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IS-Witwe von Deso Dogg ist nun "Event-Managerin"

Heute Redaktion
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Eine arabische Journalistin stieß auf das Handy einer deutschen Dschihadisten-Witwe, die offenbar in höchsten IS-Kreisen verkehrte. Sie lebt nun unbehelligt in Hamburg.

Sie war mit gleich zwei deutschsprachigen Top-Dschihadisten der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien verheiratet – nun lebt die ehemalige IS-Braut Omaima A. wieder ein "normales" Leben in Hamburg. Dank der Recherchen der arabischen Journalistin Jenan Moussa könnten die deutschen Behörden ein Ermittlungsverfahren gegen die 35-jährige Deutsche mit tunesischen Wurzeln starten.

Moussa und ihre Kollegen vom Sender "Al Aan TV" aus Dubai fand in Syrien das Handy einer deutschen Dschihadisten-Braut. Die auf dem Handy gespeicherten Fotos deuten darauf hin, dass Omaima A. nicht nur mit einem der bekanntesten deutschen Salafisten, sondern nach dessen Tod auch mit dem hochrangigen IS-Kämpfer Dennis Cuspert alias Deso Dogg verheiratet war.

Weil das Handy ab 2015 nicht mehr benutzt wurde, nahmen Moussa und ihr Team zunächst an, dass die Besitzerin getötet wurde. Bei einer Internet-Suche stieß die Journalistin dann aber auf ein Social-Media-Profil der Deutschen. Diese lebt offenbar seit 2016 wieder in Hamburg und arbeitet als freie Übersetzerin und Eventmanagerin.

Aus der deutschen Salafisten-Szene nach Syrien

Die 35-jährige Deutsche mit tunesischen Wurzeln heiratete noch in Deutschland im Jahr 2012 den Franfurter Salafisten Nadir Hadra. Schon in Deutschland trug sie zudem den islamischen Ganzkörperschleier, den Nikab. Hadra war in der deutschen Salafisten-Szene aktiv, nahm an Koran-Verteilungen des Salafisten-Predigers Abou-Nagie teil.

Irgendwann im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 reist Nadir Hadra nach Syrien und schließt sich dem "Islamischen Staat" an. Er kämpft dort zusammen mit dem berüchtigten deutschen Dschihadisten Dennis Cuspert, der als Deso Dogg einst eine Gangsterrap-Karriere verfolgte.

"Familienglück" im Terrorstaat

Im Jänner 2015 reiste Omaima ihrem Ehemann mit den drei Kindern nach. Zunächst flog sie begleitet von einem Verwandten in die Türkei. Dort traf sie Nadir wieder, der seine Familie abholte und anschließend über die Grenze in die damalige IS-Hauptstadt Raqqa brachte. Im März 2015 teilt ihr der deutsche Staat mit, dass ihr keinerlei Sozialhilfe mehr ausbezahlt wird, da sie nach Syrien gereist ist.

Die Fotos aus der folgenden Zeit in Raqqa zeigen ein makaberes Familienglück. Hadra posiert mit seinen Kindern, er trägt dabei oft ein Sturmgewehr bei sich und ist militärisch gekleidet. Oft posieren die Kinder auch mit bekannten deutschsprachigen Dschihadisten wie Deso Dogg oder dem Austro-Dschihadisten Mohammed Mahmoud. Sie sind offenbar Freunde der Familie.

Auch die Kinder verändern sich. So tragen auch die kleinsten Kopftuch, die achtjährige Tochter bald sogar den Ganzkörperschleier. Ihren Sohn fotografiert Omaima in der Kinderuniform der "Löwenjungen des Kalifats", der IS-Kindersoldaten. Außerdem posiert er immer wieder mit Pistolen.

Zweite Ehe mit Deso Dogg

Das Glück währt nicht lange. Nur sechs Wochen nach Omaimas Ankunft wird Hadra bei Kämpfen mit der kurdischen YPG in der Nähe von Kobane getötet. Sie erhält von den IS-"Behörden" insgesamt 1.300 US-Dollar in bar als "Witwenrente". Außerdem darf sie offiziell von Raqqa in die Provinz Homs ziehen. Denn dort hält sich Deso Dogg auf, den Omaima bald darauf heiratet. Auf Selfies zeigt sie einen weiteren goldenen Ehering.

Während ihrer Zeit im IS-Gebiet ist Omaima im Dienste des IS aktiv. Sie postet Propaganda, etwa Droh-Bilder gegen deutsche Städte. Außerdem scheint sie eine Verbindungsperson zwischen deutschen Dschihadisten und deren Familien in Deutschland gewesen zu sein.

Bereits in Raqqa ist sie auf Fotos zudem mehrmals mit einem Sturmgewehr zu sehen. Möglicherweise hat sie eine Schießausbildung genossen und war unter Umständen sogar bei der gefürchteten IS-Sittenpolizei aktiv. Mit ihrer Familie in Deutschland hat sie die ganze Zeit über Kontakt.

Rückkehr nach Deutschland

Im September 2016 kehrt Omaima über die Türkei mit ihren Kindern nach Deutschland zurück. Deso Dogg bleibt in Syrien, wo das vom IS kontrollierte Gebiet immer weiter schrumpft. Erst 2018 bestätigt der IS offiziell den Tod des berüchtigten Dschihadisten.

Bei ihrer Rückkehr nach Deutschland wird Omaima zwar anscheinend überprüft, aber offenbar nicht als gefährlich eingestuft. Sie baut sich ein neues Leben in ihrer Heimatstadt Hamburg auf. Schleier und auch Kopftuch hat sie abgelegt. Sie arbeitet als Eventmanagerin und freie Übersetzerin.

Die Journalistin Moussa konfrontiert Omaima telefonisch mit ihrer Vergangenheit, doch die 35-Jährige wiegelt ab und legt schließlich auf. Zuvor sucht Moussa auch die Wohnadresse auf. Es öffnet die älteste Tochter. Sie sagt, die Familie sei niemals in Syrien gewesen, sondern habe nur in der Türkei bei Verwandten Urlaub gemacht.

Neue Ermittlungen

Inzwischen sind die Behörden auf den Fall aufmerksam geworden. Die Inhalte des Handys der 35-Jährigen dürften zumindest Beweise für ihre Vernetzung in IS-Führungskreise erbringen. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand mit dieser Geschichte frei in Deutschland herumläuft", erzählt Moussa dem "Spiegel".

Frauen, die sich auf den Weg zu Terrormilizen wie dem IS in Syrien und im Irak machten, haben relativ hohe Chancen, unbehelligt zurückzukommen. Die deutschen Gerichte werten den bloßen Aufenthalt bei den Dschihadisten nicht als Straftat. Wenn die Frauen allerdings an Waffen ausgebildet wurden oder sich deutlich als Mitglieder einer der Terrororganisationen betätigt haben, droht ihnen eine Haftstrafe.