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Broilers: "In Wien fühlen wir uns wie zu Hause"

Heute Redaktion
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Die Broilers zählen momentan zu den angesagtesten deutschsprachigen Bands. Ihr neues Album "Noir" ist in Deutschland von 0 auf 1 in die Charts eingestiegen, in Österreich auf Platz 7. "Heute.at" hat sich am Mittwoch vor der ausverkauften Show in der Wiener Arena mit Sänger und Gitarrist Sammy zusammengesetzt und ein bisschen geplaudert.

ist in Deutschland von 0 auf 1 in die Charts eingestiegen, in Österreich auf Platz 7. "Heute.at" hat sich am Mittwoch vor der ausverkauften Show in der Wiener Arena mit Sänger und Gitarrist Sammy zusammengesetzt und ein bisschen geplaudert.

Das Konzert in der großen Halle in der Arena war bereits seit Wochen ausverkauft. Und vom ersten Takt des Intros weg hatten die Broilers die Masse fest in ihren Händen. Bereits beim Opener "Zurück zum Beton" kochte das Publikum, das sich aus jungen Nachwuchs-Punks, volltätowierten Skinheads, vielen Rockabilly-Mädels und sonstigen Subkulturen zusammensetzte. Die Broilers bringen alle auf einen Nenner mit Was die nächsten über zwei Stunden folgte, war eine Punkrock-Show der Extraklasse. Obwohl Wien nach Nürnberg erst die zweite Station auf der aktuellen Tour mit "Noir" im Gepäck ist, wirkte das Werkel schon wunderbar geschmiert und eingespielt. Die sympathischen Düsseldorfer feiern heuer ihr zwanzigjähriges Bandbestehen, demenstprechend breitgefächert ging es auf der Setlist zu. Ältere Songs wie "Ruby (Light And Dark)" wechselten sich mit neueren Tracks ab, kein Klassiker blieb auf der Strecke.

Bis in die letzten Reihen wurde getanzt

Spätestens mit dem Geständnis, dass man sich "in Wien immer wie zu Hause" fühlt, hatte das Männerquartett mit Damenunterstützung die zum Bersten gefüllte Halle komplett in seinen Bann gezogen. Mit der Unterstützung eines Bläsersatzes war es der Band zudem möglich, auch die Ska-lastigeren Songs aus ihrem Repertoire einwandfrei darzubieten. So zuckte auch den grimmig dreinblickenden Skinheads im Publikum bei der einen oder anderen Nummer das Tanzbein.

Nach einer schweißtreibenden Show wurden alle glücklich nach Hause geschickt. Die Broilers selber haben noch eine anstrengende Tour vor sich. Durch den Erfolg von "Noir" haben sie es nun endgültig vom Geheimtipp zu einer der momentan wohl größten deutschsprachigen Band geschafft. Am Nachmittag vor dem Konzert hat "Heute.at" den Sänger Sammy für ein kurzes Interview getroffen und mit ihm über "Noir" und den plötzlichen Erfolg, das Leben auf Tour und das Verhältnis zum deutschen Boulevard gesprochen.

Was Sammy zu sagen hat, lest ihr auf Seite 2:

Heute.at: Wie geht’s euch?

Sammy: Ganz gut. Heute ist ein relativ langer Tag, ich hab ziemlich viele Interviews, deswegen hab ich mich jetzt schon eingesungen. Normalerweise ist es am schlimmsten für die Stimme wenn man spricht, und deswegen hab ich mich grad schon ein bisschen aufgewärmt, damit die Stimme ein paar Tage hält.

Wie war der Tourauftakt in Nürnberg?

Intensiv. Wir waren, das muss ich zugeben, auch relativ nervös, aber das Publikum hat uns recht gut getragen. 700 Leute, kleiner Club, und es war auch eine Generalprobe für die ganz neuen Nummern. Und auch die haben gut geklappt live.

Von "Noir" haben wir die Single "Ist da jemand" im Programm, auch "Grau Grau Grau" spielen wir. Letztendlich ist es ein Mix aus alten und neuen Sachen. Ein Viertel der Setlist stammt von der neuen Platte. Nach 20 Jahren Bandgeschichte bedeutet das, dass wir auch alte Lieder spielen, ganz neue und alles dazwischen. Es wird nicht nur ein Runterspielen der neuen Scheibe.

"Noir" ist in Deutschland von 0 auf 1 in die Charts eingestiegen, in Österreich auf Platz 7. Wie fühlt es sich an, mit der eigenen Musik Peter Maffay und Helene Fischer vom Thron zu stoßen?

Irgendwie unwirklich. Es ist jetzt noch nicht richtig angekommen. Ich glaub wir brauchen noch ein paar Tage, um das zu realisieren. Was aber viel wichtiger ist, dass man selbst in der zweiten Woche einen Top 10-Platz halten kann. Was aber noch geiler ist: Das war für alle so die Überraschung, dass wir in Österreich auf Platz 7 gegangen sind. Damit hat keiner gerechnet. Klar, in Deutschland hat man sich angestrengt, hat sich eine riesige Fanbase aufgebaut, aber dass man auch in Österreich so hoch einsteigt, das ist schon krass.

Ich weiß aber nicht, ob man das als Maßstab für Erfolg nehmen kann. Weil für unsere Verhältnisse hatten wir immer Erfolg. Klein angefangen, immer ein Schrittchen größer, es ist ja nie zurückgegangen. Wenn man das Ganze aber kommerziell sieht, und man die Eltern glücklich machen möchte, dann sind Charts was ganz Besonderes. Und dann gleich höchster Einstieg in die Charts, das ist schon ein wenig verrückt.

Hättet ihr euch nach dem Erfolg der letzten Platte noch eine Steigerung erwartet?

Die letzte Scheibe ist auf der 3 in Deutschland eingestiegen und das hat uns schon umgehauen. Das war ja auch unwirklich und da wollten wir nicht weiterdenken. Wir haben immer gedacht, wenn wir das jetzt laut aussprechen, dann passiert's nicht.

Ihr wart vor zwei Jahre mit den Toten Hosen auf großer Tournee. Gibt’s sonst noch eine Band, mit denen ihr gern die Bühne teilen möchtet?

Irgendwie schon. Andererseits hab ich aber auch Angst davor. Ich bin natürlich auch Fan von diversen Bands. Da hab ich ein bisschen Angst, menschlich entäuscht zu werden. Wir haben mit diversen Bands gespielt, die wir musikalisch super fanden, dann haben wir festgestellt, dass das Arschlöcher sind. Die sind arrogant, die sind Kacke drauf. Das hat dann den Blick auf die Band getrübt, die ich deswegen selber jetzt auch nicht mehr hören möchte.

Bleibt bei dem ganzen Tourstress Zeit für euch selber?

Wir versuchen es, so gut es geht. Im Moment ist es natürlich heftig. Trotzdem muss man sich irgendwie diese Auszeiten gönnen. Bei mir ist es Sport. Als mein Hund noch gelebt hat, war's einfach spazieren gehen. Das ist ganz wichtig, dass man da einen Ausgleich schafft, sonst dreht man durch. So schön das ist, mit der Rasselbande rumzuhängen, aber auf Dauer ist es anstrengend. Da wird dann auch manchmal ein Schlückchen getrunken.

Was hat sich bei euch nach 20 Jahren geändert. Musikalisch, professionell?

Musikalisch sind wir gereift. Wenn man lange probt, spielt, übt, dann läuft man Gefahr, etwas zu lernen. Wir sind auf unseren Instrumenten besser geworden und können nun Sachen spielen und auch aufnehmen, die wir so vor einigen Jahren noch nicht konnten. Der Song "Nur nach vorne gehen" ist zum Beispiel echt alt. Das Demo stammt aus 2009. Damals konnten wir es allerdings a) noch nicht umsetzen und haben es uns b) noch nicht getraut.

Viele alte Fans werfen euch mit der neuen Platte Ausverkauf und Hinwendung zu Kommerz vor?

Wir haben uns mit der Band freigeschwommen. Wir haben immer das gemacht, was wir wollten. Die Fans haben immer gemeckert, wenn einen neue Platte kam, weil die wollten, dass man konserviert, was immer da war, sich nicht bewegt. Selbst als die "LoFi" (2004) erschienen ist, waren die Leute am Durchdrehen. "Was soll die Scheiße?" Da haben sie schon geschrien: "Kommerz, Ausverkauf!" Alle brüllen sie immer. Die Platte davor ist die beste Platte. Irgendwann kommt der Nachfolger von "Noir" und dann ist "Noir" die beste Platte. Ich bin froh, dass alles so gelaufen und gekommen ist, wie's gekommen ist.

Junge Menschen müssen schimpfen. Vor allem wir Deutschen schimpfen sehr gerne. Als die ersten Kommentare (zur neuen Platte, Anm.) kamen, das war schon schwierig und tat teilweise weh. Wir haben jahrelang an der Platte gearbeitet, so intensiv wie noch nie, und dann liest man sehr emotionale Ausbrüche, teilweise unter der Gürtellinie. Dann hab ich danach aber selber mal die Platte gehört um zu überprüfen, ob da was dran ist, und war froh, weil ich gemerkt hab, dass die Platte genau so sein sollte, genau so, wie sie ist. Und, wenn wir alle Menschen glücklich machen wollen würden, was nicht möglich ist, dann müssten wir jeden fragen "Was willst du hören? Was willst du hören? Und was willst du hören?". Und solche Umfragen gehen meistens in die Hose. Siehe unsere Nachbarn in der Schweiz (Anspielung auf die Umfrage zur Beschränkung der Einwanderer, Anm.).

Wir haben das gemacht, was wir für richtig hielten. Wenn's den Leuten gefällt, ist das wunderschön, wenn nicht, können wir's leider auch nicht ändern. Die Leute sollen zu unseren Liveshows kommen, dort erleben sie Broilers, 20 Jahre.

Danke für den schönen Bogen zur Politik. Vor kurzem hat die Bild-Zeitung versucht, euch ins rechte Eck zu rücken und euch mit den Böhsen Onkelz und Frei.Wild verglichen. Ein paar Worte dazu?

Ich mag die Bild-Zeitung einfach nicht. Das ist ein sehr reißerisches Blatt, politisch auf der anderen Seite. Im angesprochenen Text, den man online nur über das gebührenpflichtige Bild+ lesen konnte, stand nichts Schlimmes drinnen. Nur in der Überschrift wurde suggeriert, dass wir damit zu kämpfen hätten, in die rechte Ecke gedrückt zu werden. Haben wir nicht. Wir sind eine ganz klar positionierte Band, wir sind komplett anti-rechts, sind auf der linken Seite zu Hause. Und deswegen haben wir über Facebook ein Statement rausgehauen, um das klar zu machen. Ich lass mich nicht beschimpfen, oder als Rechten abstempeln. Dann wehre ich mich.

Doch noch bevor wir reagiert haben, haben unsere Fans der Bild-Zeitung geschrieben und gesagt: "Leute, seid ihr noch ganz dicht?" Die Bild-Zeitung hat es dann online aus ihrem Artikel gestrichen. Wir können uns leider nicht gegen so etwas wehren. Seit der Platz-1-Geschichte schreibt irgendwie jeder über uns, jeder Fernsehsender berichtet. Da haben wir keinen Einfluß drauf. Das verselbstständigt sich. Genauso wie es bei den Fans ist, dass die uns manchmal als ihr Eigentum betrachten und über uns entscheiden wollen, ist es in den Medien das Gleiche.

Wenn uns jemand sagt: "Ihr seid nicht mehr die Broilers" dann antworte ich ihm: "Sag mal, willst du mich verarschen? Darf ich bitte selber entscheiden, wer wir sind?"

Was sagt du Fans, denen die politische Message mancher eurer Songs egal ist, die versuchen, die Politik außen vor zu lassen?

Wenn die Leute das so können, schön. Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Es gibt keine unpolitischen Menschen, außer Kinder vielleicht. Unpolitisch bedeutet ja, dass einem alles scheißegal ist, dass man ohne Meinung durch die Welt geht. Es passiert sehr viel da draußen. Und sofern wir nicht den gemeinsamen Nenner haben, dass es für uns eine Selbstverständlichkeit ist, gegen Nazis zu stehen, gegen Rassisums zu stehen, wenn das nicht da ist, dann brauchen wir auch nicht weiter reden. Dann brauch ich die Leute auch nicht. Das ist das Mindeste, was ich von einem Menschen erwarte.

Ihr thematisiert ja auch in zwei Texten Politisches. "Ich will hier nicht sein" dreht sich um Flüchtlinge, in "Der Rest und ich" sprecht ihr unter anderem die Brandanschläge auf Asylheime im ehemaligen Ostdeutschland 1992 an. Ist es schwer, die politische Richtung zu sehen, für die ihr steht?

Es ist nicht schwer, das zu übersehen. Und doch gibt’s Leute, die das tun. Die beschäftigen sich nicht mit den Texten. Es ist sehr viel einfacher, die Broilers Scheiße zu finden, als zu den Broilers zu stehen. Die Band polarisiert, und das ist gut so. Kontraste mag ich, ich mag schwarz/weiß, ja/nein. So jein und grau und lauwarm ist mir langweilig, ist mir zu blöd. Lieber hab ich einen klaren Standpunkt, und der gefällt oder er gefällt nicht. Weil dieses Vermischen, das geht mir auf den Sack.

Deine Texte sind auf der einen Seite sehr persönlich gehalten, aber dennoch in einer Art und Weise gschrieben, dass sich viele Fans damit identifizieren können. Gibt s für dich eine Grenze, wo es dann zu persönliche wird, worüber du nicht öffentlich singen möchtest?

Die Texte auf "Noir" sind für mich so persönlich, wie es für mich in Ordnung ist. Mehr würd ich nicht verraten. Leute die mich gut kennen, die verstehen jeden einzelnen Text, und wissen genau warum und für wen und für wen nicht. Und von außerhalb soll man halt eine Ahnung kriegen und sich dennoch den Text selber zu Nutzen machen Sich selber seine Gedanken machen. Viel lieber, als meine Texte zu erklären höre ich den Fans zu, wenn sie mir erzählen, wie sie die Texte verstehen. Das find ich viel interessanter. Und so soll es auch sein.

Das letzte Lied auf "Noir" heißt "Gutes Leben"? Ist es momentan für euch ein gutes Leben, und was kann noch besser werden?

Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, wann das passiert ist, aber irgendwann haben wir verstanden, dass die Sprüche von Oma und Opa doch richtig sind. Eigentlich gibt es nichts Wichtigeres als Gesundheit und Liebe. Ganz hippiemäßig. Es gibt nichts Wichtigeres. Du kannst hassen, so viel du willst, aber viel schöner ist es, zu lieben. Das ist das viel stärkere Gefühl. Vielleicht müssen wir uns die Haare wachsen lassen und Blümchen reinstecken. Da kann man so hart sein, wie man will, da kann man der härteste Skinhead sein, aber es ist so. Das ist das Wichtigste, was es gibt. Dann kommt noch der Rest.