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Berlusconi sieht sich als Opfer eines Komplotts

Heute Redaktion
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Bild: ANSA

Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat am Samstag bei einer Pressekonferenz in Monza bei Mailand die Politik seines Nachfolgers Mario Monti scharf kritisiert. "Das Fachleutekabinett hat Maßnahmen ergriffen, die die italienische Wirtschaft in eine Spirale der Rezession getrieben haben", kommentierte Berlusconi.

Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat am Samstag bei einer Pressekonferenz in Monza bei Mailand die Politik seines Nachfolgers Mario Monti scharf kritisiert. "Das Fachleutekabinett hat Maßnahmen ergriffen, die die italienische Wirtschaft in eine Spirale der Rezession getrieben haben", kommentierte Berlusconi.

 Er kritisierte die Steuerpolitik Montis und warnte vor der Gefahr eines "Polizeistaats" in Italien wegen der strengen Kontrollen des Fiskus.

Berlusconi attackierte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Deutschland hat die EU-Regierungschefs zu Beschlüssen getrieben, mit denen ich nicht einverstanden war", betonte der 76-Jährige.

Opfer von politischer Verfolgung

Der Medienzar bezeichnete sich als Opfer einer Verfolgung durch die Justiz. Seit seinem Einstieg in der Politik hätten 2.000 Gerichtsverhandlungen gegen ihn stattgefunden. Er habe hunderte Millionen Euro für Rechtsanwälte und Berater ausgeben müssen. "Italien ist keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur der Staatsanwälte. Das können wir nicht mehr ertragen", sagte Berlusconi. Die Justiz sei in Italien dringend reformbedürftig. Priorität seines künftigen politischen Einsatzes werde die Reform der Justiz sei. "Ich will verhindern, dass ein einziger italienischer Bürger das erleiden muss, was ich erlitten habe", kommentierte Berlusconi.

Berlusconis Rechtsanwalt Nicoló Ghedini kritisierte die Verurteilung seines Mandant. "Es handelt sich um das schlimmste Urteil gegen einen Bürger, das ich in meiner 30-jährigen Karriere als Rechtsanwalt gesehen habe", sagte der Verteidiger und Parlamentarier. Mehrere Zeugen der Verteidigung seien nicht zugelassen worden.

Lesen Sie auf Seite 2 die erste Reaktion Berlusconis auf seine Verurteilung...Empört und verbittert reagiert Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi auf die wegen Steuerbetrugs.

In einer Stellungnahme nach der Urteilsverkündung sprach der Medienunternehmer von einem "politischen" Urteil. Dieses sei "unglaublich und unzumutbar". Die Anklage sei "fernab jeder Realität", erklärte der TV-Macher. Er und seine Verteidiger seien sicher gewesen, dass es einen Freispruch geben werde, sagte Berlusconi und griff die verantwortlichen Richter scharf an. Er habe Lust, alles liegen und stehen zu lassen und auszuwandern, berichtete die römische Tageszeitung "Il Messaggero".

Beobachter sehen einen direkten Zusammenhang zwischen der Ankündigung Berlusconis, auf die Kandidatur für das Premieramt bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr zu verzichten, und dem Ende des Verfahrens wegen Steuerhinterziehung. Berlusconi habe den Richtern ein Signal geben wollen, dass er sich aus der politischen Arena zurückziehen werde, spekulieren politische Beobachter in Rom. Er habe somit auf einen Freispruch gehofft, seine Hoffnungen wurden aber enttäuscht. Berlusconi fürchte auch den sogenannten Ruby-Prozess, heißt es, bei dem ihm wegen Amtsmissbrauch und Sex mit einer minderjährigen Marokkanerin bis zu 15 Jahren Haft drohen.

Rückzug in Briatores Villa?

Kein Wunder, dass Berlusconi an Flucht denkt. Er plane einen Rückzug auf Malindi in Kenia im Urlaubsressort seines Freundes, dem Ex-Formel 1-Manager Flavio Briatore, berichtete die Tageszeitung "Corriere della Sera". Hier hatte Berlusconi bereits im September seinen Urlaub verbracht. Dabei hatte er sich einer strengen Diät und einem Trainingsprogramm unterzogen und nur wenige Personen getroffen, berichteten italienische Medien. Vertrauensleute des Politikers sprachen von einem tief deprimierten Berlusconi.

Die Verurteilung des Mailänder Großunternehmers, der Italiens politische Szene in den letzten 20 Jahren stark geprägt hat, stürzt das Mitte-rechts-Lager in die Ratlosigkeit. Die von Berlusconi gegründete Partei "Volk der Freiheit" war noch mit der Verkraftung des offiziellen Verzichts des 76-Jährigen beschäftigt, zum sechsten Mal als Premierkandidat anzutreten, als aus Mailand die Nachricht der Verurteilung eintraf. "Silvio muss seinen Beschluss überdenken und doch wieder in die politische Arena einsteigen. Er muss kandidieren, um sich vor diesen Richtern zu verteidigen, die ihn tot sehen wollen", betonte Berlusconis Vertraute Daniela Santanché.

Tritt Verjährung ein?

Ob Berlusconi jetzt doch noch seine Kandidatur für das Premieramt einreichen wird, um sich der Justiz zu entziehen, ist fraglich. Vorerst braucht er jedenfalls das Gefängnis nicht zu fürchten. Das Urteil im Mailänder Prozess wegen Steuerbetrugs wird erst nach der dritten Instanz rechtskräftig. Dem Ex-Regierungschef stehen noch zwei Berufungsebenen zur Verfügung, eine Haftstrafe müsste er erst nach einem endgültigen Schuldspruch antreten. Sehr wahrscheinlich ist, dass das 2006 begonnene Verfahren schon im nächsten Jahr wegen Verjährung eingestellt wird. Berlusconis Rechtsanwälte wollen bis zum 10. November gegen die Verurteilung ihres Mandanten Einspruch einreichen.

In dieser schwierigen Situation beschloss die Berlusconi-Partei am Freitag, dass am 16. Dezember die Vorwahlen stattfinden, bei denen der Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr bestimmt werden soll. Mehrere Schwergewichte des Mitte-rechts-Lagers wollen sich in den Wahlkampf stürzen. Am Freitag bestätigte die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini, dass sie sich an der Urwahl beteiligen wolle. Auch der Ex-Gouverneur der Region Veneto, Giancarlo Galan, und PdL-Chef Angelino Alfano gehen ins Rennen.

APA/red