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1.000 Neo-Nazis marschieren in Chemnitz

Bei Zusammenstößen zwischen rechten Mobs und Gegendemonstranten in der Chemnitzer Innenstadt sind sechs Menschen verletzt worden.

Heute Redaktion
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Bei Protesten Tausender Demonstranten in der Chemnitzer Innenstadt sind am Montagabend mindestens sechs Menschen verletzt worden. Aus beiden Lagern wurden Feuerwerkskörper und Gegenstände geworfen, es gab mindestens sechs Verletzte.

Laut Polizei wurden am späten Abend zudem vier Teilnehmer der rechten Demonstration Pro Chemnitz bei der Abreise durch 15 bis 20 Angreifer verletzt. Teilnehmer berichteten von einer aggressiven Stimmung. Zur Schwere der Verletzungen lagen der Polizeidirektion Chemnitz zunächst keine Angaben vor, doch zwei Personen mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

Anlass des Protestes und einer Gegendemonstration waren gewalttätige Ausschreitungen am Wochenende am Rande des Stadtfestes in Chemnitz. Dabei war ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden, zwei weitere Menschen erlitten schwere Verletzungen. Gegen einen 23 alten Syrer und einen 22 Jahre alten Mann aus dem Irak wurde am Montag Haftbefehl wegen Totschlages erlassen.

Die Bluttat wurde Auslöser für fremdenfeindliche Ausschreitungen in der Stadt bereits am Sonntag. Nach einer von der AfD organisierten Spontankundgebung mit rund 100 Teilnehmern zogen am Sonntagnachmittag dann rund 800 Menschen durch die Innenstadt. Dazu aufgerufen hatte eine rechtsextreme Hooligangruppe. Die Situation hatte sich hochgeschaukelt, auch befeuert durch Gerüchte in den sozialen Netzwerken.

Polizisten wurden mit Flaschen und Steinen beworfen. Videos im Internet zeigten, wie Migranten angegriffen und "regelrecht gejagt" wurden. Am Montag machte sich die Polizei nach entsprechenden Aufrufen im Internet für erneute Ausschreitungen bereit.

Quelle: Twitter/Tamedia

5.000 Teilnehmende seitens "Pro Chemnitz"

Nach einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunk MDR nahmen an der Demonstration der rechten Bürgerbewegung Pro Chemnitz etwa 5.000 Menschen teil. Auch mehrere hundert Gegendemonstranten zogen durch die Stadt, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Polizei machte zunächst keine Angaben zu den Teilnehmerzahlen.

Teilnehmer berichteten von einer aggressiven Stimmung. Wegen mehrerer Vermummungen hielt die Polizei den Zug der rechten Bürgerbewegung Pro Chemnitz an, wie sie weiter mitteilte. Sie skandierten Sätze wie "Merkel muss weg", auf Plakaten war etwa "Asylflut stoppen" zu lesen. Einige der Kundgebungsteilnehmer sollen zudem "nach ersten Hinweisen" den Hitlergruß gezeigt haben.



Nachdem sich die beiden Demonstrationen am Montagabend aufgelöst hatten, räumte ein Polizeisprecher Personalmangel in den eigenen Reihen ein. Man habe mit einigen Hundert Teilnehmern gerechnet und sich entsprechend vorbereitet, aber nicht mit einer solchen Teilnehmerzahl, sagte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. "Der Einsatz verlief nicht störungsfrei."

Nach Einschätzung der Polizei am Abend konnte eine Eskalation und ein Aufeinandertreffen der beiden Lager nur mit Mühe verhindert werden. Die Polizei hatte auch Wasserwerfer aufgefahren. Allerdings musste davon kein Gebrauch gemacht werden.

Noch am Nachmittag hatte Polizeipräsidentin Sonja Penzel versichert, es seien ausreichend Kräfte angefordert worden. Es werde nicht zugelassen, dass Chaoten die Stadt vereinnahmen, sagte sie.

Einsatz seit frühem Abend

Seit dem frühen Abend hatte die Polizei versucht, ein Aufeinanderprallen der Demonstranten zu verhindern. Die rechte Szene hatte am Karl-Marx-Monument eine Kundgebung mit einem Aufzug durch die Innenstadt beantragt. Am Monument wurde ein Transparent mit dem Spruch "Deitsch un' frei woll'n mer sei" des Dichters Anton Günther (1876-1937) angebracht.

Gut eine Stunde vorher hatten zahlreiche Menschen gegen rechte Gewalt demonstriert, nur wenige Meter vom rechten Lager getrennt. Nach dieser Kundgebung im Stadtpark von Chemnitz drängten Hunderte Demonstranten in Richtung der Kundgebung der rechten Szene auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dort skandierten sie Parolen wie "Nationalismus raus aus den Köpfen" und "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda".

"Zentralstelle Extremismus Sachsen" ermittelt

Am Montag wurden Haftbefehle gegen einen Syrer und einen Iraker vollstreckt. Die 23 und 22 Jahre alten Männer sollen nach einem Streit in der Nacht zum Sonntag mehrfach "ohne rechtfertigenden Grund" auf das Opfer eingestochen haben, teilte die Chemnitzer Staatsanwaltschaft mit. Laut Polizei ist mit dieser Formulierung vor allem Notwehr gemeint. Im konkreten Fall wurde demnach nicht aus Notwehr gehandelt. Zwei weitere Männer erlitten schwere Verletzungen.

Der sächsische Generalstaatsanwalt Hans Strobl zog am Montag die Ermittlungen an sich und beauftragte die Sondereinheit "Zentralstelle Extremismus Sachsen".

"Kein Platz für Selbstjustiz"

Deutsche Politiker hatten die Eskalation scharf kritisiert. "In Deutschland ist kein Platz für Selbstjustiz, für Gruppen, die auf den Straßen Hass verbreiten wollen, für Intoleranz und für Extremismus", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

"Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns in unseren Städten keinen Platz, und das kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir das auf das Schärfste verurteilen", betonte Seibert.

Auch die rechtspopulistische AfD hatte sich von der Gewalt distanziert. Ihre Spontandemonstration habe "nichts, aber auch gar nichts, mit den anschließend stattgefundenen Jagdszenen in der Stadt zu tun" gehabt, erklärte der sächsische Parteichef Jörg Urban.

Österreichs konservativer Bundeskanzler Sebastian Kurz, der mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, schrieb am Montagabend auf Twitter: "Ich bin erschrocken über die neo-nazistischen Ausschreitungen in Chemnitz. Vorfälle wie diese sind auf das Schärfste zu verurteilen!"

(chi/chk/sda)