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Corona macht Mochovce zur tickenden Zeitbombe

Heute Redaktion
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Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) will das AKW stoppen
Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) will das AKW stoppen
Bild: zVg

Dem slowakischen Schrott-Atomreaktor soll trotz gravierender Mängel die Betriebsbewilligung erteilt werden. Essentielle Arbeiten können wegen der Corona-Krise nicht ausgeführt werden.

Die Liste an Mängeln, die das Atomkraftwerk rund 200 Kilometer vor den Toren Wiens plagen, ist lang: Die Kühltürme Nummer 5 und 6 für den geplanten Atomreaktor 3 wurden im Herbst 2019 zerstört. Untersuchungen zu den Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes existieren nicht. "Das ist im 21. Jahrhundert mit den seit 9/11 bekannten Risiko-Szenarien natürlich inakzeptabel", betont Reinhard Uhrig von der Umweltschutzorganisation Global 2000.

Auch die Stadt Wien kämpft seit Jahren gegen das AKW Mochovce und hat immer wieder auf die gravierenden Sicherheitsmängel hingewiesen. "Die massiven Sicherheitsmängel sind nicht ausgeräumt. Es wäre unverantwortlich, die Blöcke unweit der österreichischen Grenze in Betrieb zu nehmen", warnt Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ).

Auswirkungen der Corona-Krise auf Mochovce

Tschechische Medien berichteten vor kurzem, dass Fachkräfte des Atomanlagen-Zulieferers SAG aus Brünn derzeit die Arbeiten in Mochovce nicht überwachen können. Arbeiter wandten sich an Lokalmedien mit der Sorge, dass in den dichten Warteschlangen vor den Zutritts-Kontrollen des AKW und auch bei der Temperaturmessung in der Schleuse kein Abstandhalten möglich sei und die hygienischen Bedingungen eine Ausbreitung des Virus jederzeit möglich machen würden. Wie unter diesen Umständen die finale Reparatur und die endgültigen Tests vor Betriebsbeginn des ersten Atomreaktors in Europa seit 2008 gelingen sollen, ist völlig unklar.

AKW Mochovce:
Über den Bau den Kernkraftwerks, das nahe dem slowakischen Dorf Mochovce zwischen den Städten Nitra und Levice rund 120 Kilometer von Bratislava entfernt liegt, wurde von der damaligen tschechoslowakischen Regierung 1978 entschieden. Der Bau begann 1985.

Das Kernkraftwerk besteht aus zwei in Betrieb befindlichen Blöcken mit einer Leistung von jeweils rund 440 MW, sowie zwei in Bau befindlichen Blöcken.

Am 5. März 1993 wurde am gesamten Kernkraftwerk ein Baustopp angeordnet, der alle vier Blöcke betraf. Der Bau von Block 1 und 2 wurde am 14. Mai 1996 reaktiviert, der Bau von Block 3 und 4 am 11. Juni 2009.

Für 2019 ist die Inbetriebnahme der beiden weiteren Reaktoren geplant.

„Das einzig seriöse Vorgehen für die slowakische Atomaufsicht ist jetzt, das Inbetriebnahme-Verfahren für Mochovce 3 auszusetzen und keine Betriebserlaubnis zu erteilen, da die essentiellen Anlagen überhaupt nicht einsatzbereit und getestet sind – und das während der Corona-Krise auch unmöglich ist", betont Uhrig.

Appell an die Bundesregierung

Sowohl Sima als auch Global 2000 appellieren an Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der Sache aktiv zu werden. Gewessler soll sich bei ihrem slowakischen Kollegen Richard Sulík und der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) einzusetzen, fordert Uhrig. " Die österreichische Bundesregierung muss umgehend aktiv werden", fordert Sima.