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Bosse: "Wien hat noch mal so einen anderen Spirit"

Am 12. Oktober erscheint "Alles ist jetzt", das neue Album von Bosse. Wir haben uns mit dem Sänger darüber unterhalten.

Heute Redaktion
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Heute: Der Titel deines Albums lautet "Alles ist jetzt". Wofür steht der Titel, was kann man sich darunter vorstellen?

Bosse: "Alles ist jetzt" war einfach so, das war die erste Nummer, die ich fürs Album geschrieben habe. Und ich wollte es mal so machen wie es ei HipHopper machen. Wenn Samy Deluxe mal drei Jahre Pause gemacht hat und dann ein neues Album rausbringt, dann sagt der in der ersten Nummer auch immer: 'Ey, ich bin zurück, soundso geht es mir, das ist mein Wasserstand'. Und weil ich immer so einen Grund suche, um anzufangen, irgendwas leichtes, um wieder in diesen Trott des Albums zu kommen, in die Konzentration auch, hab ich gedacht: 'Ha geil, ich mach jetzt auch mal so einen Nummer'. Also ich sag' den Leuten einfach, ich bin zurück, das hab ich die letzten zwei, drei Jahre gemacht, das hab ich gelernt, das war mir wichtig, das könnt ich euch mitgeben. Um dann im Refrain zu sagen: 'Übrigens, alles ist jetzt, das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht. Das, was du träumst musst du machen'. Ist ja ein alter Hut, nicht. Dieses Carpe Diem-Thema, aber trotzdem ist mir irgendwann aufgefallen, dass es sogar wichtiger ist, als ich das in dem Moment dachte, mit meiner 'Ey, ich bin zurück'-Nummer.

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Heute: Das Album hat einen positiven, aber auch melancholischen Vibe. Es ist dein Erwachsenwerden-Album. Hat es irgendwo einen Punkt gegeben, an dem du gesagt hast, das ist jetzt so und deswegen lass ich das so auf meine Musik abfärben?

Bosse: Ja, das Älterwerden gehört schon, wie bei allen anderen Menschen auch, bei mir so dazu. Ja, ich merke, ich bin keine 22 mehr. Das hat auch total viele Vorteile und auch ein paar Nachteile. In jeder Biografie steht irgendwann, der Künstler ist jetzt angekommen. Ankommen würde aber immer gleich heißen, dass das immer alles so gleich sein. Ankommen ist ja immer irgendwo ein Punkt. Bei mir ist es so, ich kann immer nur schreiben, schreiben, schreiben. Und aus den zwei Jahren, in denen ich geschrieben hab, mit aller Liebe und allem Schweiß, den ich da so reingepackt hab, das beste rausholen. Und ja, das ist ein Album geworden, da geht es um Glück, da geht es um Haltung und ein bisschen um Politik. Da geht es um Empathie, um Liebe, um Familie, um so kleine Komplikationen. Das ist schon ganz schön nicht 22 Jahre alt, sondern das ist schon 38. Jaja, das ist mein Alter, genau. Wenn ich mir jetzt meine sieben Alben nacheinander so angucke später mal - hoffentlich sind es dann später mal 15 - so als Opa, dann kann man glaub ich schon genau seinen Enkeln erzählen, in welcher Dekade seines Lebens man gerade war, weil so sind auch die Themen. So ist grade mein Leben. Das ist ganz schön gesettled. Ich weiß, was ich will, und was ich nicht will.

Heute: Siehst du Dinge jetzt mit anderen Augen als früher? Zum Beispiel "Robert de Niro", der politischste Song des ganzen Albums, hättest du den früher anders gemacht?

Bosse: Der Song ist mir schwer gefallen, auf eine Art und Weise, denn ich habe ihn so angefangen, wie ich ihn früher geschrieben hätte. Das war eigentlich ein ganz schön große, laute Parole. Ich bin von vorne herein sehr, sehr links sozialisiert worden. Irgendwann hab ich dann gemerkt, dass wenn es um Politik geht, dass es mir mittlerweile egal ist, ob es links oder rechts ist, Hauptsache es ist kein Nazi-Blödsinn. Das einzige, was man grade tun kann, ist zu kommunizieren und irgendwie Schnitte suchen, um Leute davon zu überzeugen, menschlicher zu sein. Das ist jetzt aber ein viel zu großes Thema. Hätte ich den Song mit 18 geschrieben, wäre das ein ganz radikaler Parolensong geworden. Ein Punksong, nur ohne Punk-Musik. Heute war es mir aber eher wichtiger, dieses Gefühl zu beschreiben, dieses Verlorengehen, wenn man da so sitzt und plötzlich merkt: 'Hey, hier hat sich gerade irgendwas grundlegend verändert'. Die Unzufriedenheit der Masse aber auch dass eben Faschisten in Deutschland wieder auf die Straße gehen und einfach da sind und gut organisiert sind und diese Zeit zu nutzen. Dass es da Parteien gibt, die Rattenfänger-mäßig am Ende alles immer nur auf Flüchtlinge schieben, was aber nichts mir Geflüchteten oder Hilfebedürftigen zu tun hat, sondern mit anderen Problemen, die es gibt. Das da einfach nur mehr radikal ausgegrenzt wird und schwarz und weiß gemalt wird, aber es überhaupt nichts mehr dazwischen gibt, keinerlei Kommunikation. Das wollt ich eigentlich in diesem Song so beschreiben, dieses Gefühl, das man da so hat. So ist es das Gegenteil von einer Parole, sondern eher eine Zustandsbeschreibung mit einer Erklärung, wie ich das alles so sehe.

Heute: Du warst selber auch beim "Wir sind mehr"-Konzert in Chemnitz, bist aber nicht aufgetreten, hast ein Foto auf deiner Facebook-Seite gepostet. Betreust du deinen Facebook-auftritt mit 200.000 Fans selber?

Bosse: Ja, alles selber.

Heute: Wirst du da oft mit Unverständnis oder Hass konfrontiert, wenn du dich politisch äußerst?

Bosse: Von meinen Fans nicht. Da hab ich Glück gehabt, muss man sagen. Ich glaub, das passiert manchmal so. Ich war für ganz, ganz viele schon immer ein linker Künstler oder ein empathischer Künstler und stand immer für irgendwas. Auch wenn die Musik nie über Politik ging, ging es aber trotzdem immer um eine Lebenseinstellung. Wer meine Musik mag, der hat keine Lebenseinstellung, die irgendwie ausgrenzend ist, sondern eher das Gegenteil. Deswegen hab ich da Glück, weil die Leute, die meine Musik hören, das unterstützen. Ich hab aber dann auch die Chance, weil ich in meiner kleinen 200.000 Follower Social Media Welt ein Sprachrohr bin und Mitteilungskraft habe, sehe ich das ganze auch als Vorbildfunktion. Dann mach ich das manchmal gar nicht so für meine Leute, sondern eigentlich für die, die neu dazu kommen, die jünger sind. Für die Kinder meiner Leute, eigentlich. So eine Song wie "Robert de Niro", ich will ja, dass den Leute hören, die ich überzeugen kann davon, dass das irgendwie anders geht und dass man sich mit solchen Dingen beschäftigen muss. Sogesehen freue ich mich über jedes kritische Kommentar, was jetzt nicht aus meinem engsten Fankreis kommt, weil man dann eine Diskussion starten kann, mit einer Kommunikation. Nach dem Echo hatte ich einen Shitstorm, als ich den Fickfinger gezeigt habe, da kommen dann die Trolle und mega aggressive Leute, die ich dann auch sofort anzeige, da kenn ich dann gar nichts.

Heute: Also siehst du es als Verantwortung von Musikern, die in der Öffentlcihkeit stehen, sich auch zu kontroversen politischen Themen zu äußern?

Bosse: Ich seh das bei mir so. Letztens hat sich Helene Fischer geäußert, da haben wieder ganz viele Leute gemeckert, dass das jetzt nicht so auf dem Punkt war. Aber entschuldige mal, das ist die größte deutsche Künstlerin im Moment, und die hat einfach ein Pamphlet auf Facebook geschrieben, für Liebe, Frieden und Offenheit. Ist doch mega geil. Da hab ich sie wirklich gefeiert dafür. 'Wie mutig du bist', hab ich da gedacht. Das ist toll, das hört jeder. Sie spielt drei Mal das Olympiastadion in Berlin. Da ist klar, dass die Leute schreiben: 'Du linke Sau', oder so. Ich glaube, dass diese Angst davor, seine Fangruppe zu verlieren, die ist bei Künstlern natürlich riesig groß, grade die, die aus dem Mainstream kommen. Ich freu mich über jeden, der es macht. Ich versteh aber auch jeden, der sagt: 'Ganz ehrlich, ich hab aus einem anderen Grund mit Musik angefangen und ich trau mir das jetzt nicht'. Oft dauert es auch eine Zeit, bis man die Eier dazu hat, politisch zu sein. Die Kids fangen doch nicht an, Musik zu machen, weil sie Politik geil finden. Max Giesinger hat dann eben eine Wucht. Der hat dann nach dem Chemnitz-Konzert ein Post abgesetzt, wo ich mir gedacht hab: 'Alter, geiler Typ'. Bewirkt mehr als jeder Punksong.

Heute: Der Song "Ich bereue nichts" ist der letzte Song auf dem Album und klingt irgendwie wie ein Abschied. Hörst du jetzt auf, Musik zu machen?

Bosse: Ne, überhaupt nicht. Weißt du, warum ich den Song so mag. Weil ich ihn genau dort geschrieben hab, wo ich lag. Das hab ich vorher noch nie gemacht. Viele Leute glauben ja, der Sänger von Wanda sitzt zu Silvester in Wien besoffen auf einem Hausdach und schreibt irgendeinen Text. Stimmt ja nicht. Sondern der macht das eben genau so, wie du und ich am Schreibtisch oder irgendwo anders. Und so ist bei mir bis jetzt auch immer gewesen. Die Nummer habe ich aber - Ich wohn ja in Hamburg. Und dort gibt es die Elbe. Und machmal hat die Elbe so eine gewisse Power. Da ist gutes Licht und da fahren ein paar dicke Pötte lang. Das war so ein Moment, da hab ich da gelegen und hatte schon so 1,2 Promille, der Grill war an, und alles, was der Song da so sagt ist in dem Moment auch passiert. Und dann hab ich das einfach ins Handy gerülpst. Dann bin ich nachts nach Hause, hab mich ans Klavier gesetzt und dann war der fertig. Es gibt halt manchmal so Momente, da ist man stärker als der ganze Rest.

Heute: Du hast vor acht Jahren den Bundesvision-Songcontest gewonnen. Würdest du bei sowas wieder mitmachen?

Bosse: Klar, auf jeden Fall. Musikplätze und Halbplayback-Plätze im Fernsehen sind so spärlich besetzt.Ich finde alles, was nicht so mit Casting und Jugendverarsche zu tun hat, super. Ich fand auch den Bundesvision-Songcontest einfach nur gut, weil das war Startpunkt für Kraftklub, und ich weiß gar nicht wen noch aller in Deutschland. Weil man einfach mal eine Fläche hatte, um Musik zu machen, zwischen 20 Uhr 15 und 23 Uhr. Gibts auch gar nicht mehr.

Heute: Es müssen aber die Rahmenbedingungen passen. Nicht so Casingshows...

Bosse: Ich weiß gar nicht, ob ich das so Kacke finde. Ich hoffe, dass die Jugendlichen, die da mitmachen, nicht zu viele Hoffnungen reinlegen. Das einzige, was ich daran zu bemängeln hab, ist, dass ich das Gespiele mit jungen Seelen immer schon Scheiße fand. Denen irgendwas zu versprechen, was auf jeden Fall nicht eingelöst wird, ist ein bisschen blöd.

Heute: Anfang Dezember bist du in Wien im WUK zu Gast. Was können deine Fans von dir erwarten?

Bosse: Das Konzert ist ganz gut gelegen, es ist in der zweiten Hälfte der Tour. Da sind wir immer schon warm und heiß. Alles schon ganz gut geölt. Wir sind mittlerweile neuen Leute auf der Bühne, das wird im WUK ziemlich eng. Ich hab immer schon sehr gerne in Wien gespielt. Die letzten Wien-Konzerte waren immer gute Abende mit nette, hübschen Leuten, die gut gesungen und getanzt haben. Ich mag Österreich immer noch so gern, weil wir in Deutschland dann hie und da auch mal eine 12.000er- oder 15.000er-Halle spielen. Wenn man dann aber hier ins WUK kommt, dann kommen dann so 500, 700 oder sogar 1.000 Leute, dann sind das irgendwie noch so Abende, wo ich das GEfühl hab, das war eigentlich der Hauptgrund, wieso ich angefangen habe Musik zu machen. Nämlich noch irgendwie ein bisschen fresh zu sein, das bin ich Wien auf jeden Fall. Wir müssen hier echt noch so ein bisschen arbeiten, dass das nicht mehr so ein Geheimtipp ist. Aber genau weil es noch so ein kleiner Geheimtipp ist, lieb ich die Konzerte eben. Da ist noch mal so ein anderer Spirit.