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Börsen-Oma spricht in Wien: Ihre Tipps für "Heute"

Heute Redaktion
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Beate Sander ist bekannt als Börsen-Oma. Sie spricht am Wiener Börsianer-Festival.
Beate Sander ist bekannt als Börsen-Oma. Sie spricht am Wiener Börsianer-Festival.
Bild: Henning-Foto

Die 81-jährige gilt als Kult-Börsenexpertin. Sie war früher Lehrerin, startete ihre Karriere an der Aktienböse mit erst 59 Jahren. Heute ist sie Millionärin.

Mittwoch und Donnerstag kommen einige der besten Finanzköpfe nach Wien um an dem"Börsianer-Festival" in der Wiener Hofburg teilzunehmen. Unter ihnen befindet sich auch die liebevoll genannte "Börsen-Oma". Die 81-jährige alte Dame investierte das erste Mal mit 59 Jahren am Aktienmarkt und wurde im Ruhestand zur Millionärin. Die Bestsellerautorin spricht jeden Tag bei Konferenzen, gibt Tipps schreibt unter anderem bei dem deutschen Boulevard-Blatt Bild. Für "Heute" hat sie vorab schon einiges preis gegeben.

Ich war Realschullehrerin und Schulbuchautorin für Wirtschaft und Recht. Ende der 1990er-Jahre, als in Deutschland der Neue Markt boomte, wünschten mein Schulleiter, viele Eltern und Schüler, dass ich eine Börsen-Arbeitsgemeinschaft mit wöchentlich zwei Stunden Nachmittagsunterricht gründen und unterrichten würde. Da es kein Börsenbuch für Schüler gab, schrieb ich selbst eines mit dem Titel "Börseneinstieg mit Spannung und Spaß", was ein Bestseller wurde und mich richtig motivierte, selbst an der Börse aktiv zu werden. Theoretisches Wissen reicht nicht. Eigene Erfahrungen mit Börsenhochs und -tiefs müssen sich dazugesellen.

Ich habe die Hoch/Tief-Mut-Strategie erfunden mit dem Schwerpunkt, sehr langfristig zu investieren, viele Aktien zu pflegen, nicht unter 1.000 € pro Titel anzulegen, zu Tiefkuren einzusteigen, nur Teilverkäufe bei Kurshochständen vorzunehmen und einen Schwerpunkt auf nachhaltige, dividendenstarke Werte zu legen. Kein Panikausverkauf, sondern Zukauf im Crash, kein Angstverkauf im Mai, damit Dividenden nicht verloren gehen und im Laufe der Jahre drei- und vierstellige Kursgewinne möglich sind getreu dem Motto: Die besten Rennpferde bleiben im Stall. Mit viel Disziplin und Verlässlichkeit gelang es mir, aus 30.000 € in 22 Jahren über eine Million Kursgewinn zu erzielen.

Ich habe diese Million locker verteidigt. Jetzt finanziert sich mein Depot selbst. Mittels wieder anzulegender Dividenden und lukrativen Teilverkäufen, die im Altbestand vor 2009 sogar steuerfrei sind, kaufe ich bei Tiefständen chancenreiche Aktien zu. Dies sind sowohl defensive, konjunkturunabhängige, niedrig bewertete nachhaltige Value-Aktien, aber ebenso höher bewertete Aktien aus Zukunftsmärkten, geprägt von der Industrie 4.0, dem Internet der Dinge, der digitalisierten und vernetzten Welt, der Künstlichen Intelligenz mit Robotik. Hier spielt die Zukunftsmusik. Und der Chefdirigent und namhafte Solisten stammen aus den USA.

Ältere Frauen sind aufgrund früherer Rollenbilder - Kinder, Küche, Kirche - bezüglich Schul- und Berufsausbildung im Nachteil. Sofern sie überhaupt werktätig waren, waren dies oft schlecht bezahlte Tätigkeiten. Jüngere Frauen ziehen bezüglich Schul- und Berufsausbildung mit Männern gleich, arbeiten aber wegen Mutterschaft, Elternzeit, familiären und häuslichen Pflichten oft nur in Teilzeit und zählen seltener zu den gut bezahlten Führungskräften.

"Wer heute 10.000 € auf das Sparbuch einzahlt, dürfte in einem Jahrzehnt an Kaufkraft nur noch 8.500 bis 8.700 € übrig haben."

Die Folge ist, dass Frauen im Schnitt eine viel niedrigere Rente beziehen. Hinzu kommt, dass Frauen im Allgemeinen viel vorsichtiger und damit risikoscheuer sind. Sie halten dem Sparbuch trotz des Nullzinsmonsters die Treue und verlieren zudem auch noch durch die steigende Inflationsrate an Geld. Wer heute 10.000 € auf das Sparbuch einzahlt, dürfte in einem Jahrzehnt an Kaufkraft nur noch 8.500 bis 8.700 € übrig haben.

Das hängt immer von drei Faktoren ab: Wie groß ist das Börsen- und Wirtschaftswissen? Wie groß ist die Vermögensdecke mit übrigem, verfügbarem Kapital? Und um welchen Anlegertyp handelt es sich? Vorsichtig - erfolgsorientiert - risikofreudig bis spekulativ? Soweit als Startkapital nur bis zu 10.000 € vorhanden sind, empfehle ich für den Einstieg nur ETFs, also passive Indexfonds, die bestimmte Börsenbarometer abbilden, wie Dow Jones, S&P 500, MSCI World oder auch den deutschen MDAX, TecDAX oder SDAX.

Ich bleibe meiner eigenen Strategie auch in schwierigen Zeiten treu, vergleiche mich mit einem fachkundigen Gärtner, der genau zur richtigen Zeit säen und pflanzen muss, um eine gute Ernte einfahren zu können. Ich lasse mich weder von Untergangspropheten noch vom Herdentrieb beeinflussen. Ich orientiere mich an meinen eigenen Leitrichtlinien: Breit gestreut - nie bereut! Ein Crash ist gut - für Leute mit Mut! Kein Fluch, sondern Segen, langfristig anlegen! Meide die gefährlichen Vier: Euphorie, Panik, Angst und Gier!

Ein "Geheimtipp" sollte geheim sein. Schon von daher verbietet sich eine solche Aussage. Prognosen sind eher Zufallsprodukte mit allerdings hohem Unterhaltungswert. Worauf ich mich festlege: 1. Irgendwann kommt ein Crash. Wir wissen nur nicht, wann, wie lange, wie heftig? 2. Nach einem Crash werden wie bislang in 500 Jahren die Höchststände wieder höher sein als vor dem Kurseinbruch. Zahlreiche Studien belegen, dass jeder, der breit gestreut mindestens 14 Jahre lang in Aktien angelegt hat, immer Gewinne erzielte, je nach Können, Glück und Einstiegszeitraum im Schnitt pro Jahr 5 %, 8 %, 10 % oder sogar 15 %.

"Auch für Eltern und Großeltern sind Aktien eine hervorragende Möglichkeit, mittels Dauerauftrag oder Sparplänen für den Nachwuchs vorzusorgen."

In den Zeiten der Null- und Strafzinspolitik, die wohl noch lange anhalten wird, gibt es keine Alternative zu Aktien, passiv gemanagten ETFs und aktiv gemanagten Aktienfonds sowie modernen Mischfonds mit flexiblem Anteil Aktien und Anleihen. Auch für Eltern und Großeltern ist dies eine hervorragende Möglichkeit, mittels Dauerauftrag oder Sparplänen für den Nachwuchs vorzusorgen.

I. Kein Verkauf aller Aktien im Crash. Daran verdienen nur Banken durch die Transaktionskosten und neuen Anlagemöglichkeiten mit dem Restgeld.

II. Kein Verkauf aller Aktien im Mai und Wiedereinstieg im Herbst. Der Mai ist oft gar nicht der schlechteste Börsenmonat. Und die meisten Dividenden gehen verloren, weil vor allem im Mai und Juni ausgeschüttet wird.

III. Die Formel: Hundert minus Lebensalter ist Blödsinn. Junge Leute wollen, können oft aber noch nicht: Einstieg in Beruf und Karriere, eigene Wohnung, eigenes Auto, Familien- und Firmengründung, niedriges Anfangsgehalt. Die Altersgruppe 50 bis 60 Jahre verdient am besten. Oft ist es sogar erst dann möglich, intensiv in Aktien einzusteigen.

IV. Ohne gute Bücher geht gar nichts. Vom Buch zum Internet - vom Internet zum eigenständigen, preiswerten Onlinehandel.

V. Bei wenig Geld und geringem Börsenwissen breit gestreut mit ETFs beginnen und sich Schritt für Schritt mithilfe guter Bücher und Internet-Informationen ein fundiertes Börsenwissen aufbauen.

VI. Sparpläne zum Monatsbeginn helfen, die guten Vorsätze auch einzuhalten - und zwar ab sofort.

Solange ich lebe, will ich so aktiv bleiben wie jetzt. Alle Interviews beantworten, viele Vorträge halten, Fernsehauftritte pflegen, noch bessere Bücher schreiben und dankbar sein, dass ich all dies noch erleben darf.