Politik

Fix: Diese Coronaregeln der Regierung sind gesetzwidrig

Das allgemeine Betretungsverbot, das die Bundesregierung im Rahmen ihrer Corona-Maßnahmen verordnet hatte, ist laut VfGH teilweise gesetzwidrig.

Roman Palman
Teilen
Der österreichische Verfassungsgerichtshof in Wien
Der österreichische Verfassungsgerichtshof in Wien
picturedesk.com/Willfried Gredler-Oxenbauer

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat nach zahlreichen Beratungen weitere Entscheidungen zu den Gesetzen bzw. Verordnungen im Rahmen der Coronavirus-Maßnahmen der Bundesregierung gefällt. Einige der in Kritik geratenen Maßnahmen sind demnach verfassungskonform, andere wiederum allerdings gesetzwidrig. Die wichtigsten Erkenntnisse sind nach Angaben des VfGHs demnach:

➤ Es ist verfassungskonform, dass das Covid-19-Maßnahmengesetz – anders als das Epidemiegesetz 1950 – keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbots geschlossen wurden

➤ Die gesetzliche Grundlage für Betretungsverbote in Bezug auf Betriebsstätten, Arbeitsorte und sonstige bestimmte Orte ist ebenso verfassungskonform

➤ Das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m2 war gesetzwidrig

➤ Teilweise gesetzwidrig war auch die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte

Einige angefochtene Bestimmungen waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH bereits außer Kraft. Hier stellt das Gericht in weiterer Folge fest, dass das rechtliche Interesse eines Antragstellers, eine verbindliche Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit von Bestimmungen zu erwirken, über den relativ kurzen Wirkungszeitraum der Bestimmungen hinausreichen kann.

Anträge und Beschwerden betreffend COVID-19 treffen seit Ende März laufend am VfGH ein; zwischen dem Einlangen und der Erledigung liegen bisher im Durchschnitt etwa zweieinhalb Monate. Von den rund 70 Fällen, die bis zum Beginn der Beratungen im Juni eingelangt waren, sind nun 19 erledigt.

1
Die Entscheidungen des VfGH im Detail

Entfall der Entschädigung für Verdienstentgang

Das COVID-19-Maßnahmengesetz vom März 2020 sieht für Unternehmen, die von einem Betretungsverbot für Betriebsstätten betroffen sind (siehe Verordnung BGBl. II 96/2020), keinen Anspruch auf Entschädigung vor. Dagegen hatten sich u.a. ein Großhändler für Haushalt, Büro und Spielwaren, eine Warenhandelsgesellschaft mit Sitz in Wien sowie eine Textilhandelsgesellschaft, ebenfalls mit Sitz in Wien, gewendet.

Der nicht vorhandene Anspruch auf Entschädigung verstößt, so der VfGH, weder gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz: Zwar kommt ein Betretungsverbot für Betriebsstätten in seiner Wirkung für die betroffenen Unternehmen einem Betriebsverbot gleich und bildet insofern einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht. Dieses Betretungsverbot war und ist allerdings in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet. Dieses zielt darauf ab, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbotes auf die betroffenen Unternehmen bzw. im Allgemeinen von Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern. So hatten bzw. haben betroffene Unternehmen insbesondere Anspruch auf Beihilfen bei Kurzarbeit und auf andere finanzielle Unterstützungsleistungen.

Differenzierung zwischen Bau- und Gartenmärkten

Nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz kann der zuständige Bundesminister durch Verordnung (auch) das Betreten von Betriebsstätten oder von bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Der VfGH hat aus dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes für Gesetze keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Verordnungsermächtigung des § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz. 
Hingegen befindet der VfGH Teile des § 2 Abs. 4 (insbesondere die Voraussetzung „wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt“) der Verordnung des Gesundheitsministers für gesetzwidrig, und zwar aus folgenden Gründen:

Der – in diesem Fall zuständige – Gesundheitsminister muss zum einen nachvollziehbar machen, auf Basis welcher Informationen er die Verordnungsentscheidung und die gesetzlich vorgegebene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen getroffen hat. Aus dem Verordnungsakt ist aber nicht ersichtlich, welche Umstände im Hinblick auf welche Entwicklungen von COVID-19 den Gesundheitsminister bei seiner Entscheidung geleitet haben.

Die angefochtene Regelung bedeutete zum anderen eine Ungleichbehandlung von Geschäften mit mehr als 400 m2 gegenüber vergleichbaren Betriebsstätten, insbesondere von Bau- und Gartenmärkten. Diese waren ohne Rücksicht auf die Größe ihres Kundenbereiches vom Betretungsverbot ausgenommen. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist für den VfGH nicht erkennbar

Da die Vorschrift mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten ist, hatte sich der VfGH auf die Feststellung zu beschränken, dass diese Vorschrift gesetzwidrig war. Der VfGH sprach auch aus, dass die Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist.

Keine gesetzliche Grundlage für allgemeines Betretungsverbot

§ 2 COVID-19-Maßnahmengesetz sieht vor, dass beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden kann, „soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist“. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.

Gegen § 2 COVID-19-Maßnahmengesetzes bestehen, so der VfGH, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil er eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für allfällige – durch Verordnung zu erlassende – Betretungsverbote bietet und damit dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip entspricht. Bei dieser Entscheidung sind die Behörden jedoch an die Grundrechte gebunden, insbesondere an das Recht auf persönliche Freizügigkeit. Einschränkungen dieses Rechtes sind nur dann zulässig, wenn sie einem legitimen öffentlichen Interesse (wie dem Gesundheitsschutz) dienen und verhältnismäßig sind.

Der VfGH hat entschieden, dass die Bestimmungen der §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung gesetzwidrig waren, weil die Grenzen überschritten wurden, die dem zuständigen Bundesminister durch § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gesetzt sind. Mit der Verordnung wurde nicht bloß das Betreten bestimmter, eingeschränkter Orte untersagt. Die Ausnahmen in § 2 der Verordnung ändern nichts daran, dass § 1 der Verordnung „der Sache nach als Grundsatz von einem allgemeinen Augangsverbot ausgeht.“ Ein derart umfassendes Verbot ist aber vom COVID-19-Maßnahmengesetz nicht gedeckt. Dieses Gesetz bietet keine Grundlage dafür, eine Verpflichtung zu schaffen, an einem bestimmten Ort, insbesondere in der eigenen Wohnung, zu bleiben.