Am vergangenen Samstag erreichte die Lage im Nahen Osten eine neue Eskalationsstufe. Hamas-Terroristen hatten ein Massaker unter israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet – das schlimmste seit Israels Staatsgründung. Mehr als 1.300 Menschen kamen dabei ums Leben. Israel schlug zurück und bereitet eine Bodenoffensive im Gaza-Streifen vor.
International bereitet die aktuelle Lage große Sorgen – auch in Österreich. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach im Ö1-"Journal zu Gast" über eine mögliche Vermittlerrolle Österreichs, über die künftige Entwicklung des Konflikts und über die Mittwochsdemonstrationen in Wien (Pro-Israel bzw. Pro-Palästina).
Man könne sich gar nicht vorstellen, was die Familien der drei getöteten Österreicher sowie der zwei weiter Vermissten durchgehen müssen, so der Minister. Er sprach im Interview den Betroffenen das tiefste Mitgefühl aus.
Die prekäre Situation in Israel bereite allen große Sorgen. Der "Flächenbrand" könne sich massiv ausbreiten und zu einem "Feuersturm" werden, so Schallenberg – "das ist die größte Sorge von uns allen".
Kann Österreich als neutraler Staat eine Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt spielen? Gegenüber der israelischen Bevölkerung habe Österreich eine "historische Verantwortung", jedoch pflege man auch gute Beziehungen zu arabischen Staaten, betonte der Außenminister. "Wir haben bereits den Kontakt zu unseren Partnern aufgenommen", jedoch brauche es Zeit, um sichtbare Ergebnisse zu erkennen.
Schallenberg kritisierte das Vorgehen der Hamas-Terroristen aufs Schärfste und sagte, man dürfe keine Täter-Opfer-Umkehr betreiben. Es sei "zynisch", dass die Terroristen die Bevölkerung hindert, den Gaza-Streifen zu verlassen. In Gaza gebe es keine israelische Okkupation, das Leid der Zivilisten sei einzig der Hamas zuzuschreiben. Österreich habe in der Vergangenheit auch Israel für ihre Siedlungstätigkeiten kritisiert, diesen Krieg hätten jedoch die Terroristen angezettelt.
Am Mittwoch fanden in Wien zwei große Kundgebungen statt: Eine pro-israelische und eine pro-palästinensische, die jedoch im Vorfeld wegen Hass-Parolen und der unmittelbaren Nähe zur Gedenkveranstaltung für Israel untersagt wurde. Trotzdem fand die Demonstration statt und sorgte für viel Kritik an der Polizei.
In Österreich gebe es ein starkes Demonstrationsrecht und eine Meinungsfreiheit, die beachtet werden müssen, so Schallenberg. Es sei jedoch "beschämend und beunruhigend", dass sich die palästinensischen Behörde nicht vom Hamas-Terror distanzieren. Es seien die Terroristen, gegen die man sich aussprechen müsse, forderte der Außenminister. Er plädierte dafür, zwischen Palästinensern und den Hamas-Terroristen zu unterscheiden. Österreich unterstützt offiziell die Zwei-Staaten-Lösung, die jedoch in weiter Ferne sei. "Solange Frieden nicht möglich ist, wird es solche Grausamkeiten geben."
Neben dem Krieg in Israel läuft der Krieg in der Ukraine schon seit fast 600 Tagen. In Kiew geht nun die Sorge um, man werde den Fokus auf den Nahen Osten richten und auf die Ukraine vergessen. Aktuell gebe es die größte Zahl an bewaffneten Konflikten seit 1945 – "wir müssen sehr aufpassen, sie nicht aus dem Blickfeld zu verlieren", so Schallenberg. In jeder Krise stecke jedoch eine Chance, sagte er. Österreich möchte mit einer aktiven Neutralitätspolitik seinen Beitrag leisten, betonte der Politiker.