Österreich

Dank Therapie kann gelähmte Yvonne in die Pedale treten

2020 erlitt Yvonne F. eine Querschnittlähmung. Dank intensiver Therapie spürt die 17-Jährige nun ihre Beine. Ihr Ziel: Wieder gehen zu können!

Christine Ziechert
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Yvonne F. (hier mit Physiotherapeut Constantin Perner) kann trotz Querschnittlähmung wieder radeln.
Yvonne F. (hier mit Physiotherapeut Constantin Perner) kann trotz Querschnittlähmung wieder radeln.
Sabine Hertel

Der 23. Juli 2020 veränderte Yvonne F.'s Leben für immer. Die damals 16-Jährige war mit ihrem Freund Marcel im Auto auf dem Weg zu einem See, als ihnen in Schwechat (NÖ) ein Lenker den Vorrang nahm und in sie hinein krachte: "Ich war nach dem Unfall im Schock, habe aber alles mitbekommen. Ich wollte aussteigen, aber es hat nicht funktioniert. Ich hab' zu meinem Freund gesagt: 'Hilf' mir raus, ich kann meine Beine nicht bewegen.' Ich hatte irrsinnige Rückenschmerzen", erzählt die gebürtige Wienerin, die nun mit ihrem Freund in Schwechat lebt. 

Mit dem Rettungshubschrauber wurde die damalige Schülerin ins nächstgelegene Spital geflogen. Im Krankenhaus bekam sie dann die erschütternde Erst-Diagnose komplette Querschnittlähmung (die sich später als inkomplette herausstellte, Anm.): "Ich hatte ab dem Bauchnabel kein Gefühl mehr. Ein bisschen habe ich noch in den vorderen Oberschenkeln gespürt, den Rest der Beine aber überhaupt nicht", erinnert sich die 17-Jährige.

"Zwei Dinge sind bei unserer Therapie entscheidend: Die Wiederholungszahl und die individuell angepasste Intensität" - Florian Zupan, Home4Motion

Nach drei Monaten im Spital absolvierte die Wienerin eine fünfmonatige Reha. Anschließend stand Physiotherapie am Programm: "Mein Freund Marcel hat dann recherchiert und ist auf das Therapiezentrum Home4Motion gestoßen", berichtet Yvonne F.

Das Therapiezentrum mit Standorten in Graz und Wien-Meidling (ein dritter ist in Wien-Donaustadt geplant, Anm.) ist auf Menschen mit neurologischen Bewegungs-Einschränkungen spezialisiert, etwa nach einem Schlaganfall, bei einer Querschnittlähmung, Parkinson oder Multipler Sklerose. Unterstützt von einem Physiotherapeuten werden an Computer- und Robotik-gestützten Therapiegeräten Bewegungsabläufe wiederholt: "Bei unserer Therapie kommt es auf zwei Sachen an: Erstens die Wiederholungszahl und zweitens die individuell angepasste Intensität. Man muss Reize setzen, damit etwas weitergeht. Dann bahnen sich die Nerven neu an", erklärt Home4Motion-Gesellschafter Florian Zupan. 

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    Nach einem Unfall im Jahr 2020 erhielt Yvonne F. (18) die Diagnose Querschnittlähmung.
    Nach einem Unfall im Jahr 2020 erhielt Yvonne F. (18) die Diagnose Querschnittlähmung.
    Sabine Hertel

    Beim ersten Training war Yvonne den Tränen nahe

    Durch einen spielerischen Zugang mittels Games wie etwa fallende Äpfel mit einem Korb aufzufangen, werden die Erfolge für den Patienten direkt auf einem Bildschirm sichtbar: "Die Geräte zeichnen alles auf, die Daten werden direkt analysiert. So können wir auswerten und zeigen, wo die größte Schwäche ist und wo wir gezielt stärken müssen", meint Zupan. Eine Einzelstunde kostet 110 Euro, etwa die Hälfte davon übernimmt die ÖGK. Immer wieder finanzieren auch Vereine Intensiv-Therapien (Kosten: rund 4.000 Euro) für Klienten.

    Anfang Mai 2021 startete auch Yvonne F. ihre Therapie am Standort in Wien, trainiert dort seitdem rund 90 Minuten pro Woche: "Als sie erstmals auf unserem Gangtherapie-Trainer 'Perpedes' ging, war sie den Tränen nahe. Sie konnte sich das erst Mal seit dem Autounfall in einer vollständig aufgerichteten Körperhaltung gehend im Spiegel betrachten. Zu Beginn musste dabei über den Tragegurt noch das gesamte Körpergewicht abgenommen werden. Im Sommer konnte sie schon 20 Kilogramm selbst übernehmen, und heute sind es sogar schon 24 Kilogramm", erklärt Zupan.

    "Es hat sich seit dem Training so viel getan. Meine Tiefensensibilität ist besser, meine Oberschenkel viel stärker geworden. Mir geht mein Herz auf, wenn ich sehe, dass was weitergeht" - Yvonne F.

    Im Sommer nahm Yvonne dann zusätzlich an einer zweiwöchigen Intensiv-Therapie in Graz teil, stärkte Becken-, Hüft-, Bein- und Rumpfmuskulatur. Das konsequente Training, ihr eiserner Wille und ihr Durchhaltevermögen wirkten wahre Wunder. Denn nach dem Unfall hatte die 17-Jährige kaum Gefühl in den Beinen, nun spürt sie Ober- und Unterschenkel, Knöchel und sogar ihre Zehen wieder: "Es hat sich seitdem so viel getan. Meine Tiefensensibilität ist besser, meine Oberschenkel sind viel stärker geworden. Mir geht mein Herz auf, wenn ich sehe, dass was weitergeht", freut sich die Wienerin, die die Schule abgebrochen hat und nun eine Lehre als Verwaltungsassistentin beim Bundesheer absolviert.

    Auch beim Gangphasen-Trainer ist ein Effekt spürbar: In der ersten Einheit wurden Yvonne's Beine nur passiv bewegt. Heute kann die 17-Jährige schon minutenlang selbstständig in die Pedale treten, die Kraft in den Beinen wird immer weiter verbessert: "Mein Physiotherapeut hat zuerst geglaubt, es ist ein technischer Fehler, war es aber nicht. Manche Erfolge kommen eben schleichend, andere sind manchmal einfach da", lacht die Wienerin.

    "Mein Ziel ist es, dass ich wieder gehen kann" - Yvonne F.

    Das Leben von Yvonne F. hat sich seit dem Unfall um 180 Grad gedreht. Die sportliche Jugendliche, die früher oft ins Fitness-Studio ging, Volleyball spielte und mit der Oma gerne wandern ging, ist (noch) auf den Rollstuhl angewiesen: "Mein Ziel ist es, dass ich wieder gehen kann. Egal, ob mit Rollator oder Stöcken. Das Wichtigste ist, niemals aufzugeben und niemals die Hoffnung zu verlieren!"