Multimedia

Das schreibt China über das TikTok-Drama

Mit Google Translate bewaffnet haben wir uns durch verschiedenste chinesische News-Websites gekämpft, um die TikTok-Nachrichten zu sammeln.

20 Minuten
Teilen
TikTok soll in den USA gesperrt werden. Das sagt China dazu.
TikTok soll in den USA gesperrt werden. Das sagt China dazu.
Reuters

Vor genau einem Monat äußerte US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal seine Absicht, die chinesische Kurzvideo-App Tiktok in den USA sperren zu lassen. Seither tauchen täglich neue Schlagzeilen und Informationen auf, die die neuesten Entwicklungen vermelden.

Die meisten dieser Informationen kommen allerdings direkt aus den USA. Wie China zu diesem Thema steht, ist für Personen, die sich hauptsächlich in der europäischen Medienlandschaft bewegen und kein Chinesisch sprechen, schwierig zu beurteilen. Wir haben dennoch versucht, herauszufinden, an welche Informationen eine solche Person gelangen kann, die nur mit Tools wie Google Translate gewappnet auf die Suche durch das Internet geht.

Ökonomische Interessen

Als Erstes fiel auf, dass einige News-Seiten überhaupt nicht über das Thema berichten. Ob dies Absicht ist oder schlichtweg andere Themen als wichtiger erachtet werden, ist nicht abzuschätzen. Dennoch finden sich auf einigen Websites Nachrichten, die je nach Quelle mal besser und mal schwieriger zu entziffern sind.

"The Economic Observer" aus China schätzt die Lage folgendermassen ein (direkt von Google Translate übersetzt):

"Gegenwärtig haben amerikanische Eliten drei Einstellungen zu TikTok: Zum einen wollen die Falken im Weißen Haus sie unter dem Vorwand der Sicherheit töten und sie vollständig aus dem amerikanischen Markt herausziehen, zum anderen haben Konkurrenten wie Facebook TikTok plagiiert. Es diskreditiert weiterhin im Namen des Pseudopatriotismus und veranlasst die Regierung, TikTok zu vertreiben. Drittens wollen Investoren an der Wallstreet und im Silicon Valley das Feuer nutzen und dieses begehrte Stück Fett zu einem niedrigen Preis erhalten."

Auch wenn sich gewisse Passagen nach der Übersetzung mit Google Translate etwas kryptisch lesen, geht daraus doch hervor, dass aus chinesischer Sicht angenommen wird, dass zu einem großen Teil ökonomisches Interesse hinter dem potenziellen Aquirieren von TikTok durch Microsoft steht. Denn bei der App handle es sich um "die schnellste globale mobile Internetanwendung in der Geschichte mit 100 Millionen registrierten Benutzern".

Programmiert worden sei sie von außergewöhnlichen Menschen: "Der Kernwert von TikTok liegt in seinem einzigartigen Algorithmus, der ein Produkt künstlicher Intelligenz ist, einschließlich der Weisheit chinesischer Ingenieure und Programmierer, und über hochwertige Rechte an geistigem Eigentum verfügt", heißt es.

Der Zwang, den die USA nun auf diese Schaffer ausübten, sei daher nur zu verurteilen:

"Es sind die Vereinigten Staaten, die ihre eigenen Werte verletzen und chinesische Unternehmen dazu zwingen, Technologie in die Vereinigten Staaten zu transferieren."

Beweggründe unverständlich

Ebenfalls in diesem Artikel festgehalten wird, dass die amerikanischen Beweggründe für eine mögliche Sperrung von TikTok völlig unverständlich seien. Denn: "Alle privaten Daten von TikToks US-Nutzern werden in den USA gespeichert und können nicht übertragen werden. Das Management von TikTok US über normale Mitarbeiter besteht ausschließlich aus Amerikanern, und US-amerikanische Investoren besitzen ebenfalls einen beträchtlichen Anteil am Eigenkapital."

Screenshot "The Economic Observer"
Screenshot "The Economic Observer"

Dies wird auch von TikTok-Eigentümer Bytedance immer wieder betont. Das Unternehmen hat sich in der letzten Zeit stets bemüht, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. TikTok versichert gegenüber internationalen Medienagenturen immer wieder, Chinas Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Daten von US-Nutzern würden sowieso in den USA gespeichert und verarbeitet. In China selbst gebe es nur die zensierte Version der App, Douyin.

1/6
Gehe zur Galerie
    800 Millionen Menschen nutzen regelmäßig die Videoplattform Tiktok. Die chinesische App liest dabei mit, was die Nutzer in der Zwischenablage ihres Handys haben.
    800 Millionen Menschen nutzen regelmäßig die Videoplattform Tiktok. Die chinesische App liest dabei mit, was die Nutzer in der Zwischenablage ihres Handys haben.
    Reuters

    Mentalität eines "Schurkenstaates"

    Starke Worte findet ein Artikel in der Zeitung "Guangming". Was die USA mit einem chinesischen Unternehmen anstellten, sei "reines Mobbing", heißt es dort. Washington verstoße hierbei "gegen die Grundsätze einer offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Marktwirtschaft und die Grundsätze der Welthandelsorganisation". Dem stimmt auch ein Autor auf "Cankaoxiaoxi" zu und schreibt: "Die Mobbing-Diplomatie wird immer schlimmer. Die Vereinigten Staaten vertreten die Mentalität: Wer mir gehorcht, wird gedeihen, und wer sich mir widersetzt, geht zugrunde."

    So übten die USA schon länger Druck auf andere Staaten aus, zu denen nicht nur China, sondern unter anderem auch der Iran, Russland und "Verbündete wie Deutschland und Südkorea" gehörten. Denn: "Es scheint, dass die Vereinigten Staaten ohne einen Feind nicht überleben können." Weiter heißt es:

    "Der US-Außenminister Pompeo und andere versuchen, die sogenannte 'freie Welt' gegen China zu gewinnen und eine Erklärung im Stil des Kalten Krieges gegen China abzugeben. Die Mentalität eines 'Schurkenstaates' ist völlig entlarvt."

    Dies gehe weit über das Thema TikTok hinaus: "Tatsächlich haben die Vereinigten Staaten nie aufgehört, Lügen und Verwirrung auf der internationalen Bühne zu verbreiten. Dies ist das jüngste Beispiel. Ganz zu schweigen davon, dass es auch einige amerikanische Politiker gibt, die immer vom 'chinesischen Virus' sprechen."

    Frist von 45 Tagen

    Das Resultat dieses kleinen Google-Translate-Experiments zeigt schließlich, wie schwierig es ist, sich von außerhalb im chinesischen Mediensystem zurechtzufinden. Hierbei hilft auch der beste Online-Übersetzer nicht weiter, denn News-Titel wie "Trumps Abakus ist perfekt, um TikTok mit mehreren Vögeln zu ernten" scheinen für das ungeübte Auge und jemanden, der der Sprache nicht mächtig ist, doch sehr kryptisch.

    Klar ist, dass China und die USA möglichst bald eine Übereinkunft finden müssen, denn die Frist, die der US-Präsident für die Sperrung von TikTok gesetzt hat, läuft in 45 Tagen aus. Danach sei es US-Bürgern nicht mehr erlaubt, "Geschäfte" mit Bytedance abzuschließen. In den US-Medien heißt es, die App stelle eine Bedrohung der nationalen Sicherheit dar. Die App sammle große Mengen an Nutzerdaten und könne es der Kommunistischen Partei Chinas ermöglichen, Amerikaner auszuspionieren.