Sportmix

"Blut spritzte, ich lächelte" Schlaf gut, Sigi Bergmann

Sigi Bergmann ist tot. Die Sportreporter-Legende schrieb auch Kolumnen für "Heute". Ein persönlicher Nachruf. 

Martin Huber
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Bergmann: "Sie war ab dann mein Schutzengel."
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Wenn Sigi Bergmann vom "Wimpernschlag einer Libelle" erzählte, begeisterte mich das als Volksschulkind mehr als später der Biologie-Unterricht. 

Mit dem "Wimpernschlag einer Libelle" beschrieb die Sportreporter-Ikone den Tausendstel-Krimi der Rodler im Eiskanal. Die hatten es ihm angetan – so wie die Boxer. "Ich war immer auf der Seite der Verlierer", sagte er einmal. "Auf der Seite jener, die aufopfernd kämpfen."

15.000 Schritte und nur nicht verdummen

Er selbst tat das bis zuletzt. 15.000 Schritte, das war sein Ziel jeden Tag. "Und nur nicht zu verdummen." Am Montag ist Sigi Bergmann im Alter von 84 Jahren an seinem Zweitwohnsitz Klagenfurt "friedlich entschlafen". 

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    Ich hatte mit Bergmann immer wieder Kontakt. Vor großen Box-Kämpfen schrieb er Kolumnen für "Heute". Die Frage nach dem Honorar ließ er nicht gelten: "Vergiss das Geld, ich tue es für den Sport." 

    Als junger Sportjournalist überkam mich nach Gesprächen mit Bergmann dieses blöde Gefühl, der war Muhammad Ali in seiner Blütezeit näher als man selbst einem Durchschnittskicker in der Bundesliga.

    Meine Gespräche mit Sigi drehten sich später nicht nur um den Sport. Er erzählte mir vom tragischen Tod seiner Mutter. Eine verirrte Kugel traf sie in den letzten Kriegstagen 1945, als sie den 7-Jährigen Sigi schützen wollte. "Sie war ab dann mein Schutzengel."

    Treffen mit Knie bei Orsolics

    Das letzte Mal redete ich mit Bergmann vor ein paar Monaten. Calvin Knie, ein Tiktok-Star und Wrestling-Moderator aus Wien, wollte seine Geschichte von Hans Orsolics zum Kino-Hit machen.

    Bergmann tat sich schwer beim Telefonieren. Wir riefen aneinander vorbei. Als es dann klappte, war er wie immer: hilfsbereit und freundlich.

    Bergmann hat über den Boxer Orsolics 2007 ein Buch geschrieben. Es ist die Geschichte des einfachen Wiener Rauchfangkehrers, der sich mit Fäusten auf Platz 1 der Box-Weltrangliste und zum Volksheld prügelt. Orsolics stürzt später ab. Er wird Stammgast im Gefängnis. 

    Bergmann fängt ihn auf. Er ist auf der Seite des Verlierers. Er hilft Orsolics, wieder in die Spur zu finden, beschafft ihm einen Job beim ORF. Die Geschichte Orsolics ist also irgendwie auch die Geschichte von Sigi Bergmann.    

    Orsolics lebt heute in einer Wohnung, die so klein ist wie ein Boxring – exakt 36 m². Nach einem Schlaganfall kämpft er mit Demenz und Parkinson. "Hansi hört gerne Geschichten von früher. Das Reden fällt ihm schwer", berichtet Bergmann.

    Beim Treffen mit Calvin Knie hat Orsolics plötzlich Zweifel. Als Knie auf das WC muss, blickt Orsolics zu Bergmann und fragt: "Ist der in Ordnung?" 

    Bergmann schmunzelt, als er das bildhaft erzählt. Geschichten konnten und können nur wenige Sportjournalisten in Österreich so erzählen wie Sigi Bergmann. Es setzte dabei auf eine Melange aus viel Wissen, starken Bildern und großen Emotionen.

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      Sport war für den Opern-Fan nicht nur Sport. Ihn interessierten die Menschen hinter den Ergebnislisten. 17 Jahre, von 1975 bis 1992, moderierte er die Sendung "Sport am Montag" im ORF. Bergmann ließ Menschen debattieren, die etwas zu sagen hatten. Als Moderator lief er über glühende Kohlen, um das Thema mentale Stärke zu veranschaulichen. Man stelle sich das heute bei Rainer Pariasek vor.  

      3.500 Boxkämpfe hat Bergmann im ORF moderiert. Die Krankheit Diabetes war sein ständiger Begleiter. Insulin spritzte er sich sogar beim Kommentieren von Boxkämpfen. Seine Fingerkuppen waren von den ständigen Messungen des Blutzuckerspiegels zerstochen. 

      Sein schönstes Erlebnis als Sportreporter hatte er 1988 in Seoul. Seine 17-jährige Tochter Elisabeth war selbst Olympionikin  in der Rhythmischen Sportgymnastik. Bergmann kommentierte den Kampf zweier Box-Hünen und schaute mit beiden Augen auf einem kleinen Bildschirm seiner Tochter zu. "Das Blut spritzte wenige Meter vor mir und ich lächelte."

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