Community

Fluchen mit Balkan-Mama – ein Crashkurs

Wenn Leute aus Ex-Jugoslawien miteinander sprechen, wird geflucht, was das Zeug hält. Die Mutter benutzt das F-Wort? Bei uns das Normalste der Welt.

Heute Redaktion
Teilen

Mit meiner Mama rede ich ausschließlich "Jugo". Der Grund ist einfach: Ihr Deutsch ist so gebrochen, dass ich mir manchmal echt schwer tue, sie zu verstehen. Hinzu kommt noch ein Hauch Wiener Dialekt, den sie sich in den letzten 20 Jahren angeeignet hat. Wahrscheinlich hört es sich für sie richtig an – aber nur für sie!

Jedenfalls fällt mir dann oftmals gar nicht auf, was wir zueinander sagen, wenn wir im Redefluss sind. Bewusst wird es mir erst dann, wenn Freunde zu Besuch sind, die kein Wort "Jugo" verstehen. So realisierte ich erst vor kurzem, dass folgender Dialog für Außenstehende wohl eher befremdlich klingt: "Gibt's was zu essen?" – Antwort von Mama: "Ima kurca." Zu Deutsch: "Es gibt Schwanz."

Mama, wieso sagst du sowas?



Hallo und herzlich willkommen zu "Hajde", dem ersten Balkan-Blog auf "Heute.at"! Unser Blogger ist zwischen Sarma und Wiener Schnitzeln aufgewachsen. Wie das so ist? Er verrät´s euch in seinen Kolumnen. Übrigens: "Hajde" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Los geht´s!"

Und was ist für euch typisch Balkan? Eure Inputs sind willkommen unter [email protected]

Üblicherweise denke ich mir nichts dabei. Vor allem auch deshalb, weil meine Mutter gleich darauf einen riesigen Topf "Sarma" aus dem Kühlschrank holt, ihn mit einem Grinsen im Gesicht aufwärmt und nachher viel zu große Portionen serviert. Aber als kürzlich ein Freund fragte: "Was hat deine Mutter denn gerade gesagt?", erstarrte ich ein wenig.

Wie sollte ich meinem Kollegen nur erklären, dass mir meine Mutter gerade einfach so ins Gesicht gesagt hat: "Es gibt ein bisschen Schwanz"? Dass sie so etwas eigentlich immer sagt, weil wir eben immer so reden?

Natürlich: In meiner Schulzeit wurde ich häufig nach Jugo-Schimpfwörtern gefragt. Die habe ich auch immer wieder gern rausgerückt. Dabei dürfte meinen Mitschülern aber nicht klar gewesen sein, dass diese obszönen Ausdrücke zum Standard-Repertoire eines jeden Balkanesen gehören. Von Geburt an, versteht sich.

Eminem ist nichts gegen den Balkan

Denn während man sich hierzulande davor hütet, auch nur "Scheiße" in der Anwesenheit von kleinen Kindern zu sagen, werden Minderjährige am Balkan von ihren älteren Verwandten liebevoll mit: "Gdje si, majku ti jebem", begrüßt. Die Übersetzung: "Wo bist du? Ich f***e deine Mutter." Ja, ihr habt richtig gelesen. Und das Kuriose an der Sache: Es gibt keine Empörung seitens der Anwesenden. Von den Eltern schon gar nicht.

"Jebem ti mater" - also "Ich f***e deine Mutter" – gehört in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens zum guten Ton. Es ist nicht unüblich, die Phrase einfach an alltägliche Sätze zu hängen. Eine Regel dafür, ob man es am Anfang des Satzes sagt oder am Ende, gibt es nicht. Das passiert einfach nach Gefühl. Freestyle sozusagen.

"Jebem ti mater, jest vruce."

Das heißt dann so viel wie: "Ich f***e deine Mutter, es ist heiß."

"Šta ti je, jebem ti mater?"

Zu Deutsch: "Was ist mit dir? Ich f***e deine Mutter"

"Dobro, jebi ga. izvini ako sam te uvrijedio."

Übersetzung: "Ist ja gut, f*** ihn. es tut mir leid, falls ich dich verletzt habe."

Gänzlich absurd wird es, wenn die eigene Mutter mit dieser Phrase antanzt. "Inception" lässt grüßen!

Freunde finden im Urlaub

Ist man einmal geübter, dann sind den "Anhängen" keine Grenzen gesetzt. Der Geschlechtsakt wird dann mit allem Möglichen vorgeschlagen. Besonders beliebt sind Enten, die Sonne und der ehemalige Staatschef Josip Tito.

Alternativ kann man bei den Satz-Anhängseln auch gerne einmal das Geschlechtsteil der Mutter erwähnen, in welches man im besten Fall zurückgehen sollte. Und wieder darf man hier nichts zu wörtlich nehmen. Falls nicht gerade etwas total Unerfreuliches passiert ist, wenn jemand "u picku materinu" sagt, dann meint man genau das Gegenteil. Man ist von einer Sache begeistert und möchte das deutlich zum Ausdruck bringen.

Wer sich also beim nächsten Kroatien-Urlaub ein paar einheimische Freunde machen möchte, dem sei geraten, zuvor im Wörterbuch nach den härteren Vokabeln zu suchen. Dann kann man den Hotelangestellten vor lauter Begeisterung schon mal sagen, dass man gerne mit seinen Haustieren und Verwandten verkehren möchte. Er wird es einem garantiert nicht übel nehmen. Im besten Fall kontert er und schlägt ebenfalls Beischlaf vor. Natürlich mit anderen Personen oder Gegenständen.

Übrigens: Nachdem mein Besuch mich bat, zu dolmetschen, was meine Mutter gesagt hatte, antwortete ich: "Nichts Besonderes". Auf Deutsch hört sich die Sache dann irgendwie doch nicht so richtig an...

Übrigens: Habt ihr gewusst, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz Wurzeln am Balkan hat?

(red)