Niederösterreich

4.000 Euro für keinen Sex? Bordellchef vor Gericht

Dritter Tag im Betrugsprozess in St. Pölten am Montag: Ein Ex-Bordellbetreiber soll mit Komplizen über zehn Gäste betäubt und abgezockt haben.

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Der Freund (40), die Prostituierte und der Chef (33, r.) der Love Lounge
Der Freund (40), die Prostituierte und der Chef (33, r.) der Love Lounge
privat

Wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs, schwerer Erpressung, Nötigung und anderer Delikte standen ein ehemaliger Bordellchef (33), sein Freund (40) und eine Rotlicht-Mitarbeiterin (42) am heutigen Montag bereits zum dritten Mal in St. Pölten vor Gericht.

Schlaf nach Haustrunk

Zwischen Ende 2018 und Mitte 2020 sollen die Angeklagten mindestens 17 Besucher der "Love Lounge" in der nö. Landeshauptstadt betrogen haben. Die Opfer wurden laut Anklage schwer betrunken gemacht. Dann gab es noch auf Einladung den "Spezial-Haustrunk", ein hochprozentiges Gemisch aus Absinth und möglicherweise anderen Substanzen.

Schliefen die Opfer schließlich ein, setzten sich mehrere Prostituierte neben den schlafenden Gast. Zahlreiche leere, teure Schampus- und Sektflaschen wurden platziert und Fotos geschossen. Erwachte der Gast wieder aus seinem Dämmerzustand, bekam er eine gesalzene Rechnung serviert - zwischen 6.000 und 22.000 Euro (laut Polizei). Dem entsetzten Opfer wurden dann noch die "Beweisfotos" vorgelegt.

Zahlung oder Anzeige

Einige Opfer bezahlten aus Scham die überhöhte Faktura. Wurde nicht sofort bezahlt, soll der Russe laut Anklage nachgeholfen haben. Ein Opfer wurde zu Hause besucht, einem Lehrer wurde laut Anklage angedroht, zwei Prostituierte würden die Schule, in der der Pädagoge beschäftigt ist, aufsuchen. Ein Handwerker musste sich sogar einen Kredit aufnehmen. Halfen alle Einschüchterungsversuche nichts, erstattet der Puff-Chef schließlich Anzeige bei der Exekutive - diese Masche zog der 33-Jährige laut Anklage mehrmals ab.

Nur: Im Dezember 2019 wurde die Polizei misstrauisch, einfach zu oft waren Bordellkunden von den mutmaßlichen Tätern angezeigt worden. Augenscheinlich: Die angeblichen Rechnungen waren dabei immer extrem hoch. Das Landeskriminalamt Niederösterreich nahm noch Ende 2019 die Ermittlungen auf, erhob akribisch und im Sommer 2020 wurde die Bordell-Bande hochgenommen ("Heute" berichtete).

Widerruf von Geständnis

Am ersten Prozesstag letzte Woche hatte der 33-Jährige sein polizeiliches Geständnis widerrufen: "Ich hatte zwei Tage nichts geschlafen und drei Whiskey getrunken. Einige Kunden haben Schuldscheine unterschrieben und waren zwei Wochen später wieder bei uns im Bordell."

Die Opfer wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit letzte Woche befragt. Am heutigen Montag sprach eine Prostituierte im Zeugenstand. Die Frau machte indes nur vage Aussagen: "Naja, da waren auch Rollen- und Fetischspiele dabei. Daher die vielen Stunden und hohen Rechnungen." Gewalttätig soll der Chef nicht gewesen sein.

Italiener wachte um 14 Uhr auf

Ein Italiener etwa war gegen 4 Uhr früh ins Bordell gekommen, kippte weg und erwachte erst gegen 14 Uhr. Er wurde angeblich mit Absinth abgefüllt. Eine Prostituierte: "Ja, ihm war schwindelig und schlecht, aber von einer Pizza. Er war halt in Partylaune." Der Italiener sagte, dass er 4.000 Euro für keinen Sex und knapp zehn Stunden Schlaf ausgegeben hätte.

Unklar war beim Prozess auch die Opferanzahl. Die Exekutive hatte nach den Ermittlungen von mindestens 17 Opfern gesprochen, der Anwalt sprach nur von rund acht bis zehn Opfern. Auch die Rechnungen sollen nicht bis zu 22.000 Euro, sondern "nur" bis zu 11.800 Euro ausgemacht haben (Anm.: Stundenlohn pro Dame gut 200 Euro, Flasche Sekt 80 Euro). Einige Opfer sollen mit dem Bordellchef eine Einigung erzielt haben. Ein Kellner, der vom Chef auch geschlagen worden sein soll, fehlte am heutigen Montag im Zeugenstand.

Da der Kellner ein wichtiger Belastungszeuge ist, wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Für sämtliche Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung. 

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