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Austro-Film reißt Cannes-Publikum von den Sitzen

Heute Redaktion
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Eine sensationelle Premiere in Cannes: Die deutsch-österreichische Produktion Toni Erdmann von Regisseurin Maren Ade riss Presse und Premierenpublikum zu Beifalls-Orkanen hin. Außerhalb des Wettbewerbs sorgte Steven Spielberg (mit dem märchenhaften Abenteuer "The BFG - Big Friendly Giant") für einen Höhepunkt im Programm.

Eine sensationelle Premiere in (mit dem märchenhaften Abenteuer "The BFG - Big Friendly Giant") für einen Höhepunkt im Programm.

Toni Erdmann. Alle paar Jahre kommt es in Cannes vor, dass ein Film das Festival in atemloses Staunen versetzt. Das war zuletzt 2009 bei Tarantinos "Inglourious Basterds" der Fall oder 2013 bei der lesbischen Love Story "Blau ist eine warme Farbe". Und jetzt, 2016, ist es bei "Toni Erdmann" wieder passiert.

Unzählige Lachsalven und mehrfachen Zwischenapplaus gab's schon bei der Pressevorführung vor 1.300 internationalen Journalisten. Urteile wie "Ein Meisterwerk" schwirrten durch den Raum. Einhellige Meinung in Cannes: "Toni Erdmann" ist ein erster großer Favorit für die Goldene Palme.

Der Film mit dem unscheinbaren Titel behandelt eine Vater-Tochter-Beziehung. Aber wie! In den 144 kurzweiligen Filmminuten wird man hin und her gerissen zwischen zahllosen grotesken Pointen sowie zwischen Momenten des Fremdschämens und tiefer, echter Emotion.

Für die stets verblüffenden Gags ist (abgesehen von Autorin/Regisseurin Maren Ade) meist ein Wiener zuständig: Peter Simonischek. Er spielt die Vaterrolle. Einen Mann, der Winfried heißt und der sich Toni Erdmann nennt. Und der alles tut, absolut alles, um wieder einen Draht zu seiner frostigen Tochter Ines (Sandra Hüller) zu finden. Die hat auf dem Weg zur Manager-Karriere irgendwann das Lachen und alle Gefühle im Keller versperrt und den Schlüssel weggeworfen.

Simonischek spielt groß auf

Wer den Burgtheater-Star und Ex-Jedermann Simonischek als charmanten Grandseigneur kennt, wird hier aus dem Staunen nicht herauskommen. In und als "Toni Erdmann" spielt er einen Exzentriker der Extraklasse, der keine Grenzen und keinen Genierer kennt. Mal trägt er eine Strubbelfrisur, mal eine Langhaarperücke, und in jedem Moment muss man darauf gefasst sein, dass er grotesk hässliche falsche Zähne auf seine eigenen steckt.

Das sind aber nur die Äußerlichkeiten. Toni Erdmann lügt und schwindelt und stapelt hoch im Sekundentakt. Zum Schrecken seiner Tochter Ines sucht er sie in Bukarest auf, wo die smarte junge Dame gerade einen Millionendeal verhandelt.

Hier Simonischek als warmherziger Kindskopf, der sich hinter seinen tausend Clownsmasken tiefe Gedanken über das Leben macht. Dort die schmallippige Sandra Hüller, hinter deren hübscher Fassade nur Zahlen und Karriere-Gedanken existieren: Dieses Vater-Tochter-Duell gehört zum spannendsten, was das Arthaus-Kino seit langem zu bieten hat. Und wenn man dann nach knapp zwei Stunden überlegt, wie dieser freundschaftliche Zweikampf wohl enden soll, folgen noch zwei verblüffende und absolut spektakuläre Szenen, die Sandra Hüller gehören und "Toni Erdmann" endgültig zum Meisterwerk machen. Grandios.

The BFG - Big Friendly Giant

"Je schlimmer der Zustand der Welt ist, umso mehr müssen wir an die positive Wirkung von Magie glauben", sagte Steven Spielberg am Samstag in Cannes. Mit seinem neuen Film "The BFG - Big Friendly Giant" ist der Meisterregisseur wieder einmal zum magischen Kino zurückgekehrt. Das Fantasy-Märchen erzählt, basierend auf der Story von Roald Dahl, die Geschichte der zehnjährigen Sophie, die von einem freundlichen Riesen () aus einem Waisenhaus in London entführt und ins Land der Riesen mitgenommen wird.

Dort warten große Abenteuer, aber auch große Gefahren auf die beiden. Denn die anderen Riesen sind gar nicht freundlich - weder zu Sophie noch zum BFG. Irgendwann heckt das Mädchen einen Plan aus, der zur allgemeinen Befriedung dienen soll. Allerdings klappt das nur, wenn auch die britische Queen mitmacht. Also eilen Sophie und der Riese zurück nach London, wo sie in der Tat beider Monarchin Gehör finden.

"The BFG - Big Friendly Giant" ist ein visuell überwältigender Film, der über weite Teile in Performance-Capture-Technologie hergestellt wurde. Dabei agieren die Darsteller in leeren Räumen und tragen statt eines Kostüms nur einen Overall mit vielen Sensoren. Aus diesen Aufnahmen entsteht dann im Computer das fertige Bild.

Diese Bilder sind farbenprächtig und facettenreich und voller Pracht: Steven Spielberg und sein Kameramann Janusz Kaminski zeigen Fantasy-Kino, wie es attraktiver nicht sein kann. Die Story des Films allerdings hat (zumindest für erwachsene Besucher) einige Längen. Nach einem furiosen Beginn geht es ziemlich gemächlich zu - bis Sophie und der freundliche Riese bei der Queen vorsprechen.

Die Szenen im Buckingham Palace sind dann hinreißend komisch. Das königliche Frühstück mit dem Riesen zu verfolgen, der einige Hundert Scheiben Toastbrot verspeist und den Kaffee mit der Gießkanne eingeschenkt bekommt – das würde wohl auch der echten Queen viel Vergnügen bereiten.

Gunther Baumann, Cannes

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