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Chinesen kickten den Berlin-Favoriten raus

Heute Redaktion
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Das Berlinale-Finale wurde zur Gala der Überraschungen: Goldener Bär für den chinesischen Thriller "Black Coal, Thin Ice". Dazu gabs noch drei Silberne Bären für Filmkünstler aus Fernost. Das Familiendrama "Boyhood" von Richard Linklater, erklärter Favorit der Festival-Insider, musste sich am Samstag hingegen mit dem Silberbär für die beste Regie begnügen.

Das wurde zur Gala der Überraschungen: Goldener Bär für den chinesischen Thriller "Black Coal, Thin Ice". Dazu gab’s noch drei Silberne Bären für Filmkünstler aus Fernost. Das Familiendrama "Boyhood" von Richard Linklater,  erklärter Favorit der Festival-Insider, musste sich am Samstag hingegen mit dem Silberbär für die beste Regie begnügen.

Diesen Sieger hatte niemand auf der Rechnung. Als Star-Produzent und Jurypräsident James Schamus am Samstag den chinesischen Regisseur Diao Yinan auf die Bühne bat, da staunten die 1.600 Gäste im Berlinale-Palast über den Gold-Gewinner. Auch dem Filmemacher war die Verblüffung anzumerken.

Gewinner riss niemanden von den Sitzen

"Black Coal, Thin Ice"  ist ein spannender Thriller, in dem es um die Aufklärung zweier Mordserien geht. Er folgt den Traditionen des düsteren Film noir; ist also das, was man einen typischen Genre-Film nennt. Bei der Berlinale-Premiere vor einigen Tagen gab's zu Recht Applaus, doch das war's dann auch. Der China-Thriller wurde im Unterschied zu vielen anderen Filmen nicht zum Tagesgespräch in Berlin.

Prognosen: Oscar-Sieger einfach, Berlinale-Sieger unmöglich

Der Goldene Bär für "Schwarze Kohle" liefert somit einen weiteren Beweis für die Weisheit, dass Festival-Jurys zu ungewöhnlichen Entscheidungen neigen. Es ist leichter, Oscar-Sieger vorauszusagen als die Gold-Gewinner von Cannes, Venedig oder Berlin. Denn während die Academy Awards von rund 6.000 Juroren vergeben werden, deren grundsätzliche Vorlieben man kennt, laden die Festivals kleine Jurys voller großer Namen ein, die nur ein einziges Mal zusammenkommen.

"Neue Perspektiven" kommen von 91-Jährigem

Bei der Berlinale saßen unter anderem der Wiener Hollywood-Star Christoph Waltz, die "Bond"-Produzentin Barbara Broccoli und Greta Gerwig, die junge Ikone des Independent Films, in der achtköpfigen Jury. Das Gremium verblüffte die Festival-Besucher nicht nur beim Goldenen Bären, es leistete sich auch einen leicht absurden Scherz: Der "Alfred-Bauer-Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet", ging an einen 91-Jährigen. Alain Resnais gewann mit der reichlich altmodischen Theater-Kino-Tragikomödie "Aimer, boire et chanter".

Stars und Favoriten gewannen in zweiter Reihe

Für Richard Linklater, dessen Drama "Boyhood" bei allen Vorstellungen frenetisch gefeiert wurde (der Texaner filmte zwölf Jahre lang an seiner Geschichte einer Kindheit und Jugend), gab’s immerhin den Regiepreis. Mit Wes Anderson ("The Grand Budapest Hotel") wurde ein weiterer US-Filmemacher ausgezeichnet. Er gewann den Großen Preis der Jury. Unbestritten war die Vergabe des Drehbuchpreises  an die deutschen Geschwister Anna und Dietrich Brüggemann. Sie drehten mit "Kreuzweg" eine bedrückend-eindrucksvolle Tragödie über eine 14-Jährige, die sich in einen fundamentalistischen christlichen Wahn hineinsteigert und an diesem zugrunde geht (die Wienerin Franziska Weisz überzeugte hier in der Rolle einer bösen und ultrakonservativen Mutter).

blieb bei der Preisverteilung außen vor. Doch das muss Regisseurin Sudabeh Mortezai nicht grämen: Dass sie mit ihrem Spielfilm-Erstling gleich zur Berlinale eingeladen wurde und dort viel positive Resonanz erhielt, ist Ehre genug.

In wichtigen Nebenkategorien gab es aber Preise für (Dokumentar-)Filme aus Österreich: Johannes Holzhausen gewann mit "Das große Museum" den Caligari-Preis des Berlinale-Forums. Hubert Sauper erhielt für "We Come As Friends" den Friedensfilmpreis.

 

Gunther Baumann, Berlin

 

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