Österreich

City-Feuerteufel: Schöffensenat für Mordanklage

Heute Redaktion
Teilen

Am Donnerstag ist der Prozess gegen jenen 45-jährigen Brandstifter eröffnet worden, der am 16. April seine Wohnung am Hohen Markt in der Wiener City in die Luft gejagt hat. Seine Nachbarin (23) kam dabei ums Leben. Der Schöffensenat entschied auf Unzuständigkeit, da die Sachlage für eine Mordanklage spreche. Der OGH muss nun entscheiden, ob es bei der Anklage wegen Brandstiftung bleibt oder es zu einem Mordprozess kommt.

Am Donnerstag ist der Prozess gegen jenen 45-jährigen Brandstifter eröffnet worden, der am 16. April seine Wohnung am Hohen Markt in der Wiener City . Seine Nachbarin (23) kam dabei ums Leben. Der Schöffensenat entschied auf Unzuständigkeit, da die Sachlage für eine Mordanklage spreche. Der OGH muss nun entscheiden, ob es bei der Anklage wegen Brandstiftung bleibt oder es zu einem Mordprozess kommt.

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen Brandstiftung mit Todesfolge (Strafmaß: 5 bis 15 Jahre) erhoben. Rechtsanwältin Alexia Stuefer, die als Privatbeteiligte die Interessen der ums Leben gekommenen jungen Frau vertritt, sah dies anders.

Sie bescheinigte dem Angeklagten "eiskaltes Vorgehen". Der HTL-Absolvent und gelernte Techniker habe "ganz genau gewusst, was er tut und was es bedeutet, wenn er 15 Liter Benzin in einer Wohnung verschüttet. Hier sollte keine Feuersbrunst entstehen, sondern ein Großbrand", so Stuefer. Der angeklagte 45-Jährige hatte sich nicht schuldig bekannt. Er bot die bizarre Theorie auf, ein ihm Unbekannter habe einen Brandanschlag auf sein Leben verübt.

Schöffen für Mordanklage

Der Schöffensenat gab am Nachmittag Stuefer recht und sprach sich für eine Mordanklage aus. Gleichzeitig erklärten die Schöffen daher ihre Unzuständigkeit. Ein Mordprozess muss nämlich vor einem Geschworenengericht verhandelt werden.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) muss nun über die Zuständigkeit entscheiden. Teilt er die Ansicht des Schöffensenats, muss die Staatsanwaltschaft den 45-Jährigen wegen Mordes anklagen und es kommt zu einem Geschworenenprozess. Lehnt der OGH den Antrag des Schöffensenats ab, bleibt es bei der Anklage wegen Brandstiftung mit Todesfolge. Der Prozess wird bis zur Entscheidung des OGH unterbrochen.

Brandstiftung wegen Delogierung

Staatsanwalt Lepold Bien beschrieb den Angeklagten am Vormittag als einen Unternehmensberater, "der seine finanziellen Verhältnisse nicht im Griff gehabt hat". Der 45-Jährige verdiente eigenen Angaben zufolge jährlich zwischen 40.000 und 150.000 Euro im Jahr, lebte laut Staatsanwalt aber "in einem erheblichen Widerspruch zwischen Selbstdarstellung und realen Gegebenheiten". Der Mann residierte in teuren Innenstadt-Wohnungen. 2012 mietete er eine 140-Quadratmeter-Bleibe in der Habsburggasse an und wurde im Oktober 2013 delogiert, weil er die Miete nicht bezahlte.

Der Angeklagte übersiedelte in die Marc-Aurel-Straße, wo er in einem siebenstöckigen Eckhaus am Hohen Markt eine 130-Quadratmeter-Wohnung in der dritten Etage bezog. Den monatlichen Mietzins von 1.650 Euro beglich er ein einziges Mal. Die Vermieterin betrieb daher auf gerichtlichem Weg die Kündigung, die bewilligt wurde. Am 16. April sollte der verschuldete Mann - er stand mit insgesamt 40.000 Euro in der Kreide - um 7.00 Uhr delogiert werden.

"Er hat sich durch die Delogierung ungerecht behandelt erachtet. Er hat sich daher entschlossen, dass er die Delogierung nicht zulässt und die Wohnung vernichtet", führte der Staatsanwalt aus. Nachdem er die Nacht bei seiner Mutter verbracht hatte, soll er einige Stunden vor dem Delogierungstermin in seine Wohnung gegangen sein und dort 15 Liter Benzin verschüttet haben. Auch sein Kellerabteil suchte er auf, wo er laut Anklage weitere fünf Liter ausgoss. Danach soll er dafür gesorgt haben, dass sich in seiner Wohnung das Benzin-Luft-Gemisch entzündete.

Seite 2: 23-Jährige starb qualvoll in den Flammen

"Durch die Wand erdrückt und verbrannt"

Neben der Wohnung des Angeklagten wurde jene seiner unmittelbaren Nachbarin - eine 23 Jahre alte Akademikerin - verwüstet und zerstört. Die junge Frau, die schlafend im Bett lag, wurde von herabfallenden Mauerteilen getroffen. "Über ihr ist die Wand zusammengebrochen", schilderte Bien. Die Frau sei eingeklemmt worden und nach einem "Todeskampf" (Staatsanwalt) infolge einer Kompression des Brustkorbes "qualvoll erstickt. Sie ist durch die Wand erdrückt und verbrannt worden".

Angeklagter wartet mit Brandanschlag-Theorie auf

Der 45-Jährige will mit der Tat nichts zu tun haben. "Ich bekenne mich nicht schuldig." Auf ihn sei ein Brandanschlag verübt worden. Dass seine 23-jährige Nachbarin "zu Tode gekommen ist, ist ein Wahnsinn". Er vermute, dass jemand in die Wohnung eingedrungen sei, während er seinen Hund "Murphy" äußerln führte. "Feinde, die einen derartigen Schritt setzen, würden mir nicht einfallen", sagte er dem Richter.

Als er seine Wohnung aufsperren wollte, sei "die Explosion losgegangen", so der 45-Jährige. Er habe einen "Feuerball" wahrgenommen, sei zurückgeschleudert worden und im Stiegenhaus zu Sturz gekommen. Er habe sich "im Schock" entfernt und sei daher nicht zur Polizei gegangen, um Anzeige zu erstatten. Der Angeklagte erlitt nur leichte Verletzungen. Neben dem Todesopfer waren achte Verletzte zu beklagen. Die Mieter hatten Rauchgasvergiftungen erlitten.

Den Selbstmord-Versuch, den er unternommen hat, will er nicht als Schuldeingeständnis gelten lassen. Es habe sich dabei um eine "Kurzschluss-Reaktion" gehandelt, "weil ich durch den Brand mein ganzes Hab und Gut verloren habe". Das nahm ihm Richter Harald Kaml nicht ab: "Das ist doch kein Grund. Da müssten auch die ganzen Hausbewohner Suizid begehen", wandte er ein.

Anklage: "Inszenierter Selbstmordversuch"

Staatsanwalt Leopold Bien sprach von einem "inszenierten", eher halbherzigen Selbstmordversuch: Der Mann habe in einem Innenhof Räucherstäbchen angezündet, eine Champagnerflasche geöffnet und diese mitsamt Valium und Johanniskraut konsumiert. Zuvor hatte er seiner Mutter einen Abschiedsbrief hinterlassen.

Dass der Mann nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Brandstiftung mit Todesfolge zur Anklage gebracht wurde, erklärte Bien damit, dass diesem der Tötungsvorsatz "im Zweifel" nicht nachzuweisen sei. Auf Brandstiftung, die ein oder mehrere Menschenleben kostet, sieht das Strafgesetzbuch fünf bis 15 Jahre Haft vor. "Es gibt keinen Anlass, von der Höchststrafe abzuweichen", meinte Staatsanwalt Bien am Ende seiner Ausführungen.

Seite 3: Vertreter der Einsatzkräfte im Zeugenstand

Polizist: "Hat ausgeschaut wie im Krieg"

"Es hat ausgeschaut wie im Krieg. Als hätte eine Bombe eingeschlagen. Es war heiß, Feuer, Rauch. Wenn man zwei Schritte weiter gemacht hätte, hätte man die Kollegen nicht mehr gesehen", schilderte ein Polizist im Zeugenstand seine Eindrücke, als er am 16. April zu dem Großbrand in der Marc-Aurel-Straße gerufen wurde.

Sämtliche Fensterscheiben des betroffenen Wohnhauses seien geborsten, die Fensterrahmen teilweise herausgesprengt worden, beschrieb der Polizeibeamte. Glasscherben, Klimageräte, ein Kühlschrank, zahlreiche Elektrogeräte lagen auf der Straße. 30 Minuten hindurch krachten immer wieder Fassadenteile in die Tiefe.

Feuerwehr-Einsatzleiter: "Bild, das man nicht so schnell vergisst"

Der Einsatzleiter der Feuerwehr sprach als Zeuge von einem "sehr intensiven, großen, flächendeckenden Brand", der sich an mehreren Brandstellen gleichzeitig entwickelt habe. Der dritte Stock des Hauses sei im Vollbrand gestanden. Auch Fenster der gegenüberliegenden Gebäude seien zu Bruch gegangen.

Er sei seit elf Jahren bei der Feuerwehr: "Das war ein Bild, das man nicht so schnell vergisst." Es habe sich um eine "sehr zeitintensive Einsatzarbeit" gehandelt: "Die Brandbekämpfung war sehr schwierig. Das ganze Haus war zu evakuieren." 50 Personen seien mit Fluchtfiltermasken aus dem Haus gebracht worden. Unter einem Schuttkegel habe man schließlich die tote junge Frau gefunden.