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Der Bratan kommt auf die Bühne – und Wien schläft

Der deutsche Chartstürmer wollte das Gasometer in Wien zum Beben bringen. Daraus wurde leider nichts.

Heute Redaktion
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"Ich komm auf die Bühne und schrei, 'Berlin lebt'" – so heißt es im Text des gleichnamigen Songs von Capital Bra. Das mag vielleicht für die deutsche Hauptstadt zutreffen. In Wien war jedoch genau das Gegenteil der Fall.

Voract hatte seine liebe Not

Am Samstag machte der Chartstürmer mit seiner "Berlin lebt"-Tour Halt in Wien. Der Hype um Capital Bra war in diesem Jahr immens. Die Tour sollte nochmal das Sahnehäubchen für 2018 werden. Der Rapper brach mit seinen Hits einen Rekord nach dem anderen. Besonders brisant: Nicht nur, dass es ihm gelungen ist, vier Nummer 1 Singles hintereinander zu veröffentlichen. Er pulverisierte auch den bisherigen Allzeit-Rekord der Beatles. Seit 60 Jahren war nämlich niemand mit vier Singles gleichzeitig in den Top 10 der deutschen Charts vertreten. Dann kam Capital Bra.

Die Messlatte lag dementsprechend hoch. Bevor der Erfolgs-Rapper die Bühne betrat, wollte sein Label-Kollege Samra für Stimmung sorgen. Wollte. Denn leider gelang es ihm kein bisschen. Bereits nach dem ersten Song merkte Samra wohl selbst, dass irgendetwas nicht stimmte: "Ihr wollt Cataleya hören, hab ich recht?" Mäßiger Jubel als Antwort. Der Song "Cataleya" beförderte Samra nämlich ebenfalls nach ganz oben in die Charts. In Deutschland schlug die Single direkt auf der 1 ein. In Österreich reichte es zumindest für Platz 2.

Einen Song probierte der Voract noch. Doch im Publikum tat sich nur wenig. Deshalb kam bereits als dritter Song "Cataleya". Endlich ein wenig Regung im Publikum. Hier und da wurde auch mitgesungen. Doch wirkliche Stimmung kam dennoch nicht auf. Wahrscheinlich auch aus dem Grund verschwand Samra kurz danach sofort hinter der Bühne.

Capital Bra versuchte Stimmung zu erzwingen

Vielleicht wird es Capital Bra noch richten? Die Hoffnung war groß. Als dann der Vorhang fiel und der Berliner Rapper gleich mit "Berlin lebt" startete, war der Jubel auch da. Doch der wich rasch. Der Grund war klar ersichtlich: Das zum großen Teil sehr junge Publikum wollte den Moment mit dem Smartphone festhalten. Jedoch nicht nur ein paar Sekunden, sondern am besten das ganze Lied. Vielleicht sogar die ganze Show?

Das dieses Gefühl nicht nur subjektiver Natur war, bestätigte Capital Bra selbst: "Was los, Bra? (bedeutet im slawischen Sprachraum soviel wie "Bruder") Ich habe zu allen gesagt, dass Wien die geilste Stadt ist. Zeigt doch mal was." Gleich darauf versuchte er das Publikum ein wenig zu dirigieren. Er forderte die Zuseher auf einen Kreis zu machen. Bedeutet konkret: Ein "Moshpit" soll her. Dabei geht es darum, dass nach dem Beatdrop die Leute in den Kreis hüpfen sollen. Dabei kommt es zu einer riesigen Rangelei. Sieht häufig wild aus, ist aber fast immer friedlich. Bei Capital Bra war es mehr als friedlich. Nachdem der Beat einsetzte, gingen vereinzelte Fans wie Messdiener in die Mitte und beobachten das Geschehen einfach von dort aus. Nun mit mehr Platz um sich herum.

Insta-Story wichtiger als Stimmung?

Der Rapper setzte noch einen drauf und schickte einen Kollegen von sich in die Menschentraube mit der Anforderung, dass die Leute einfach ihn anspringen sollen. Klappte beinahe. Das Publikum zückte nämlich lieber erneut das Handy und machte Selfies mit dem vermeintlichen "Opfer". Auch Capital Bra schien die Sache nicht sonderlich zu gefallen: "Was ist das für ein Kreis, Bra?", fragte er in die Runde. Eine Antwort hatte niemand.

Ein möglicher Grund für die schlechte Stimmung könnte eventuell der zu schnelle Hype des Rapper sein. Capital Bra, der sich zunächst einen Namen im Battlerap machte, sorgte für einen Tag auf den anderen für eine Massenhysterie. Er war wohl einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Doch scheinbar konnte er sich dadurch keine feste Fanbase aufbauen. Die Leute sprangen scheinbar einfach auf den Mainstream-Zug mit auf. Sie kannten zwar die Hits, doch genau diese wollten sie wohl lieber mit dem Smartphone festhalten, als sie live zu feiern.

Keine Zugabe?

Nach rund einer Stunde ging dann plötzlich das Licht auf dem improvisierten Brandenburger Tor auf der Bühne aus. Auch hier: Das Publikum begriff offenbar nicht, dass die Show zu Ende war. Oder besser gesagt: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, nach einer Zugabe zu verlangen. Möglicherweise wollten sie auch keine.

Nach einigen Augenblicken kamen sie aber doch. Die "Zugabe"-Rufe. Vereinzelt, aber doch. Capital Bra zeigte Gnade und kam tatsächlich wieder zurück. Neue Songs gab es bei der Zugabe nicht. Bereits zuvor spielte er "One Night Stand", "Roli Glitzer" und "Roll Bratan Roll". Er zeigte dabei Hartnäckigkeit und forderte das Publikum mehrmals zum Moshpit auf. Allein dadurch, dass er es immer wieder versuchte zeigt wohl: Es klappte nicht so richtig. In Zukunft wird der Bratan wohl erzählen: "Ich kam auf die Bühne, und Wien schlief"... (slo)