Viele Kinder kommen in den 1960er- und 1970er-Jahren mit Missbildungen auf die Welt. Eines haben sie gemeinsam: Ihre Mütter haben das Mittel Duogynon als Schwangerschaftstest bekommen. Eines dieser Kinder ist Andre Sommer. Er kam 1976 auf die Welt. Seine Blase befindet sich außerhalb seines Körpers. Er musste schwere Operationen überstehen, hat einen künstlichen Blasenausgang. Er will die Verantwortlichen für seine Missbildung ausfindig machen. Eigentlich ist Duogynon von der Firma Schering in den 1960er- und 1970er-Jahren ein Hormonpräparat, dass bei Menstruationsbeschwerden eingesetzt wird. Frauenärzte verabreichen es auch gern als Schwangerschaftstest. Lösen die eingenommenen Hormone keine Blutungen aus, weiß die Frau, dass sie schwanger ist. Was die zugeführten Hormone bei den Föten anrichten - daran denkt niemand. Unterm Ladentisch wird Duogynon außerdem als Mittel zum Schwangerschaftsabbruch gehandelt. Seitdem Andre Sommer weiß, dass auch seine Mutter das Mittel eingenommen hat, lässt er nicht mehr locker. Er gründet eine kleine Selbsthilfegruppe, baut eine Internetseite, stellt sie ins Netz. Er bekommt Tausende von Zuschriften von besorgten Mütter, Menschen mit Missbildungen. 2010 geht er vor Gericht. Er will den Pharmakonzern Bayer auf Akteneinsicht verklagen und eine Stiftung für die Duogynon-Opfer einrichten lassen. Die Bayer AG hat die Firma Schering aufgekauft und ist jetzt der Rechtsnachfolger. Doch Andre Sommer kommt zu spät. Bayer will keine Akteneinsicht gewähren und schon gar nicht zahlen. Der Pharmakonzern verweist darauf, dass die Geschichte längst verjährt ist. Tatsächlich gibt es in Deutschland eine Verjährungsfrist für solche Fälle: Nach 30 Jahren ist Schluss. Und obwohl Andre Sommer Hinweise hat, dass die Firma Schering wusste, welche Gefahr von Duogynon ausgeht, obwohl er nachweisen kann, dass Wissenschaftler bezahlt wurden, um gefällige Studien zu schreiben, lehnt das Gericht eine Beweisaufnahme ab. Und Bayer bleibt hart: Ein Beweis, dass Duogynon für die Missbildungen verantwortlich ist, sei nie erbracht worden. Andre Sommer ist verzweifelt und gibt auf. Doch plötzlich tauchen Dokumente auf, interner Schriftverkehr der Firma Schering. 20 Ordner voller Briefe, Anweisungen, Tierstudien. Jahrelang schlummerten sie in einem Archiv. Sie belegen, dass Schering damals gewusst hat, welche Gefahr von Duogynon ausgeht - und dass Schering alles getan hat, um das zu vertuschen. Andre Sommer nimmt den Kampf wieder auf. Er erfährt, dass es in Großbritannien einen Untersuchungsausschuss zu Primodos - der englische Name für Duogynon - gibt. In England sind die Verjährungsfristen anders. Der Rechtsweg steht dort noch immer offen. Andre Sommer fährt nach England und entdeckt Hinweise, die den Fall in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen. Redaktionshinweis: Risiken und Nebenwirkungen der Medizin - das "3sat thema: Medizinskandale" blickt am Mittwoch, 6. September, auf die Machenschaften der Pharmakonzerne.