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Cola in Bus sorgt für Terror-Prozess um 100.000 Euro

Der Terror-Verdacht erhärtete sich nicht, aber der Beschuldigte musste wegen versuchter Schreckung der Bevölkerung die Untersuchungskosten von rund 100’000 Franken tragen. Nun wurde er kostenlos freigesprochen.

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Weil jemand in einem Bus in Basel ein Cola trank, kam es zu einem 100.000-Euro-Prozess. Symbolbild.
Weil jemand in einem Bus in Basel ein Cola trank, kam es zu einem 100.000-Euro-Prozess. Symbolbild.
GEORGIOS KEFALAS / Keystone / picturedesk.com

Der Schweizer Kanton Basel bleibt auf einer Rechnung von über 100.000 Franken (etwa 102.000 Euro) sitzen, weil ein junger Mann eine Cola getrunken hat. Er muss die Terror-Untersuchung gegen ihn nicht bezahlen. Die Geschichte geht zurück ins Jahr 2017 und hängt mit einem der größeren (bekannten) Anti-Terror-Einsätze der Region zusammen. Damals hatte besagter junger Mann in einem Nachtbus so getan, als würde er mit dem Handy telefonieren und einen Terror-Anschlag vorbereiten. So zumindest der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die anderen Personen im Bus wurden hellhörig und riefen die Polizei. Die Behörden reagierten schnell. Keine Woche zuvor waren 23 Personen bei einem islamistisch motivierten Bombenangriff in der englischen Stadt Manchester getötet worden – darunter der Attentäter. Die Angst in der Schweiz war da, die Alarmbereitschaft hoch.

Die Einsatzkräfte schnappten sich den mutmaßlichen Telefon-Terroristen wenige Tage darauf, führten aufwendige Untersuchungen durch. "Die Behörden sind verpflichtet, es ernst zu nehmen", hielt das Strafgericht in seinem Urteil gegen den damals 26-Jährigen fest. Der Terror-Verdacht hatte sich jedoch nicht erhärtet. Lediglich wegen versuchter Schreckung der Bevölkerung brummte man ihm eine bedingte Geldstrafe von rund 3.000 Euro auf. Die entstandenen Verfahrenskosten von rund 102.000 Euro forderte das Gericht aber von ihm ein, weil er sie verursacht hatte.

Strafgericht wollte nichts von Krankheit wissen

Das Urteil hätte der Mann wohl noch akzeptiert, aber die Kosten hätten ihn wohl ruiniert. Darum focht er das Urteil an. Und hier kommt die Cola ins Spiel. Der 26-Jährige hatte im Ausgang eine getrunken, obwohl er das wegen einer Erkrankung nicht sollte. Der Zucker schlug in seinen empfindlichen Stoffwechsel ein und beschränkte seine Auffassungsgabe. Er begann, mit sich selber zu reden. Um das vor den anderen im Bus zu verstecken, tat er so, als würde er telefonieren, obwohl niemand am anderen Ende war. Zu diesem Schluss kam das Appellationsgericht in einem kürzlich veröffentlichten Urteil.

Schon das Strafgericht hatte die Erklärungen des damaligen Beschuldigten als «widersprüchlich» und «lebensfremd» bezeichnet. Dass seine Erkrankung etwas damit zu tun haben könnte, tat es jedoch als Schutzbehauptung ab. Das Appellationsgericht hingegen ließ den Mann psychiatrisch begutachten und glich das Resultat mit seiner Krankheitsgeschichte ab. Daraus ergab sich, dass die Krankheit sehr wohl schwerwiegende Auswirkungen auf seinen mentalen Zustand haben kann. Es sei nachvollziehbar, dass er das zu der Zeit weitverbreitete Gesprächsthema des Terror-Anschlags von Manchester in Selbstgesprächen verarbeitete und dabei in ein "eingeschliffenes Verhaltensmuster" verfiel und ein Telefonat vortäuschte.

Bruder erlitt bei Hausdurchsuchung Herzinfarkt

Weil der Mann in dem Zustand nicht wirklich Herr seiner Sinne war, könne man ihm nicht vorwerfen, er habe versucht, die Bevölkerung zu schrecken. Dazu haben ihm in dem Moment die mentalen Fähigkeiten gefehlt. Obwohl er eine Reaktion bei den Personen im Bus ausgelöst hat, tat er das nicht absichtlich. Der Versuch einer Fahrlässigkeit existiert im Strafrecht aber nicht, weil der Versuch immer einen Vorsatz braucht, der in diesem Fall nicht gegeben ist. Deshalb entschied das Appellationsgericht, im Grunde ein Berufungsgericht, für einen kostenlosen Freispruch.

Damit fallen die rund 100.000 Euro Untersuchungskosten zulasten des Staates. Auch mehrere Tausend Euro  Honorar für die amtliche Verteidigung muss der Kanton bezahlen, sowie die Verhandlungskosten. Zudem bekommt der Mann eine Genugtuung von 1.400 Franken (1.430 Euro). Denn er musste zwei Tage in Untersuchungshaft sitzen. Und sein an der gleichen Krankheit leidender Bruder hatte bei der Hausdurchsuchung einen nicht tödlichen Herzinfarkt erlitten.

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