Österreich

1.319 Wiener beschwerten sich bei Volksanwälten

Heute Redaktion
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Der Wien-Bericht der Wiener Volksanwaltschaft über das Jahr 2017 zeigt eine Steigerung des Beschwerdeaufkommens um 8,4 Prozent. Besonderer "Hotspot" war das Hochhausprojekt beim Heumarkt.

Insgesamt wandten sich im vergangen Jahr 1.319 Wiener mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Das geht aus dem Bericht vor, der am Montag von der Vorsitzenden der Wiener Volksanwaltschaft Gertrude Brinek und den Volksanwälten Peter Fichtenbauer und Günther Kräuter präsentiert wurde.

Gegenüber dem Jahr 2000 (412 Beschwerden) hat sich die Anzahl jener, die sich von der Wiener Landes- oder Gemeindeverwaltung unfair behandelt oder unzureichend informiert fühlen, mehr als verdreifacht. Seit 2007 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt (siehe Grafik).

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(Grafik: Volksanwaltschaft Wien)

Meisten Beschwerden bei Mindestsicherung

In 242 Fällen stellte die Wiener Volksanwaltschaft einen Missstand in der Verwaltung fest. Bei 582 Beschwerden sahen die Volksanwälte keinen Anlass für eine Beanstandung, in 513 Fällen waren sie nicht zuständig.

Inhaltlich entfiel mit 413 Fällen der Löwenanteil der Beschwerden auf die Bereiche Mindestsicherung und Jugendwohlfahrt, gefolgt von Staatsbürgerschaften, Wählerevidenz und Straßenpolizei (275 Fälle) sowie Gemeindeangelegenheiten (242), Raumordnung und Baurecht (114).

"Hotspot" Heumarkt

Als echten "Hotspot" des Jahres 2017 bezeichnete Vorsitzende Brinek das Projekt beim Wiener Heumarkt. Die Volksanwaltschaft stellte hier gleich mehrere Missstände fest: Mit der Errichtung eines 66m hohen Wohnturms in der Kernzone Wiens verstoße die Stadt gegen die UN-Welterbekonvention und nehme in Kauf, dass "das historische Stadtzentrum auf die Liste gefährdeter Welterbestätten gesetzt" wird.

Als besonders kritikwürdig erachtet Brinek, dass "der Änderung des Flächenwidmung- und Bebauungsplans jahrelange Verhandlungen auf Basis privater Investoren vorausgingen" und diese zum Verwerfen der ursprünglichen Pläne der Stadt geführt habe. Dies widerspreche der "richtigen" Reihenfolge, wonach zuerst eine politische Entscheidung, darüber was wo gebaut werden soll, erfolgen müsse. Danach müssten Debatten darüber folgen und der öffentliche Mehrwert erkennbar sein. "Das ist beim Heumarkt nicht geschehen, denn hier macht der Projektwerber sogar noch Gewinn", betonte Brinek.

Die Gleichbehandlung aller Projektbewerber könne nur erfolgen, wenn "Raumordnungspläne vor etwaigen Bauprojekten festgelegt werden und nicht umgekehrt", unterstrich die Volksanwältin.

"Weltkulturerbe in Bauordnung verankern"

Im Gegensatz zu Wien habe das Burgenland die Berücksichtigung des Weltkulturerbes in den Landesgesetzen festgeschrieben. Die Stadt Wien hätte mit der angekündigten Novelle der Bauordnung nun die Chance, dies ebenfalls gesetzlich zu verankern, so Brinek.

Kräuter pocht auf Nichtraucherschutz und Unterstützung für Heimopfer

"Statistisch sterben heute drei Menschen an den Folgen des Passivrauchens", betonte Volksanwalt Kräuter, österreichweit seien 13.000 Todesfällen auf das Rauchen zurückzuführen.

"Die Aufhebung des im Jahr 2015 beschlossenen, generellen Rauchverbots in der Gastronomie ist aus gesundheitspolitischer Sicht eine eklatante Fehlentwicklung", so Kräuter.

Einen konkreten Misstand ortete die Volksanwaltschaft etwa bei den Spitälern des Wiener KAV, wo insbesondere in den Eingangsbereichen zu wenig gegen das Rauchen unternommen wurde. "Aber ich muss auch loben. Mittlerweile hat der KAV bei seinen Spitälern Standaschenbecher entfernt und Rauchverbotsschilder aufgestellt".

Die Experten der Volksanwaltschaft werden bei ihren Besuchen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen künftig verstärkt auf den Nichtraucherschutz achten, kündigte Kräuter an.

Jedes 100. Wiener Kind fremduntergebracht

In ihrem Sonderbericht "Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen" widmete sich die Volksanwaltschaft verschiedenen Problemfeldern in der Fremdunterbringungen von Kindern und Jugendlichen.

Insgesamt waren im Jahr 2016 in Wien 3.921 Minderjährige fremduntergebracht. Setzt man diese Zahl in Verhältnis zur Gesamtzahl aller in Wien lebender Kinder und Jugendliche, zeigt sich, dass 1,06%, also jedes 100. Kind in voller Erziehung der Stadt Wien ist. "Damit liegt Wien klar an erster Stelle. In Tirol sind es nur 0,65% der Kinder, die nicht zuhause leben können", so Kräuter.

Mangel an Betreuungseinrichtungen

Dennoch sei das Angebot an sozialtherapeutischen und sozialpsychiatrischen Einrichtungen viel zu gering. 2017 gab es in Wien für insgesamt 2.217 fremdbetreute Minderjährige nur 100 Plätze, auch die bestehenden Krisenzentren sei oft überfüllt. Deshalb würden Kinder oft in anderen Bundesländern untergebracht, was die Betroffenen noch weiter von ihren Familien entferne, so Kräuter.

Als besonders kritisch bezeichnete Kräuter den Umstand, dass bei privaten Vereinen auch "blutige Anfänger" als Betreuer in Wohngruppen arbeiten könnten, auch wenn sie erst am Anfang ihrer Ausbildung stünden.

Zuwenig Unterstützung für Heimopfer

Als "unfair" bezeichnete Kräuter den Umstand, dass Wien 2016 die Einmalzahlungen als Entschädigung für Heimopfer eingestellt habe. Obwohl im Mai 2017 das Heimopferrentengesetz beschlossen wurde, das Personen, die als Kinder oder Jugendliche in Heimen, Internaten oder Pflegefamilien misshandelt wurden, eine monatliche Zusatzpension von 300 Euro zugesteht, hätten etwa die Steiermark oder Niederösterreich wieder Einmalsentschädigungen aufgenommen.

Auch die freie Wahl der Therapeuten sei, im Gegensatz zu Wien, in anderen Bundesländern möglich, so Kräuter.

Kritik an zu hohen Grabgebühren und unklaren Zusatztafeln



Ebenfalls durch die Volkswaltschaft kritisiert wurden die "zu hohen und intransparenten Grabbenützungsgebühren" bei der Friedhöfe Wien GmbH sowie der Versuch die Erhaltungskosten der auf die Kunden umzuwälzen, weil Friedhöfe ja öffentliche Plätze sein.

Volksanwalt Fichtenbauer bemängelte die mangelnde Kommunikation der Stadt Wien mit den Wiener Autofahrern. So hätten 2017 unverständliche Zusatztafeln oder eine "Spontan-Wandlung" eines zulässigen Parkplatzes in einen Behindertenstellplatz Wiener nicht nur verwirrt, sondern auch mit Strafen zurück gelassen. "Wir sind im Bezug aufs Auto ohnehin gläserne Menschen. Die Stadt Wien hätte hier leicht für mehr Information sorgen können. Da ist schon eine gewisse Bequemlichkeitsebene der Behörden festzustellen", so Fichtenbauer.

Wien- Bericht 2017 online

Der gesamte Bericht der Wiener Volksanwaltschaft ist ab sofort auf der Webseite abzurufen. (lok)