Österreich

Bericht über Kampusch: Priklopil war Einzeltäter

Heute Redaktion
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Seit Natascha Kampusch 2006 die Flucht von ihrem Entführer Wolfgang Priklopil gelang, brodelte die Gerüchteküche. Also wurden Spezialisten des FBI und des deutschen Bundeskriminalamts ersucht, den Fall noch einmal zu durchleuchten.

Der Bericht über den Fall Kampusch ist fertig. Dort steht: Wolfgang Priklopil war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Einzeltäter. Und es besteht keine Verbindungen zu Pädophilenszene. Zu diesem Ergebnis ist das Expertenteam unter Beteiligung internationaler Ermittler gekommen, das den Entführungsfall Natascha Kampusch seit Juli 2012 noch einmal aufgerollt hatte.

Die Evaluierungskommission hat sich laut Jörg Ziercke, Chef des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), "eindeutig für die Einzeltätertheorie ausgesprochen". Zwar sei ein endgültiger Beweis nach wissenschaftlichen Kriterien nicht möglich, "weil Herr Priklopil nicht mehr am Leben ist", sagte Ziercke.

 Aber: Verbindungen des Entführers zu Rotlicht-, Sado-Maso- oder Pädophilenszene "konnten trotz umfangreicher Ermittlungen nicht festgestellt werden". Sehr wohl festgestellt wurden von der Kommission aber "Ermittlungspannen" und "Fehleinschätzungen" bei den Ermittlungen.

Zeugenaussagen nur subjektiv

Die Aussage einer jungen Zeugin, die Kampuschs Entführung beobachtet und von zwei Tätern berichtet hatte, bezeichnete Ziercke als "subjektiv glaubwürdig", dennoch habe sich das Mädchen "objektiv geirrt". Denn sie habe das Auto des Entführers mit einem anderen Wagen verwechselt, den sie wenig später an einer Kreuzung gesehen habe und in dem tatsächlich zwei Männer gesessen seien. Auch in Priklopils Auto und Haus seien keine Hinweise auf weitere Täter gefunden worden.

Verlies unauffindbar

Festgestellt wurden laut Ziercke allerdings "Ermittlungsfehler in einzelnen Stadien" der Untersuchung des Entführungsfalles sowie "Fehleinschätzungen". Etwa die Tatsache, dass Hinweisen auf Priklopil aus der Anfangsphase der Entführung nicht nachgegangen wurde. Allerdings verwies Ziercke darauf, dass das Verlies, in dem Kampusch festgehalten wurde, wohl auch bei einer Hausdurchsuchung ohne konkreten Hinweis nicht hätte gefunden werden können.

Opfer nicht neuerlich befragt

Wie der frühere Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, bei der Präsentation des Berichtes sagte, hat die Evaluierungskommission 84 Befragungen und 18 Lokalaugenscheine durchgeführt. Nicht noch einmal befragt wurden allerdings Natascha Kampusch und der Freund des Entführers, Ernst H. Dies sei angesichts der ohnehin vorliegenden Protokolle nicht erforderlich gewesen, sagte Jörg Ziercke, Präsident des deutschen Bundeskriminalamts (BKA).

Auch die früheren Höchstgerichtspräsidenten Johann Rzeszut (OGH) und Ludwig Adamovich (Verfassungsgerichtshof), die mit ihrer Kritik an den Ermittlungen die Evaluierung ins Rollen gebracht hatten, wurden nicht neuerlich befragt. Das große öffentliche Interesse an dem Fall ist für Ziercke jedenfalls verständlich, schließlich sei das ein "Jahrhundertfall", vergleichbar etwa mit den NSU-Morden in Deutschland.

Beteiligt waren an der Untersuchung laut Anderl sechs Vertreter des Innenministeriums, drei des Justizministeriums sowie vier ausländische Experten von BKA und US-amerikanischem FBI. Kernfrage war laut Christian Pilnacek, Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium, ob Hinweise auf eine allfällige Mehrtäterschaft bei der Entführung vorliegen. Untersucht wurde aber etwa auch, ob es Hinweise darauf gibt, dass bei Priklopils Tod Fremdverschulden im Spiel war - auch das wurde laut Ziercke aber verneint.

Natascha lebte im Keller

Die damals zehnjährige Kampusch war am 2. März 1998 entführt und mehr als acht Jahre lang in einem Keller bei Priklopils Haus in Strasshof (Niederösterreich) gefangen gehalten worden. Erst am 23. August 2006 gelang der mittlerweile 18-Jährigen die Flucht, Priklopil beging daraufhin Selbstmord.

Obwohl die polizeilichen Ermittlungen zum Ergebnis kamen, dass der Entführer alleine gehandelt hatte, und auch Kampusch selbst dies bestätigte, waren anderslautende Verschwörungstheorien nie verstummt. Ein parlamentarischer Unterausschuss empfahl daher im Vorjahr eine neuerliche Evaluierung des Falles unter Beiziehung internationaler Ermittler. Dieser Evaluierungsbericht liegt nun vor.

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