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Deshalb ist Loredana im Kosovo statt in U-Haft

Wie kann es sein, dass sich Loredana trotz der massiven Betrugsvorwürfe in den Kosovo absetzt? Ein Strafrechtsanwalt erklärt.

Heute Redaktion
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Die Rapperin Loredana wird beschuldigt, einem Walliser Ehepaar 700.000 Franken, rund 616.000 Euro, abgenommen zu haben. Das enthüllte "20 Minuten" diese Woche. Am Dienstagabend nahm die Luzerner Polizei die Musikerin fest und durchsuchte ihre Wohnung.

Die Staatsanwaltschaft Luzern hat eine Untersuchung wegen Verdachts auf Betrug eingeleitet. Für Loredana Zefi gilt die Unschuldsvermutung. So konnte sie am Donnerstagnachmittag gemeinsam mit ihrem Mann Mozzik ungehindert in den Kosovo ausreisen. Warum das so ist, erklärt Strafverteidiger Silvio Oscar Mayer von der Kanzlei imkp.

Herr Mayer, wie kann es sein, dass Loredana unbehelligt mit ihrem Mann das Land verlassen kann?

Silvio Oscar Mayer: Loredana war lediglich in Gewahrsam, aber nicht in Untersuchungshaft. Das bedeutet, Loredana kann sich frei bewegen, das Land auch verlassen, muss sich aber den Strafverfolgungsbehörden jederzeit zur Verfügung halten.

Warum hat denn die Staatsanwaltschaft keine Untersuchungshaft beantragt?

Für eine Untersuchungshaft muss neben einem dringenden Tatverdacht zusätzlich ein besonderer Haftgrund gegeben sein: Es muss Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr bestehen. Offenbar sind diese Bedingungen nicht gegeben, sonst hätte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmaßnahmengericht einen Antrag auf Untersuchungshaft gestellt. Unsere Staatsanwaltschaften stehen nicht im Ruf, bei der Beantragung der U-Haft zurückhaltend zu sein. Grundsätzlich werden meines Erachtens hierzulande eher mehr Betroffene in Untersuchungshaft genommen als nötig. Falls Loredana dennoch untertaucht, käme die Staatsanwaltschaft bei der Bevölkerung wohl in Erklärungsnot.

"Das Ehepaar muss sich auf jeden Fall auf einen langen Weg einstellen, so ein Verfahren kann Monate bis Jahre dauern."

Zahlreiche Screenshots von Nachrichten und andere Dokumente weisen aber deutlich darauf hin, dass das Ehepaar der Rapperin und ihrem Bruder Geld gegeben, aber nicht zurückerhalten hat.

Die Staatsanwaltschaft hat anscheinend Untersuchungen wegen des Verdachts auf Betrug aufgenommen. Ob es zu einem Urteil kommt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Zunächst wird eine Strafuntersuchung geführt, in der die Beweismittel erhoben und zahlreiche Einvernahmen durchgeführt werden. Ein eigentlicher schriftlicher Vertrag, zum Beispiel über ein Darlehen, liegt meines Wissens nicht vor, das würde in zivilrechtlichen Angelegenheiten vieles erleichtern. Die vorliegenden Whatsapp-Nachrichten sind juristisch möglicherweise nicht eindeutig. Das Ehepaar muss sich auf jeden Fall auf einen langen Weg einstellen, so ein Verfahren kann Monate bis Jahre dauern.

Kann es sein, dass Loredana straffrei davonkommt?

Ja, beispielsweise dann, wenn die Voraussetzungen des Betrugstatbestandes wie etwa die Arglist nicht erfüllt sind und auch kein anderer Tatbestand in Frage kommt. Für eine Prognose ist es jedoch viel zu früh. Es darf nicht vergessen werden, dass für Loredana im Moment die Unschuldsvermutung gilt. Die Staatsanwaltschaft ist nun für die Aufklärung verantwortlich. Sollte das Strafverfahren gegen Loredana eingestellt werden oder ein Gericht Loredana freisprechen, bliebe dem geschädigten Ehepaar nur noch der zivilrechtliche Weg.

Was bedeutet das?

Das Ehepaar kann eine Forderungsklage erheben Dieser Weg ist aber aus Sicht der Kläger deutlich aufwendiger als die direkte Forderungseingabe in einem laufenden Strafverfahren. Würde das Strafverfahren zu einer Verurteilung Lordanas führen, könnte das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auch über die Zivilforderung des Ehepaares entscheiden.

Was passiert, wenn Loredana im Kosovo bleibt oder dort untertaucht?

Ich halte noch einmal fest, dass für Loredana die Unschuldsvermutung gilt und sie grundsätzlich nicht verpflichtet ist, sich in der Schweiz aufzuhalten. Wenn jedoch die Schweizer Behörden ein Auslieferungsgesuch stellen sollten, müsste Kosovo darüber entscheiden. Loredana könnte sich juristisch dagegen wehren, und sie ist keine Schweizer Bürgerin. Somit wäre es fraglich, ob ein solches Auslieferungsbegehren erfolgreich wäre. Die Schweizer Behörden können Loredana allerdings zur Verhaftung ausschreiben, wenn es hierfür Gründe gibt. Sobald sie dann in die Schweiz einreisen würde, könnte sie festgenommen werden.

Der Auftritt Loredanas bei einer Pressekonferenz in Pristina. (20 Minuten)

Kurz nach Loredanas Festnahme bot ihr Anwalt dem Walliser Ehepaar 350.000 Franken an. Wie ist das zu werten?

Dieses Angebot und die Höhe dieser Summe deuten meiner Meinung nach lediglich darauf hin, dass Loredana dem Ehepaar Geld schulden könnte. Das muss aber noch lange nicht heißen, dass sie zugibt, eine Betrügerin zu sein. Das Geld kann auch freiwillig und ohne Druck geflossen sein.

Und was sagt Ihr juristischer Instinkt?

Aus Erfahrung weiß ich, dass sich Sachverhalte anfänglich im Überschwang der Emotionen und der Hektik oft total anders darstellen als nach sachlich fundierter Beschäftigung und zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren. Spekulationen und instinktive Urteile bringen uns nicht weiter. Dass Loredana nicht in Untersuchungshaft versetzt wurde, bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft entweder keinen dringenden Tatverdacht hat oder keine besonderen Haftgründe sieht.

Alle Artikel zu den Betrugsvorwürfen gegen Loredana auf einen Blick > (20 Minuten)

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