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China macht vor, was der Lockdown wirklich bringt
So sehr die Isolation nervt: Sie einzuhalten, ist wichtig. Das zeigen Zahlen aus China, wo es ohne sie Hunderttausende Infizierte mehr gegeben hätte.
Nachdem die chinesische Regierung zunächst versucht hatte, die Informationen über eine neue Lungenkrankheit unter den Teppich zu kehren, griff sie hart durch: Ab dem 23. Jänner wurden Städte abgeriegelt, Geschäfte sowie Restaurants geschlossen und Millionen von Menschen mit einer Ausgangssperre belegt.
Obwohl sich das Virus bereits in andere Länder ausbreitete, war ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens für andere Nationen damals noch unvorstellbar. Auch die Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigten sich skeptisch und distanzierten sich von dem Vorgehen. Man müsse zunächst mal abwarten, welche Vorteile der Lockdown in China bringe.
700.000 vs. 75.500
Eine Antwort darauf liefern nun Wissenschaftler aus China, den USA und Großbritannien im Fachjournal "Science". Demnach dürften die Maßnahmen während der ersten 50 Tage seit Ausbruch nicht nur Hunderttausende Infektionen verhindert, sondern auch die Ausbreitung verzögert haben. Das, so die Forscher hätte anderen Städten im Land wertvolle Zeit zur Vorbereitung eigener Beschränkungen verschafft.
Ihre Auswertung lege nahe, dass es ohne die Beschränkungen bis zum 19. Februar 2020 allein in China "mehr als 700.000 bestätigte Covid-19-Fälle außerhalb Wuhans gegeben hätte", zitiert die Nachrichtenagentur "AFP" Christopher Dye von der Universität von Oxford, der an der Studie beteiligt war. So aber gab es bis zu diesem Zeitpunkt "nur" rund 75.500 Infektionen im Land. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass Chinas Maßnahmen die "Übertragungskette erfolgreich durchbrochen haben."
Offene Fragen, eindeutige Hinweise
Dye und seine Kollegen weisen darauf hin, dass es wahrscheinlich ist, dass längst nicht alle Fälle von Covid-19 erfasst wurden und es eine Dunkelziffer gäbe. Dass mit einer solchen stets zu rechnen sei, darauf deutet eine andere, ebenfalls im "Science"-Magazin publizierte Studie hin. Darin kamen die Forscher zu dem Schluss, dass vor den MMaßnahmen in China "sechs von sieben Fällen oder 86 Prozent der Fälle unbemerkt" geblieben waren.
Ebenso offen ist, welche Maßnahme mehr im Kampf gegen das Virus gebracht hätte: die Abriegelung von Städten und Regionen oder die Isolation von nachweislich Infizierten.
Lockdown aufgehoben
Ungeachtet dessen sind die Forscher davon überzeugt, dass der Shutdown einen großen Anteil daran hat. Wie groß, das zeigt der Vergleich von Handydaten aus diesem und früheren Jahren zum Zeitpunkt des Chinesischen Neujahrsfest, einem von zwei großen Frühlingsfesten im Land: Hatten sich früher im Schnitt 6,7 Millionen Menschen von Wuhan aus auf den Weg gemacht, waren es im Jahr 2020 praktisch keine.
Gut acht Wochen nach der Abriegelung wurden Anfang April die letzten Bewegungsbeschränkungen für die elf Millionen Bewohner Wuhans aufgehoben. Allerdings gelten für sie weiterhin Auflagen sowie zahlreiche Vorbeugungsmaßnahmen.