Wien

Nach schwerer Kindheit startet Claudia (21) nun durch

Claudia ist ein "Care Leaver", wuchs in Fremdbetreuung auf. Ein neues Angebot hilft jungen Menschen wie der 21-Jährigen nun, im Leben Fuß zu fassen.

Yvonne Mresch
Aus dem schüchternen Mädchen ist eine starke Frau geworden: Claudia (21) hat mit ihrer schweren Vergangenheit abgeschlossen.
Aus dem schüchternen Mädchen ist eine starke Frau geworden: Claudia (21) hat mit ihrer schweren Vergangenheit abgeschlossen.
Denise Auer

Acht Jahre lang lebte Claudia bei ihrer Mutter. Die wenigen Erinnerungen an diese Zeit sind angsterfüllt: "Sie war sehr aggressiv, schlug mich ohne Grund. Ich hatte wahnsinnige Angst vor ihr", erzählt die heute 21-Jährige. "Sie war arbeitslos. Ich weiß nicht, ob sie getrunken hat aber ich kann es mir vorstellen."

"Meine Oma hat mich gerettet"

Die Wochenenden verbrachte Claudia des Öfteren bei der Großmutter, sie waren ein kurzer Lichtblick. "Ich habe immer geweint, als ich wieder zurück musste", erinnert sie sich. Der Vater starb, als die Tochter vier Jahre alt war, an ihn hat sie keine Erinnerungen. "Ich weiß nur, dass er schon etwas älter war, aber nicht, woran er gestorben ist."

Mit acht Jahren sollte das Martyrium schließlich ein Ende haben: "Meine Oma hat mich gerettet. Sie wusste schon zuvor, dass es mir nicht gut geht, hatte aber keine Beweise. Schließlich konnte sie mich aufgrund der blauen Flecken rausholen." Doch im neuen Zuhause traten Probleme auf: "Bei meiner Mutter hatte ich immer Angst, bei Oma musste ich das nicht haben. Also wurde ich aufmüpfig und kam in die Trotzphase, habe Grenzen ausgetestet. Zuvor durfte ich ja nie Kind sein", erzählt Claudia.

Der Weg in ein neues Leben

Auch in der Schule fand das Mädchen keinen Anschluss: "Ich bin in der Hierarchie ganz weit unten gewesen, viele kamen mit mir nicht klar. Wenn ich emotional war, stand ich in der Ecke und weinte." Im Alter von 16 Jahren zog Claudia schließlich in eine Wohngemeinschaft der Volkshilfe.

"Oma und ich haben die Entscheidung gemeinsam getroffen. Sie hatte keine Kraft mehr und ich kann das absolut verstehen. Sie hat ja schon zwei Kinder aufgezogen. Und ich glaube sie hatte auch Angst, dass ich so werde wie meine Mutter." Aber keineswegs: In der WG entwickelte sich die starke Frau zur Vorzeigebewohnerin. Sie bekam einen Ausbildungsplatz in der Gastronomie und arbeitet heute in einem Luxus-Hotel in der Wiener City.

"Ich bereue nichts"

Ihrer Mutter nimmt sie Vergangenes nicht übel, konnte bei einem Treffen damit abschließen. "Ich habe sie gefragt, warum sie das getan hat, aber keine ordentliche Antwort bekommen. Sie lebt in einer Parallelwelt. Mir war wichtig, dass ich es versucht habe. Ich bereue nichts, denn alle Erfahrungen haben mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Ich bin mental stark und mache das Beste aus meinem Schicksal."

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    Trotz ihrer schweren Vergangenheit blickt Claudia (21) positiv in die Zukunft.
    Trotz ihrer schweren Vergangenheit blickt Claudia (21) positiv in die Zukunft.
    Denise Auer

    Neues Angebot für "Care Leaver"

    Claudia ist ein "Care Leaver", also eine Person, die in Fremdbetreuung aufwuchs und mit 18 Jahren auf sich selbst gestellt war. Für junge Menschen wie sie startete die Stadt mit Jahresbeginn ein neues Beratungsangebot. Die Jugendlichen haben bis zum Alter von 24 Jahren die Möglichkeit, 45 Beratungsstunden in Anspruch zu nehmen – zu Themen wie Wohnen, Ausbildung, Gesundheit, Finanzen, Beziehung und Sexualität oder Behörden.

    Mit der Durchführung wurden die Volkshilfe Wien, SOS Kinderdorf und die Wiener Jugendhilfe beauftragt. "Viele haben mit 18 Jahren noch nicht das soziale Netz, das sie benötigen würden. Hier setzen wir an", erklärt Doris Moravec von der Volkshilfe. "Erwachsensein ist nicht einfach, vor allem wenn man nicht behütet aufwächst", fasst Claudia zusammen. Auf die Frage, was ihr größter Wunsch für die Zukunft ist, muss sie kurz überlegen: "Ich bin ein Mensch, der nicht viel erwartet. Wenn dann etwas Gutes passiert, freue ich mich umso mehr. Denn ich weiß es wirklich zu schätzen." 

    Hier bekommst du Hilfe

    Kinder- und Jugendhilfe
    01 4000 8011
    [email protected]

    SOS Kinderdorf
    0676 88 144 758
    [email protected]

    Volkshilfe Wien
    0676 8784 4901
    [email protected]

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