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Cannes: Eine surreale Collage von Ryan Gosling

Heute Redaktion
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Aktuelle Highlights aus Cannes: Ryan Gosling stellte mit "Lost River" einen rätselhaften Film vor, der kaum zu entschlüsseln ist. Die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne, die bereits zwei Mal die Goldene Palme gewannen, lösten Beifallsstürme aus: Ihr Sozialdrama "Deux jours, une nuit" mit Oscar-Gewinnerin Marion Cotillard ist einer der besten Filme des Festivals.

Aktuelle Highlights aus Cannes: ist einer der besten Filme des Festivals.

. Die Warteschlange vor dem Salle Débussy ringelte sich quasi drei Mal ums Festival-Palais. Doch viele mussten draußen bleiben: Die 1.100 Plätze des riesigen Kinos reichten bei weitem nicht aus, um alle Filmfans aufzunehmen. Jeder wollte das Debüt eines vollkommen unbekannten Regisseurs sehen. Gut, der Mann ist als Regisseur unbekannt - ansonsten aber ein großer Hollywood-Star: Ryan Gosling. Mit "Lost River" brachte Gosling erstmals einen Film an den Start, den er selbst geschrieben und inszeniert hat.

 

"Lost River" ist allerdings ein absolutes Minderheitenprogramm. Die hohen Zuschauerzahlen, die Gosling mit Kino-Hits wie oder "Drive" erreichte, werden seinem eigenen Film verwehrt bleiben. "Lost River" ist weder Komödie noch Drama; es ist im Grunde überhaupt kein Spielfilm im gewohnten Sinn. Sondern eine fiebrig montierte, komplett surreale Collage aus Bildern und kleinen Handlungsfetzen, in der es um den Existenzkampf einer Mutter und ihrer Kinder geht. Man könnte "Lost River" als Film gewordenen Albtraum bezeichnen, in dem das Blut in Strömen fließt, in dem die Gewalt regiert und die düsteren Bilder (Schauplatz ist eine verlassene Siedlung am Rande von Detroit) nur dann etwas Helligkeit bekommen, wenn wieder mal ein Auto oder ein Haus brennt.

Ein Festival ist gewiss der richtige Ort, um einen Film wie "Lost River" (in dem Ryan Gosling übrigens nicht als Schauspieler auftritt) zu präsentieren. Ob das Werk überhaupt ins Kino kommen wird, bleibt abzuwarten. Außer dem großen Namen des Regisseurs besitzt die Produktion wenig, was ein reguläres Publikum anlocken könnte. Aber Ryan Gosling ist glücklich: "Ich wollte diesen Film drehen, weil 'Lost River' ein Movie ist, das ich gerne sehen würde."

"Zwei Tage, eine Nacht"

Das Drama "Deux jours, une nuit" ("Zwei Tage, eine Nacht") hingegen, das am Dienstag im Wettbewerb von Cannes herauskam, hat alle Anlagen zum Arthaus-Hit. Oscar-Gewinnerin Marion Cotillard ("La vie en rose") spielt eine Arbeiterin, die vor einem fast unlösbaren Dilemma steht: Sie wurde entlassen. Doch sie kann den Job in einer Solaranlagenfabrik behalten, wenn die 16 Kollegen aus ihrer Abteilung bereit sind, auf den Jahren-Bonus von 1.000 Euro zu verzichten. Ihr bleibt ein Wochenende Zeit, um zu versuchen, die Arbeitskollegen zum Verzicht zu bewegen.

"Solidarität ist keine Selbstverständlichkeit, und die Wirtschaftskrise macht es nicht leichter, sie erblühen zu lassen", kommentiert der belgische Regisseur und Cineasten-Liebling Luc Dardenne, der den Film (wie immer) mit seinem Bruder Jean-Pierre schrieb und inszenierte. "Deux jours, une nuit" schildert ein Alltagsproblem, wie es in unserer Zeit jedem Arbeitnehmer passieren kann. Der Film zieht fesselnde Spannung aus den vielen unterschiedlichen Standpunkten, mit denen die Arbeiterin Sandra bei ihren Kollegen konfrontiert wird. Und natürlich wartet man als Zuschauer genauso gespannt wie die Filmheldin, ob die Entscheidung der Abteilung für oder gegen sie ausfällt.

Marion Cotillard, die als Filmstar ja nun definitiv auf der Sonnenseite des Lebens daheim ist, überzeugt von der ersten Sekunde an als Frau aus dem Volke, die ihre Zukunftssorgen mit der Hilfe der Familie, aber auch mit jener von Psycho-Pillen in Schach halten will. "Wenn ich eine Rolle annehme, versuche ich, mich selbst zur Seite zu stellen und ganz die andere Person zu werden", sagte Cotillard in Cannes. "Sobald ich den Schlüssel zur Filmfigur gefunden habe, brauche ich nicht mehr viel zu tun. Dann treibt mich die Figur von alleine voran."

Gunther Baumann, Cannes

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