige Steirerin Angelika Dampf Stone (41), die seit 20 Jahren in den USA lebt, heuer bereits zum dritten Mal die Cowboy-Stiefel gegen Wanderschuhe.

    Bis maximal Ende September ist Angie, wie sie von ihren Freunden genannt wird, auf 1.348 Metern Höhe der Schröckhof Alm bei Johnsbach (Stmk.) die Herrin über rund 120 bis 140 Kühe. "Heuer sind 15 davon Mutterkühe, die auf der Alm unter meiner Aufsicht kälbern werden. Wenn nach dem Kälbern alle gesund sind, macht es total Spaß, die kleinen süßen Frösche beim Aufwachsen zu beobachten und für ihr Wohlergehen zu sorgen. Alle Rinder sind zudem sogenanntes 'Galtvieh', das heißt sie müssen nicht gemolken werden", erklärt Dampf Stone.

    Leben auf 1.348 Metern Höhe ohne Strom, Handy und Internet

    Das Vieh bestimmt den Alltag der Austro-Amerikanerin: Auf rund 280 Hektar Land muss Dampf Stone jeden Tag alle Kühe suchen und zusammentreiben: "Manche haben die Herde verloren oder ein Kälbchen seine Mutter. Die Suche kann zwischen zwei und zwölf Stunden dauern. Danach muss ich noch ihren Gesundheitszustand checken und sie zum Beispiel mit Salz versorgen. Manche lahmen oder haben sogar eine Euter-Infektion."

    Die 41-Jährige lebt vier Monate lang ohne Strom, Internet und Handy auf der Alm – nur mit einem kleinen Solarpanel für vier Glühbirnen, um Funkgeräte laden zu können, die sie benötigt, wenn sie auf der Weide unterwegs ist: "Ich war total erstaunt, wie schnell ich vergessen habe, dass Handys und das Internet existieren."

    "Wanderer bringen mir Obst und Gemüse vorbei" - Alm-Sennerin Angelika Dampf-Stone

    Beheizt wird die Hütte mit einem alten Tischherd, der mit Holz betrieben wird. Als Kühlschrank dient ein Bach, fließendes Wasser gibt es in der Hütte keines: "Holz hacken, Ofen anfeuern und Wasser tragen – das sind drei wichtige Tätigkeiten, die neben dem Kühe hüten zu meinem Tagesablauf gehören. Auf dem Tischherd steht immer ein riesiger Kessel Wasser, um für hunderttausend anfallende Sachen heißes Wasser zu haben. Beim Essen steht alles Verderbliche als erstes am Plan. Meine Familie und Freunde helfen tatkräftig mit, mich zu versorgen, sodass immer genug da ist. Auch Wanderer aus der Gegend bringen mir immer wieder frisches Obst und Gemüse mit", meint Dampf Stone.

    Ganz allein ist Dampf Stone auf der Alm aber nicht: Da sie regelmäßig unter epileptischen Anfällen leidet und Medikamente bisher keine Wirkung zeigten, muss immer eine zweite Person anwesend sein. Zudem kann per Notfall-System rasch die Bergrettung informiert werden: "Die Anfälle sind auf der Alm signifikant geringer. Das Leben offline und ohne Infrastruktur bringt mit sich, dass ich mich schneller von den Anfällen erhole, als irgendwo anders. Wenn ein Anfall in der Früh passiert, bin ich kurz danach schon wieder unterwegs, um meine Kühe zu finden. Wenn ich nicht auf der Alm bin, beträgt die Regenerationszeit bis zu fünf Tage", berichtet die Steirerin.

    "Auf der Alm hole ich das Beste aus mir heraus" - Angelika Dampf Stone

    Obwohl Dampf Stone eine große Anzahl Rinder betreut und das Gelände teils sehr schwierig ist, genießt sie die Zeit in Österreich in vollen Zügen: "Ich liebe das ganze Setting aus Bergen, Natur, Tieren und die abgelegene Location, dieses pure, einfache und raue Leben hier oben. Und ich habe das Gefühl, dass ich das Beste aus mir heraushole, wenn ich auf der Alm bin und den Tieren helfe." 

    Oft bekommt Dampf Stone auch Besuch von Sennern oder Bewirtschaftern der Nachbar-Almen: "Dann sitzen wir gemeinsam vor der Hütte, trinken Bier oder Schnaps und erzählen uns Geschichten. Manchmal spielt auch jemand Mundharmonika, oder wir tanzen sogar. Auf jeden Fall haben wir immer eine Menge Spaß und lachen viel."

    Von der Pferdetrainerin zum Cowgirl

    Die 41-Jährige aus St. Margarethen/Raab wanderte 2001 nach Nordamerika aus: "Es war eine Mischung aus Abenteuerlust und der Wunsch, in der dortigen Pferdewirtschaft arbeiten zu wollen. Und ich habe schon immer von der großflächigen, unangetasteten Natur, Weite und Wildnis in Nordamerika geträumt", begründet Dampf Stone ihren Schritt. Die Steirerin ist in der Pferdeindustrie tätig: "Ich optimiere den Bewegungsablauf von Pferden im Spitzensport. Im Prinzip heißt das, dass ich die Bewegungen des Pferdes biomechanisch analysiere, um zu definieren, wo es Unstimmigkeiten gibt und wie man die Athletik verbessert", erklärt die studierte Biochemikerin.

    Auf Facebook und Instagram veröffentlicht Dampf Stone den ganzen Sommer über Infos, Updates, Bilder und Videos von ihrem Aufenthalt auf der Alm: "Meine Mission ist: Ich will anderen Menschen mit Epilepsie helfen und ihnen einen Weg aus der Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit zeigen. Ich will sie darin bestärken, ihren Weg zu gehen und das bestmögliche Leben zu leben."