Wien

"Autofreie" City vor Wahl wird immer unwahrscheinlicher

Im Rahmen einer Ortsverhandlung wurde heute drei Stunden lang über die Pläne zu einer verkehrsberuhigten City diskutiert. Viele Bedenken bleiben aber.

Louis Kraft
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Vizebürgermeisterin Hebein sieht in der heutigen Ortsverhandlung einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur "autofreien" City, doch wegen der vielen Bedenken bleibt eine Umsetzung bis zur Wahl am 11. Oktober fraglich.
Vizebürgermeisterin Hebein sieht in der heutigen Ortsverhandlung einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur "autofreien" City, doch wegen der vielen Bedenken bleibt eine Umsetzung bis zur Wahl am 11. Oktober fraglich.
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Nachdem Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) ein Veto bei der "autofreien City" nicht ausschloss, "Heute" hat berichtet, versprach Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne), dass alle offenen Punkte noch geklärt würden. Dazu fand heute auf Einladung der MA46 eine Ortsverhandlung statt. 

Rund drei Stunden diskutierten dabei Vertreter des Wiener Magistrats, der betroffenen Bezirke sowie anderer Interessensgruppen wie der Wirtschaftskammer Wien, der Arbeiterkammer und der Wien Tourismus über die Pläne und die möglichen Auswirkungen. Vor allem die angrenzenden SPÖ- oder ÖVP-regierten Bezirke befürchten eine Lawine an Parkplatzflüchtlingen. Die "grünen" Bezirke Leopoldstadt und Neubau begrüßten jedoch das Vorhaben ihrer Parteichefin Hebein.

Kein Datum für "autofreien" Start, City schon mit "klarem Bekenntnis" zufrieden

Ein konkretes Umsetzungsdatum für den Start der verkehrsberuhigten City (denn autofrei wird diese ohnehin nicht werden), kam bei der Sitzung keines zustande. Jedoch zeigte sich deutlich, dass eine Umsetzung vor der Wahl – wie es sich Hebein wünscht – immer unwahrscheinlicher wird. Denn auch die City selbst hat keinen Stress: "Uns ist wichtig, dass es ein klares Bekenntnis zu einer verkehrsberuhigten Inneren Stadt gibt. Dieses haben sowohl Bürgermeister Ludwig als auch Vizebürgermeisterin Hebein abgegeben", heißt es auf "Heute"-Rückfrage aus der Bezirksvorstehung der City. 

Tatsächlich wird es noch Zeit brauchen, alle Bedenken auszuräumen und die offenen Fragen zu klären. Und von denen hat auch City-Bezirkschef Markus Figl (VP) noch einige. Etwa was die Aktivierung der Anrainerparkplätze im gesamt Bezirk sowie eine Ausweitung der Bewohnerplätze in der Pufferzone zwischen Innenstadt und Ring auf 30 Prozent angeht. Daneben müsse es eine Kontingentlösung für jene geben, die in der City etwa ihre Oma besuchen wollen. Ob die dafür benötigten Parkplätze in Tiefgaragen oder im öffentlichen Raum entstehen sollen, müsse erst geklärt werden, so der Bezirk. Figl selbst will lieber länger mit der Realisierung warten, als schnell-schnell eine Lösung durchzudrücken. Und diese könnte durch Ludwig ohnehin wieder aufgehoben werden.

Josefstadt sieht weitere offene Fragen und lässt Bewohner mitreden

Diese Pufferzone soll auch verhindern, dass "Ausgesperrte" ihr Parkplatzglück in den angrenzenden Bezirken suchen. Ein Bezirk, der sich diesbezüglich Sorgen macht, ist die Josefstadt. Auch die heutige Sitzung konnte diese nicht zerstreuen, wie Bezirkschefin Veronika Mickel-Göttfert erklärt: "Alle innerstädtischen Bezirke inklusive der Josefstadt haben Verständnis für verkehrsberuhigende Maßnahmen, sind aber gleichzeitig besorgt, dass es hier mitunter zu massiven Verdrängungseffekten kommt. Meine Bedenken, dass mit dieser Maßnahme eine zusätzliche Verkehrsbelastung in der Josefstadt entsteht,  konnte Vizebürgermeisterin Hebein in keiner Weise entkräften". 

Noch bis 21. Juli bleibt Zeit bei der Stadt schriftliche Stellungnahmen und Fragen zu der "autofreien" City einzubringen. Geht es nach Mickel-Göttfert sollen auch die Josefstädter daran teilnehmen. "Es kann nicht sein, dass die Josefstadt unter dem zu erwartenden Parkplatzsuchverkehr leidet. Daher ist es mir extrem wichtig, weiter für eine gute Lösung im Einvernehmen mit allen Beteiligten zu kämpfen. Ich lade daher die Josefstädterinnen und Josefstädter ein, uns ihre Meinung zur überstürzten Durchführung der autofreien Innenstadt mitzuteilen, damit wir diese an den Magistrat weitergeben können". Die Stellungnahmen können bis 21. Juli bei der Bezirksvorstehung unter [email protected] in schriftlicher Form abgegeben werden.

Hebein sieht Ortsverhandlung als wichtigen Schritt und will bis Oktober umsetzen

"In der Klimahauptstadt Wien gehören die Gassen und die Plätze den Menschen und nicht den Motoren. Mit der autofreien Innenstadt lassen wir die Stadt durchatmen. Heute sind wir diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen", kommentierte Hebein die heutige Sitzung. Sie bleibt bei ihrem Ziel, die "autofreie" City bis zur Wahl am 11. Oktober umzusetzen. 

Wie immer bei solchen Verhandlungen habe es bei der Verhandlung offene Fragen gegeben, diese sollen nun geklärt werden. Das Gespräch selbst sei konstruktiv und auf einer fachlichen Ebene verlaufen. Alle schriftlichen Stellungnahmen werden nun von der zuständigen Behörde MA 46 aufgenommen und wie vom Verfahren vorgesehen, bei der Erstellung der notwendigen Verordnung geprüft werden. Die finalen Ausnahmeregelungen sollen nach der Frist für die Stellungnahmen feststehen.

"Keine Effekte auf Nachbarbezirke"

Dass es zu einer Verkehrsverdrängung in die Nachbarbezirke kommen könnte, schloß Hebein erneut aus. Sie zitierte eine Studie der Verkehrswissenschafter der Universität für Bodenkultur, nach der damit zu rechnen sei, dass die Fahrten in die Nachbarbezirke 2021 gleich bleiben werden.

Dennoch sollen diese und weitere Auswirkungen sollen ab Umsetzung begleitend evaluiert werden. Ein erster Zwischenbericht ist Ende des Jahres geplant. "Das gibt uns die Möglichkeit rasch zu reagieren und faktenbasiert nachzuschärfen", so Hebein. Mittelfristig würden auch baulichen Maßnahmen dazu beitragen, den positiven Effekt der Verkehrsberuhigung für die Menschen und Unternehmen noch zu verstärken. "Die Verkehrswissenschafterinnen und -wissenschafter der Boku rechnen in ersten Einschätzungen mit einem Rückgang des KfZ-Verkehrs von 50 % bis 2021", betont Hebein.