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Baukunst

Land: F, Genre: Architektur

Heute Redaktion
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Bild: Kein Anbieter

Das 19. Jahrhundert brachte zahlreiche Neuerungen in der Baukunst: Bahnhöfe, Fabriken, Börsen, Einkaufspassagen, Museen und Gefängnisse. Neu war auch die Idee der Inhaftierung, sie existierte erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Haftstrafen waren bis Ende des 18. Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Gefängnisse waren für säumige Schuldner oder Untersuchungshäftlinge reserviert, bei denen Fluchtgefahr bestand. Ansonsten zog man es vor, zu foltern oder Zuchthausstrafen zu verhängen. Mit der Französischen Revolution von 1789 wurden diese als unmenschlich geltenden Strafen in Frankreich abgeschafft und durch die Gefängnishaft ersetzt "überwachen und strafen", um mit dem französischen Philosophen Michel Foucault zu sprechen. Der Inbegriff der modernen Strafe erfordert auch ein neues architektonisches Konzept. Vorbild ist das sogenannte Panopticon-Prinzip, eine Erfindung des englischen Philosophen Jeremy Bentham. Die kreisförmige Bauweise ermöglicht die gleichzeitige Überwachung vieler Menschen durch einen in der Mitte positionierten Aufseher. "La Santé" wurde zwischen 1861 und 1867 von Emile Vaudremer nach den neusten Erkenntnissen der Forschung auf dem Gebiet des Freiheitsentzugs gebaut. Als Modellgefängnis verfügte es über eine sehr moderne Ausstattung, die nicht zuletzt der Durchsetzung einer strikten körperlichen und moralischen Hygiene diente. "La Santé" verkörpert eine düstere Seite der Architektur: eine Baukunst, die sich dem Freiheitsentzug verschrieben hat, geprägt von einem primitiven und grausamen Funktionalismus, den nichts mäßigt oder kaschiert. In einem zeitgenössischer Text hieß es dazu: "Der Architekt wird zum ersten Vollstrecker der Strafe, er erstellt die wichtigsten Marterinstrumente."