Niederösterreich

Borealis-Düngemittelsparte – Pernkopf für Verkaufsstopp

Der nö. Landesvize und der nö. Bauernbund sehen durch den möglichen Verkauf die Sicherheit der Lebensmittelversorgung gefährdet.

Heute Redaktion
Stephan Pernkopf
Stephan Pernkopf
NLK

Vor mehr als drei Monaten hat die OMV-Tochter Borealis den Verkauf ihrer Düngemittelsparte an den tschechischen Agrofert-Konzern angekündigt. Der niederösterreichische Bauernbund sieht dadurch die Sicherheit der Lebensmittelversorgung in Österreich gefährdet und den geplanten Deal auch mit Hilfe der europäischen Kartellwächter zu Fall bringen. Zur Unterstützung haben die Bauern den Verfassungsjuristen Heinz Mayer engagiert, der den Verkauf für unzulässig hält.

Die OMV-Chemietochter Borealis will jedenfalls trotz des Widerstands von Vertretern aus der Landwirtschaft den Verkauf des Düngemittelgeschäfts an den tschechischen Agrofert-Konzern noch heuer über die Bühne bringen. Der Deal sei bereits vor Wochen bei der Wettbewerbsbehörde angemeldet worden, sagte eine Borealis-Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Transaktion unterliegt derzeit der Genehmigung durch die Behörden".

Es gehe bei dem Deal nicht nur um den Verkauf der Borealis-Düngemittelsparte, sondern auch der gesamten AdBlue-Produktion, sagte der Obmann des niederösterreichischen Bauernbundes und Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. AdBlue wird zur Abgas-Nachbehandlung bei Dieselmotoren verwendet. "Alle reden von Versorgungssicherheit, und dann verkauft ein teilstaatliches Unternehmen ohne jede Not einen hochprofitablen Zweig, der die Versorgungssicherheit ganz Österreichs betrifft", so Pernkopf. Davon sei nicht nur die Lebensmittelproduktion betroffen, sondern auch die Logistikbranche.

Anwaltskanzlei engagiert

Der Bauernbund habe deshalb bereits eine Berliner Anwaltskanzlei engagiert. "Die haben die Aufgabe, das vor den europäischen Kartellbehörden entsprechend zu bekämpfen." Nach dem geplanten Zusammenschluss hätte das fusionierte Unternehmen einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent, argumentierte Pernkopf, "was eindeutig einer marktbeherrschenden Stellung gleichkommen würde". Die zweit-, dritt- und viertgrößten Produzenten - EuroChem, Ostchem und Uralchem - seien entweder in der Ukraine oder in Russland tätig, deren Produktion würden derzeit nicht auf den Markt kommen. "Wir lehnen gerade aus diesen aktuellen Umständen jede weitere Konzentration wichtiger Marktteilnehmer ab", so Pernkopf. Alternative Angebote seien wegen der hohen Transportkosten de facto nicht verfügbar. "Der Preis von Düngemitteln und AdBlue ist in den letzten ein, zwei Jahren um das Drei- bis Vierfache gestiegen."

"Die Realisierung des Verkaufs stünde auch im Gegensatz zur Bundesverfassung, in der sich die Republik zur Sicherung der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln bekennt", sagte Pernkopf und verwies auf ein Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer, der auf das ÖIAG-Gesetz verweist, an das die Mitglieder des Aufsichtsrates der Borealis-Mutter OMV gebunden seien. Sie müssten in diesem Fall öffentlichen Interessen den Vorzug geben vor dem Einzelinteresse des Unternehmens, weshalb der Verkauf unzulässig sei.

Abwägung des öffentlichen Interesses

Schützenhilfe bekommen die Bauern auch vom langjährigen Böhler-Uddeholm-Chef und Ex-Nationalbankpräsidenten Claus Raidl. Er glaubt nicht, dass die Ertragskraft von Borealis geschmälert würde, sollte der Verkauf abgeblasen werden. Und selbst wenn das der Fall wäre, müsste das in Abwägung des öffentlichen Interesses in Kauf genommen werden.

Ursprünglich sei geplant gewesen, die Borelis-Düngersparte an den russischen EuroChem-Konzern um 455 Mio. zu verkaufen, sagte Pernkopf. Nachdem dieser Verkauf gestoppt wurde, habe Agrofert keine drei Monate später 810 Mio. Euro geboten. "Mein Umkehrschluss ist: Wäre dieser Käufer nicht auf die Sanktionsliste gekommen, hätten wir um 355 Millionen weniger verkauft." Heuer weise Borealis einen Halbjahresgewinn der Düngemittelsparte von 256 Mio. Euro aus. "Wenn man das hochrechnet, sind das 500 Millionen Jahresgewinn, das heißt, der jetzige Käufer hätte den Kaufpreis von 810 Mio. Euro in eineinhalb Jahren herinnen."

Stellungnahme der ÖBAG

Die Staatsholding ÖBAG verweist in ihrer Reaktion darauf, dass Agrofert ein europäisches Unternehmen sei und "öffentlich und unmissverständlich eine Standortgarantie für Linz abgegeben" und sich dazu bekannt habe, weiter in die Zukunft des Werks zu investieren und somit auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Verantwortung für die Versorgungssicherheit sei in Form eines Pakets mit der oberösterreichischen Landespolitik vereinbart worden. "Der Standort Linz gehört zu den wettbewerbsfähigsten Produktionsstätten und wird dies im Agrofert-Konzern auch bleiben. Aus diesen Gründen kann die ÖBAG die vorgebrachten Argumente gegen den Verkauf nicht nachvollziehen, steht aber jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung", heißt es in einer Stellungnahme der ÖBAG.

Von der Standortgarantie der Tschechien für die Borealis-Produktion hält Raidl wenig und verweist auf seine eigene Erfahrung als Böhler-Uddeholm-Chef. "Es ist der Eigentümer natürlich in seinem nationalen Land mehr verbunden - der will dort keinen Streit mit den Gewerkschaften, da schließt er lieber Linz - als mit seinen ausländischen Akquisitionen."

Agrofert sei auch Eigentümer des deutschen Düngemittel- und AdBlue-Produzenten SKW in Piesteritz (Sachsen-Anhalt) und habe das Werk dort stillgelegt, sagte Pernkopf, man würde sich also durch den geplante Verkauf an die Tschechen abhängig und erpressbar machen.

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