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Blut und Chaos in Ägypten - ElBaradei tritt zurück

Heute Redaktion
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Die Gewaltspirale in Ägypten eskaliert weiter. Über das ganze Land wurde nun ein einmonatiger Ausnahmezustand verhängt. Die Zahl der Toten ist laut offiziellen Angaben inzwischen auf 278 gestiegen. Auch ein britischer Kameramann soll getötet worden sein. Vizepräsident ElBaradei hat wegen der anhalten Gewalt seinen Rücktritt bekannt gegeben.

Die Gewaltspirale in Ägypten eskaliert weiter. Über das ganze Land wurde nun ein einmonatiger Ausnahmezustand verhängt. Die Zahl der Toten ist laut offiziellen Angaben inzwischen auf 278 gestiegen. Auch ein britischer Kameramann soll getötet worden sein. Vizepräsident ElBaradei hat wegen der anhalten Gewalt seinen Rücktritt bekannt gegeben.

ElBaradei tritt aus Protest gegen die Gewalt in Ägypten zurück. Der Vizepräsident teilte am Mittwoch in einem Schreiben an Übergangspräsident Adli Mansour mit, er könne nicht länger "Verantwortung für Entscheidungen übernehmen, mit denen ich nicht einverstanden bin".

Einmonatiger Ausnahmezustand verhängt

Angesichts der schweren Gewalttaten ist über Ägypten ein einmonatiger Ausnahmezustand verhängt worden. Die ägyptische Regierung hat nach den blutigen Straßenschlachten zwischen Islamisten und der Polizei am Mittwoch eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

Danach darf sich in Kairo und elf anderen Provinzen zwischen 19 Uhr und 6 Uhr niemand auf den Straßen bewegen. Das staatliche Nachrichtenportal Al-Ahram meldete, die Ausgangssperre könne bis zu einem Monat lang gelten.

Mehrere Journalisten unter den Gewaltopfern

Der für den britischen Sender Sky News arbeitende Kameramann Mick Deane wurde nach Angaben des Senders am Mittwoch erschossen. Der Vater zweier Kinder wurde 61 Jahre alt. Die für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitende Fotografin Asmaa Waguih erlitt eine Schussverletzung am Fuß.

Die staatliche Zeitung "Gulf News" aus den Vereinigten Arabischen Emiraten meldete den Tod der 26-jährigen Reporterin Habiba Ahmed Abd Elasis, die für das Schwesterblatt "Xpress" gearbeitet habe. Die Journalistin sei auf Heimaturlaub in Ägypten gewesen und habe keine Arbeitsauftrag gehabt. Sie sei auf dem Rabaa-al-Adawiya-Platz in Kairo erschossen worden.

Tote auch aus anderen ägyptischen Städten gemeldet

Landesweit seien 278 Menschen getötet worden, darunter 43 Polizisten, teilte das Gesundheitsministerium am Mittwochabend mit. Die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi hatten dagegen schon am Nachmittag von mehr als 2200 Toten und 10.000 Verletzten gesprochen.

Die Gewalt in Ägypten greift inzwischen auch auf andere Städte über. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern des gestürzten Präsident Mohammed Mursi und der Polizei seien in der Provinz Fayoum südlich der Hauptstadt 17 Menschen getötet worden, berichteten Staatsmedien am Mittwoch. In Suez sprach ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums von fünf Toten. Auch aus Minya, Assiut und Alexandria wurden Zwischenfälle gemeldet.

Räumung begann Mittwochfrüh

Die Polizei hatte am Mittwoch in der Früh mit der Auflösung der Camps auf dem Rabaa-al-Adawiya-Platz sowie dem Nahda-Platz begonnen. Dabei setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein. Augenzeugen berichteten auch vom Einsatz von Gummigeschoßen. Die Islamisten hätten Steine und Flaschen auf die Polizei geworfen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa sah, wie Demonstranten im Nasr-City-Viertel auf Polizisten feuerten.

Mit Bulldozern gegen Barrikaden

Im Staatsfernsehen war zu sehen, wie Bulldozer von den Demonstranten errichtete Barrikaden zerstörten. Später hieß es vom Innenministerium, dass das kleinere der beiden Protestlager, jenes am Nahda-Platz, bereits "vollständig unter der Kontrolle" der Sicherheitskräfte sei.

Das Innenministerium ordnete zugleich die Einstellung des Zugverkehrs von und nach Kairo an, offensichtlich um die Bewegungsfreiheit möglicher Protestgruppen einzuschränken. Einem Bericht des privaten Fernsehsenders CBC zufolge wurden auch mehrere Anführer der Muslimbruderschaft festgenommen.

Rachefeldzug gegen Christen begonnen

Radikale Islamisten haben in Oberägypten am Mittwoch drei Kirchen attackiert. Das berichteten christliche Aktivisten in Kairo. Ihren Angaben zufolge legten die Angreifer Feuer vor den Gotteshäusern in den Provinzen Minia und Sohag. "Nachdem das ägyptische Innenministerium entschieden hat, die Sit-Ins der Muslimbrüder in Kairo aufzulösen, haben Unterstützer der Muslimbrüder in Oberägypten einen Rachefeldzug gegen koptische Christen begonnen", schrieb die Organisation Maspero Jugendunion im sozialen Netzwerk "Facebook".

Der Nachrichtensender Al Jazeera berichtete, Anhänger der Muslimbruderschaft seien nach Beginn der Räumung einem Aufruf ihrer Führung zu neuen Demonstrationen gefolgt. In Alexandria sei die Uferstraße von Islamisten blockiert worden. In der nördlichen Küstenstadt Marsa Matruh sei ein Verwaltungsgebäude von Mursi-Anhängern gestürmt worden. Ein Anrainer berichtete dem Nachrichtensender Al-Arabiya, Demonstranten hätten eine Geschäftsstraße im Stadtteil Mohandesien blockiert.

Mursi an einem geheimen Ort in Haft  

Die Demonstranten protestieren seit Wochen auf den öffentlichen Plätzen für Mursis Wiedereinsetzung ins Amt. Mursi war am 3. Juli vom Militär entmachtet worden. Er sitzt an einem geheimen Ort in Untersuchungshaft. Seit seinem Sturz kamen mehr als 300 Menschen bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften ums Leben. Mursi war im Juni 2012 als erster frei gewählter Präsident Ägyptens an die Macht gekommen.