Szene

Der Stier auf der Bühne ist nur die Spitze des Eisbe...

Regisseur Jean-Stéphane Bron hatte nichts mit der Oper am Hut - bis er eine ganze Saison am Pariser Haus für seine Doku festhielt.

Heute Redaktion
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Ein Stier als Statist, ein Chor, der lieber in der Diagonale als im Viereck aufgestellt wäre und Bühnennebel, der wegen der Sänger am Boden entlang eingeblasen werden muss. Hinter den Kulissen des Pariser Opernhauses geht es um Kunst, Leistung aber auch um Begehrlichkeiten und Befindlichkeiten von der Gewerkschaft bis zum Ballettdirektor.

Mäuschen an der (Stall- und Chefbüro-)Wand

Jean-Stéphane Bron ging völlig unbeleckt in eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt. Den Direktor durfte er beim geheimen Telefonat mit dem Kulturministerium filmen, den neuen Bass-Bariton bei seiner ersten Kostümanprobe. Mit der Primaballerina war er bei der Probe, mit dem Nachwuchs beim Konzert, bei dem die Eltern zuschauten. Den Stier besuchte er am Hof, wo er mit klassischer Musik beschallt wird, um ihn auf seinen Auftritt auf der Bühne vorzubereiten. Auch die Ängste des Chors, dass der Stier vielleicht auf der Bühne durchgehen könnte, sind festgehalten.

Superstar oder Putzfrau: Ohne sie geht es nicht

Auch Superstars der Branche, sowohl zu Gast an der Oper (Jonas Kaufmann) als auch dort fix angestellt (Natalie Portmans Mann und Ballettchef Benjamin Millepied) werden als Rädchen im großen Ganzen gezeigt. Bron wollte jedoch ausdrücklich "keine Hierarchie zwischen Figuren einführen. Ich wollte für alle dieselbe Aufmerksamkeit und knüpfte dabei an bei einer der Charakteristiken der veristischen italienischen Oper

des 19. Jahrhunderts, wo allen Figuren, ob groß oder klein, dieselbe Aufmerksamkeit geschenkt wird."

Wieviel schwitzt eine Diva auf der Bühne?

Die noble Fassade, die man vom Zuschauerraum aus mitbekommt, ist nur die Spitze des Eisbergs. Hinter der Bühne tut sich viel mehr, als der Zuschauer und sogar der einzelne Mitarbeiter mitbekommt. Der Filmemacher setzt auf ungewöhnliche Szenen. Die Ladys von der Maske, die diskutieren wieviel die Diva in welcher Szene schwitzt und die Regie, die die Opernarien zum Gaudium der Kollegen mitträllern. In einer Szene quälen sich die Sänger bei den Proben zum "Meistersinger von Nürnberg" mit der richtigen Aussprache des Wörtchens "Wurst".

Zwischen Anschlägen, Streik und persönlichen Befindlichkeiten

Bron hat mit der Herbstsaison 2015 einen Wendepunkt an der Oper festgehalten. Ballettmeister Benjamin Millepied stand - was damals noch keiner wusste - kurz vor dem Abgang, Operndirektor Stephane Lissner fing gerade an (die Vorbereitung auf seine erste Pressekonferenz ist eine Schlüsselszene). Ein riesiger Streik legte in Frankreich die Arbeitswelt - und zum Teil auch die Oper - lahm. Die Anschläge unter anderem während eines Konzerts im Bataclan mit 130 Toten und 683 Verletzten entsetzte Europa und erschütterte die französische Kulturszene.

Blick hinter die edle Fassade zahlt sich aus

Jean-Stéphane Bron drehte eine ungewöhlich lange Zeit an der Pariser Oper, die für ihn anfangs ein unbekanntes Territorium war. Das Resultat ist ein Blick, der hinter auf Hochglanz polierte Fassaden und edles Gehabe schaut. "Oper" ("L'Opéra de Paris") ist deshalb nicht nur für Fans, sondern auch für jene geeignet, die nicht einmal ahnen, dass sie welche werden könnten. (lam)

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