Österreich

Chirurg wirft Fragen im Fall Bakary J. auf

Heute Redaktion
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Drei der vier im Fall Bakary J. wegen Quälens eines Gefangenen verurteilten Wiener Polizisten wollen mit neuen medizinischen Gutachten eine Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens erwirken. So kommt der pensionierte Facharzt für Chirurgie, Georg Kobinia, zu dem Schluss, dass die Verletzungen auf einem veröffentlichten Foto nicht mit der offiziellen Dokumentation des Falles übereinstimmen.

Drei der vier wegen Quälens eines Gefangenen verurteilten Wiener Polizisten wollen mit neuen medizinischen Gutachten eine Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens erwirken. So kommt der pensionierte Facharzt für Chirurgie, Georg Kobinia, zu dem Schluss, dass die Verletzungen auf einem veröffentlichten Foto nicht mit der offiziellen Dokumentation des Falles übereinstimmen.

Die drei Polizisten waren wegen Quälens eines Gefangenen verurteilt worden, nachdem sie am 7. April 2006 in einer Lagerhalle schwerst misshandelt hatten, weil er sich zuvor so heftig gegen seine Abschiebung nach Gambia gewehrt hatte, dass ihn der Pilot eines Passagierflugzeuges nicht mitnahm. Die Blutergüsse könnten nicht an diesem Tag entstanden sein, meinte nun Kobinia.

Drei der vier aus dem Polizeidienst entfernten Beamten haben ihre Geständnisse widerrufen. Als Begründung für die seinerzeit abgelegten Geständnisse nannten sie "mediale Hetze" und Vorverurteilung, Angst vor dem Amtsverlust und psychischen Druck. Außerdem sei ihnen in Aussicht gestellt worden, dass sie mit einem Geständnis Chancen auf eine milde Bestrafung hätten.

Beamte und Arzt nannten Details

Die damaligen Wega-Polizisten halten an ihrer ursprünglichen Verantwortung fest, offenbar bei einem Sturz im Zuge eines Fluchtversuchs verletzt habe. Im AKH wurde, wie Kobinia darlegte, neben Prellungen von Schulter und Hüfte sowie einer Zerrung der Halswirbelsäule eine Prellmarke oberhalb eines Auges im Ausmaß von zwei Zentimetern samt Abschürfung diagnostiziert.

Der Chirurg, der für sein Gutachten nach eigenen Angaben den damaligen Klinikbefund durchgelesen und mit Augenärzten besprochen hat, ortet "Ungereimtheiten". Die früheren Polizisten wiesen darauf hin, dass es sich im Fall von Bakary J. um eine sogenannte Problemabschiebung gehandelt habe, was von Anfang an klar war. An Ausrüstung habe man nur sogenannte Handschlaufen mitgenommen, nicht jedoch Waffen, Schlagstöcke oder Handfesseln.

Beamte sprachen ihrerseits von Attacke

Nach dem Abbruch der Abschiebung - J. war bereits im Flugzeug - habe man sich von Schwechat auf den Rückweg zum Polizeianhaltenzentrum (PAZ) gemacht. Man habe Bakary J. sogar in Aussicht gestellt, bei seiner Wohnung vorbeizufahren, um persönliche Dinge zu holen, da das Gepäck des Schubhäftlings in der Maschine war. J. selbst sei der irrigen Annahme gewesen, überhaupt zu seiner Familie zurückkehren zu dürfen.

Auf der Autobahn wurde einer der Beamten, der im VW-Transporter neben Bakary J. saß, nach eigenen Angaben von dem Mann heftig attackiert, so dass er ihn schließlich "im Fußraum fixiert" hat und fast auf ihm draufgekniet ist. In dieser gefährlichen Situation - Tempo 80 auf der A4, ein Anhalten wäre mit einem zu großen Risiko verbunden gewesen - entschied der Fahrer spontan, über die A23 und den Handelskai zu einer Übungshalle der Wega zu fahren, um J. dort die Hände zu fesseln. Zu Übergriffen sei es dort nicht gekommen. Auf dem weiteren Rückweg und bereits in unmittelbarer Nähe zum PAZ am Hernalser Gürtel habe Bakary zu entkommen versucht und sei vom Fahrer erwischt worden, wobei beide "relativ heftig" zu Sturz kamen.

Anwalt bezweifelt Widerruf-Gründe

Über den Wiederaufnahmeantrag der drei Ex-Polizisten wird ein Einzelrichter des Wiener Straflandesgerichts entscheiden. Wann dieser Beschluss fallen wird, sei "derzeit nicht vorhersehbar", so Gerichtssprecherin Christina Salzborn. Der Anwalt von Bakary J. bezweifelt indes die Gründe für den Widerruf der Polizisten-Geständnisse. Nikolaus Rast vermutet vielmehr Angst vor Regresszahlungen als Motiv und stellte die Frage in den Raum, warum wohl der vierte der 2006 verurteilten Polizisten bei seinem Geständnis bleibe.

APA/Red.