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"Bitte, ich brauche Wasser! Bitte! Wasser!"

In der US-Stadt Tucson stirbt ein 27-jähriger Latino bei einer brutalen Festnahme.

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Tödliche Verhaftung in Tucson
Tödliche Verhaftung in Tucson
zVG

Am frühen Morgen des 21. April verständigte eine Frau in Tuscon, Arizona, die Polizei. Ihr Enkel, Carlos Ingram-López (27), benehme sich erratisch und renne nackt in ihrem Haus umher. Beides bestätigte sich, als die Polizei eintraf. Drei Beamte überwältigten den Vater einer Tochter in der dunklen Garage des Hauses seiner Großmutter.

Die Bodycam eines der Polizisten zeigt schemenhaft, wie die Polizisten den nackten Mann mit dem Gesicht zu Boden drücken, auf seinen Rücken und auf seine Beine knien, ihm Handschellen anlegen. Der junge Mann schreit, ist wie gesagt erratisch, scheint sich aber kaum zu wehren. Mehrfach entschuldigt er sich, bittet wiederholt in Englisch und Spanisch um Wasser, fleht auch seine Großmutter um Hilfe an. An einer Stelle sagt er dann: "I can't breathe" (Ich kann nicht atmen).

Kokain im Blut

Auch wenn der Mann hörbar nach Luft ringt, richten ihn die Beamten nicht auf, sie bedecken den Nackten stattdessen von Kopf bis Fuss mit einem gelben Plastiktuch. Nach gut zwölf Minuten werden die Schreie des Mannes immer leiser, sein Röcheln immer lauter. Irgendwann regt er sich nicht mehr. "Hast du dich beruhigt?", hört man einen Beamten sagen. Tatsächlich war Carlos Adrian Ingram-López tot, Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

Gerichtsmediziner stellten bei dem 27-Jährigen einen hohen Kokaingehalt im Organismus sowie ein vergrößertes Herz fest. Die genaue Todesursache habe aber nicht ermittelt werden können, so der Polizeichef von Tucson, Chris Magnus.

Kündigung vor der Entlassung

Der Fall hatte eine interne Untersuchung nach sich gezogen – publik geworden war er erst jetzt, als das Polizeivideo des Einsatzes am Mittwoch an einer Pressekonferenz gezeigt wurde. Die interne Untersuchung hatte ergeben, dass die beteiligten Beamten – zwei Weiße und ein Schwarzer – gegen verschiedene Regeln der Behörde verstoßen haben. Die drei Polizisten hatten gekündigt, bevor sie entlassen werden konnten.

Dass der Fall erst jetzt publik wurde, brachte dem Polizeichef von Tucson, Chris Magnus, viel Kritik ein. Er erklärte dies mit "fehlerhafter Kommunikation" innerhalb der Polizei sowie Verzögerungen wegen der Corona-Pandemie.

Angesichts der US-weiten Diskussion um Polizeigewalt gegen Nichtweisse nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd trage der Vorfall nicht zum Vertrauen in die Polizei bei, gestand Magnus ein. Deswegen bot er der Bürgermeisterin und der Stadt Tuscon seinen Rücktritt an. Bürgermeisterin Regina Romero lehnte dies ab. Auf Twitter schrieb sie allerdings, dass nicht sie allein über den Rücktritt des Polizeichefs entscheiden könne. Sie wolle aber, dass Magnus bleibe und die von ihm angestossenen Polizeireformen fortführe.

Gestern fand in Tucson eine Gedenkfeier für Carlos Ingram-López statt. Die meisten der mehreren Hundert Teilnehmer trugen weisse T-Shirts mit der Aufschrift "#NanaAyudame" ("Großmutter, hilf mir").